Das gute Geld in Österreich
Wie unser Geld die richtigen Impulse setzen kann
Mit nachhaltigen Geldanlagen gemeinsam die Zukunft gestalten. Dieser Leitgedanke bestimmte das Green Finance Forum in der Bankenmetropole Frankfurt ebenso wie das erste Forum „Das ‚gute‘ Geld – Investieren mit MehrWert", welches Ende Oktober im österreichischen Gunskirchen stattfand.
Gunskirchen war nicht zufällig Ort des Geschehens, denn die 6.000-Seelen-Gemeinde bei Wels in Oberösterreich ist Sitz des Umweltcenters Gunskirchen. Dieses wiederum ist Teil der regionalen Raiffeisenbank, die sich seit ihrer Gründung 2012 durch regionale und vor allem soziale, ökologische und somit nachhaltige Finanzierungen und Veranlagungen als die grüne Bank Österreichs etabliert hat. Damit liegt sie nicht nur bei grünen Kreditnehmern, sondern auch bei den Anlegern im Trend, denn das Bewusstsein der Österreicherinnen und Österreicher für alternative Geldanlagen, wie grüne Anlagemodelle oder Fondsinvestments, nimmt weiter zu. Die Nachfrage nach nachhaltigen Geld- und Sparanlagen ist im Vorjahr um 24 Prozent überdurchschnittlich angewachsen. Waren es im Jahr 2015 noch 10,2 Milliarden Euro, die in derartige Geldanlagen investiert wurden, so ist dieser Markt in Österreich seit 2016 sogar überproportional auf 12,65 Milliarden Euro angewachsen.
„Diese Zahlen belegen klar, dass es sich bei nachhaltigen Anlagen um mehr als einen Trend handelt. Nachhaltigkeitskriterien werden im Anlegeprozess immer wichtiger und gerade in Niedrigzinszeiten bieten grüne Anlageformen zusätzlichen Mehrwert", betont „Gutes Geld"-Veranstalter Dr. Hubert Pupeter, Geschäftsleiter des Umweltcenters der Raiffeisenbank Gunskirchen. „Die steigende Nachfrage unserer Kundinnen und Kunden hat uns, gemeinsam mit dem Klimabündnis Oberösterreich, dazu bewogen, dieses erste Forum zu nachhaltigen Finanzierungen und Veranlagungen ins Leben zu rufen. Wir wollen informieren und aufklären, denn Geld hat eine Gestaltungsmacht, die wir für eine gute Zukunft nutzen sollten." Diesen Aspekt streicht auch Norbert Rainer, der Regionalleiter des Klimabündnisses Oberösterreich, heraus. „Wenn es gelingt, mehr Geld in eine nachhaltige Wirtschaft zu lenken, ist das gelebter Klimaschutz und wirkt sich positiv für unsere Kinder und Enkelkinder aus."
Ich habe homo sapiens! Wann haben wir genug?
Der renommierte deutsche Zukunftsforscher und Finanzexperte Prof. Dr. Dirk Solte zeichnete als Hauptredner des Forums ein düsteres Bild. Anhand von Fakten und Zahlen, demographischen Entwicklungen und simplen Fragen zeigte Solte auf, dass es eigentlich schon fünf nach zwölf ist. Dies unterstrich er mit dem Planetenwitz: Sagt die Erde zu einem vorbeiziehenden Planeten auf die Frage, wie siehst denn Du aus: „Ich habe homo sapiens", und bekommt die beruhigende Antwort: „Keine Sorge, das hört bald von selbst auf."
Das zerstörerische Prinzip der Nutzenmaximierung sei nach Ansicht Soltes seit der Reformation kulturell ja beinahe genetisch in uns verankert. Nur unser Wille könne dem Drang nach Konsum, Wachstum und noch mehr Wohlstand Einhalt gebieten.
„Als weltweites Kollektiv entscheiden wir jetzt über unsere Zukunft und sollten endlich Verantwortung übernehmen", appelliert Solte. Auf die Publikumsfrage, welche Alternativen es für die scheinbar unausweichliche Selbstzerstörung der Menschheit gibt, antwortet er, dass es jedenfalls nicht das Mauerbauen und Abschotten sei. Diese Politik verschaffe vielleicht kurzfristig Zeit, führe aber unausweichlich zu Krieg. Laut Solte müssen wir alles daran setzen, dass Wertschöpfung und Wohlstand in den heute noch benachteiligten Regionen stattfindet, und wir in den entwickelten Regionen sollten auf Wirtschaftswachstum verzichten und unseren Wohlstand verteilen.
Wohlstand sichern
Doch auf der Veranstaltung ging es nicht primär darum, Wohlstand zu verteilen, sondern diesen zu sichern, für die eigene Pension und auch für Kinder und Enkelkinder.
„Jeder kann, sei es mit kleinem Budget oder großem Investment, etwas für unsere Umwelt und für unsere Zukunft tun", freute sich Norbert Rainer über die inhaltliche Breite der Veranstaltung und die an zahlreichen Messeständen angebotenen Investitionsmöglichkeiten. Im Workshop „Alternative Investments – Nachhaltige Alternativen zum klassischen Sparbuch" informierten die Referenten Kuno Haas, Geschäftsführer der Grünen Erde, und Michael Trcka, Finanzvorstand der WEB-Windenergie, über Anlagemöglichkeiten vom Crowdfunding für nachhaltige und sozialethische Projekte bis hin zur Beteiligung an außerbörslichen Aktiengesellschaften.
Grüne Firmen und Produkte fördern
Kuno Haas berichtete, wie seine Firma für Öko-Produkte mit ihrem Crowdfunding-Projekt seit Mai 2013 bereits 11 Millionen Euro von mehr als 1.500 Privatpersonen in Form von nachrangigen Darlehen einsammeln konnte. Laut Haas handelt es sich um das bisher erfolgreichste Crowdfunding-Projekt in Österreich. Weil es nach der Wirtschaftskrise 2008/09 und durch Basel III immer schwieriger geworden sei, von den Banken Geld für Investitionen zu bekommen, und man sich nicht auf „indiskutable" Vorschläge wie eine Verpfändung der Marke oder den Verkauf von Anteilen an internationale Investmentfonds einlassen wollte, habe man sich für das Crowdfunding-Projekt entschieden, begründet Haas den Schritt. Geldgeber können zwischen einer jährlichen Verzinsung von vier Prozent, die in Warengutscheinen ausbezahlt wird, oder einer dreiprozentigen Verzinsung, die bar abgegolten wird, wählen. Die Bandbreite der Beträge liegt laut Haas zwischen 2.000 und 50.000 Euro und es werden weitere Investoren gesucht.
Durch das Beteiligungsmodell konnte Grüne Erde den konsolidierten Eigenkapitalanteil auf nunmehr 13,45 Millionen Euro steigern und alle herkömmlichen Bankkredite vollständig rückführen.
Grüne, ethische Banken und das Gemeinwohl
Grüne Investoren von Gunskirchen
bis Frankfurt
Ebenfalls dem Motto „Think global, act local" folgend, waren beim 3. Green Finance Forum die Fragen zunächst auf die Umsetzung der Klimaziele in Deutschland ausgerichtet:
Welchen Beitrag können die Finanzindustrie und die öffentliche Hand konkret zum Erreichen dieser Ziele leisten und welche Rahmenbedingungen und Anreize soll hierbei die Politik schaffen? Welche Möglichkeiten gibt es, um die notwendige Transparenz von Green Finance-Produkten bei den Akteuren des Finanzsektors und der breiten Öffentlichkeit zu erreichen? Wie kann eine Vergleichbarkeit zwischen den unterschiedlichen Kriterien zur Bewertung klimafreundlicher Anlageprodukte seitens der Marktteilnehmer hergestellt werden?
Anschließend erfolgte die Erweiterung auf die internationale Perspektive: Unter dem Titel „Greening the Financial Sector" präsentierte die International Finance Corporation (IFC) klimafreundliche Investitionsmöglichkeiten in den Wachstumsmärkten und zeigte, warum Green Bonds ein effektives Instrument sind, um den Klimawandel zu bewältigen.
An das Green Finance Forum schloss sich am frühen Nachmittag der „Sustainable Investors Summit" an, der die politisch-regulatorischen Themen des Green Finance Forums aufgriff und praxisnah in Fachpanels und Workshops vertiefte. Der „Sustainable Investors Summit" ist eine Matchmaking-Plattform für Investoren und Asset Manager.
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„Das Umweltcenter der Raiffeisenbank Gunskirchen investiert seit Jahren ausschließlich in nachhaltige Projekte und Unternehmen: vom ökosozialen Wohnbau über Windenergie, Biomasse, Photovoltaik bis hin zu E-Mobilität, und jeder Euro, der bei uns veranlagt wird, kann damit etwas bewirken", erläutert Pupeter den Ansatz seines Hauses. Dem schloss sich Roland Hainzl vom Projekt Bank für Gemeinwohl an: „Banken tragen zukünftig eine noch größere Verantwortung der Gemeinschaft gegenüber. Ich bin überzeugt, dass ein nachhaltiger Wandel des Finanzwesens – hin zu mehr Gemeinwohl-Orientierung – möglich und nötig ist, um den Kundinnen und Kunden Transparenz, Mitbestimmung und Verantwortung zuteil werden zu lassen."
Dass auch institutionelle Investoren wie Versicherungen oder Pensionsfonds große Marktmacht haben, und wie diese zu Gunsten einer sozial und ökologisch sinnvollen Veränderung eingesetzt werden kann, zeigte Markus Zeilinger, Gründer der fair-finance Vorsorgekasse. Als treuhändiger Verwalter des Kundenvermögens kann sein Unternehmen zwar nicht auf marktübliche Renditen verzichten oder höhere Risiken eingehen, aber dies ist laut Zeilinger auch gar nicht notwendig und er bekräftigt: „Trotz unserem durch über 50 Ausschlusskriterien eingeschränkten Investmentuniversum und einem zusätzlichen Best-in-Class-ESG-Filter erwirtschaften wir mehr als ausreichend Rendite." ESG steht dabei für eine ökologische, soziale und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Environment, Social, good Governance).
Die Politik ist gefordert
„Mit einer Änderung der Gesetzgebung könnten betriebliche Vorsorgekassen und andere institutionelle Investoren zu einem echten Motor für nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in der Region werden", so Zeilinger weiter. Derzeit müssen Vorsorgekassen ihr Kapital vor allem in globale Aktien und Anleihen investieren, weil ausschließlich gehandelte Wertpapiere zur Veranlagung zugelassen sind. Der Erwerb von Unternehmensbeteiligungen gerade in der Region, die Zeichnung von Private Placements in Form von kleinvolumigen, nicht gelisteten Anleihen oder gar Darlehen, wie z.B. im Crowdfundingbereich üblich, sind gesetzlich ausgeschlossen. Für Zeilinger ist daher nicht nur jeder Einzelne aufgefordert, mittels bewusster und sinnstiftender Investitionsentscheidungen etwas für eine lebenswerte Zukunft zu tun, sondern auch der Gesetzgeber muss die Rahmenbedingungen verbessern.
Vielleicht nimmt die neue österreichische Bundesregierung den Ball ja auf, der ihr da aus Gunskirchen zugeworfen wird.
www.umweltcenter.at | www.fair-finance.at | www.oberoesterreich.klimabuendnis.at | www.grueneerde.com
Von Fritz Lietsch
Lifestyle | Geld & Investment, 01.12.2017
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 04/2017 - Jetzt die SDG umsetzen erschienen.
Pioniere der Hoffnung
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