Nachhaltige Architektur im Gewerbegebiet
Baukultur schafft Denkmäler
Am Rand von Stuttgart, mitten in einem Industrieareal, steht ein Gebäude, das nicht nur beispielhaft für Nachhaltigkeit, sondern auch für höchste Baukultur steht. Der Bauherr: ein Hidden Champion.
Die Entwicklung von Embedded Electronics für Automobile ist das Gebiet, auf dem sich die Firma Vector Informatik bestens auskennt, vielleicht besser als jemand sonst. Schließlich ist der Mittelständler aus der baden-württembergischen Landeshauptstadt Weltmarktführer. Seine Lösungen nutzen Automobilhersteller unter anderem dazu, ihre Fahrzeuge energieeffizienter und damit auch ein Stück weit nachhaltiger zu machen. Das Engagement in Sachen Nachhaltigkeit beschränkt sich aber nicht auf das Kerngeschäft. Das zeigt das neue Verwaltungsgebäude in Stuttgart, das echte Maßstäbe setzt. So wurde es von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) nicht nur mit dem Platin Zertifikat für nachhaltige Gebäude ausgezeichnet – der höchsten erreichbaren Stufe. Es hat darüber hinaus auch die Auszeichnung „DGNB Diamant" erhalten. Mit diesem prämiert die Non-Profit-Organisation seit 2016 in Zusammenarbeit mit der Bundesarchitektenkammer und unter fachlicher Begleitung des Bundes Deutscher Architekten (BDA) Gebäude, die über eine hervorragende gestalterische und baukulturelle Qualität verfügen. Gemeint ist damit weit mehr als eine schicke, das Stadtbild prägende Fassadengestaltung. In Architektensprache geht es um Angemessenheit, Kontext, Gestalt und Grundriss.
Ein Diamant der Baukultur
Was sich genauer dahinter verbirgt, wird verständlicher, wenn man die Bewertung der DGNB-Kommission für Gestaltungsqualität betrachtet, die dem Vector-Neubau die Diamant-Auszeichnung zusprach. Das Gebäude strahle eine gewisse Zeitlosigkeit, Großzügigkeit und hohe Werthaltigkeit aus, heißt es darin. Die hochwertige und langlebige Materialwahl wird genauso gelobt wie die flexible Planung, die es dem Gebäude ermöglicht, sich sowohl an neue technische Gegebenheiten als auch an strukturelle Veränderungen anzupassen. Laut Kommission sind die Bezüge von Innen zu Außen sehr gelungen umgesetzt. Die Freiflächen geben den anderen Gebäuden am fünf Baukörper umfassenden Campus eine zusätzliche Qualität und das Gebäude ist in seinem heterogenen Umfeld durch seine Proportionen und die Wiederaufnahme von Materialien bei der der Fassadengestaltung behutsam und gelungen eingefügt. Als außergewöhnlich gut wurde die gestalterische Qualität der Kantine hervorgehoben, deren Ambiente und Tageslichtqualität beispielhaft seien.
Dass sich die Firma überhaupt auf diesen Weg hin zu einem nachhaltigen, gestalterisch wertvollen Gebäude gemacht hat, hat viel mit Wertschätzung der eigenen Mitarbeiter zu tun. Hier finden sich viele Parallelen zum bislang einzigen Projekt, das mit dem DGNB Diamant ausgezeichnet wurde: dem 50Hertz Netzquartier in Berlin (forum berichtete). Auch im Fall von 50Hertz ist der Bauherr der spätere Nutzer des Gebäudes. In beiden Fällen gab es eine sehr enge Zusammenarbeit zwischen dem Bauherrn und den Architekten sowie einen intensiven Partizipationsprozess mit den späteren Nutzern. „Wir haben schon am Anfang Mitarbeiter gefragt, welche Anforderungen sie haben", sagt Vector-Gründer Eberhard Hinderer. „Das Ganze wurde in einem Pflichtenheft niedergeschrieben, als Grundlage für die Architekten und alle Planer, die an dem Projekt beteiligt waren."
Für Michael Frey, Partner beim verantwortlichen Büro Schmelzle + Partner Architekten, ist der hohe Qualitätsanspruch des Bauherrn keine Überraschung: „Vector ist ein Hidden Champion. Das Besondere dabei ist, dass die Gründer, die die Firma vor Jahrzehnten quasi in Garagen gegründet haben, persönlich sehr viel Freude am Bauen haben. Das war sehr bereichernd für das Projekt." Entsprechend intensiv lief die Zusammenarbeit über die gesamte Projektlaufzeit von drei Jahren mit wöchentlichen Baubesprechungen. „Wir haben wirklich jedes Detail durchgefuchst und auch umgesetzt", so Frey. Über den Zertifizierungsprozess der DGNB haben sich für ihn wichtige Effekte ergeben, gerade aus langfristiger Sicht. „Letztendlich ist es so, dass wir wirtschaftlich bauen müssen. Durch die Nachhaltigkeit ist gewährleistet, dass ein sehr ökonomischer Gebäudebetrieb möglich ist und dass sich die Investitionen, die wir jetzt getätigt haben, über die Jahre amortisieren werden", erklärt Frey.
Mitarbeiter gewinnen und halten
Einen weiteren Nebeneffekt erhofft sich Eberhard Hinderer auch noch an anderer Stelle. „Wir haben aktuell eine enge Situation auf dem Personalmarkt. Daher müssen wir alles tun, um Mitarbeiter für uns zu gewinnen", so Hinderer. „Ein attraktives Gebäude mit einer nachhaltigen Ausführung des Gebäudes und einer Schadstoffarmut: Solche Dinge ergeben einen attraktiven Arbeitsplatz, der uns hilft, Mitarbeiter zu gewinnen und zu halten." Wie sich dies auch in der Nutzung weiterführen lässt, zeigen viele kleine Beispiele. Eines davon: Die Angehörigen der Mitarbeiter sind jederzeit eingeladen, die von einem renommierten 5-Sterne-Hotel betriebene Kantine mitzunutzen. So bleibt Vector nicht bei der viel beschworenen Work-Life-Balance stehen, sondern verfolgt das Konzept des Work-Life-Blending. Planerisch kam hier ein besonderer Kniff zum Tragen. So arbeiteten Schmelzle + Partner Architekten bei diesem Projekt nicht mit Innenarchitekten zusammen, die typischerweise im Verwaltungs- und Industriebau tätig sind, sondern mit Planern, die über Expertise im Wohnungs- und Hotelbau verfügen. Die Doppelauszeichnung der DGNB bescheinigt den am Bau Beteiligten, dass die guten Planungsansätze gefruchtet haben. Und es zeigt, dass es sich lohnt, auch oder vielleicht sogar gerade an eher unattraktiven Standorten in die Qualität der eigenen Bauleistung zu investieren. Eine markante Visitenkarte, hinter der sich Hidden Champions wahrlich nicht verstecken müssen.
Felix Jansen verantwortet die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit der DGNB und leitet stellvertretend deren Mitglieder-Abteilung. Zuvor war der Kommunikations- und Medienwissenschaftler in zahlreichen Unternehmen und Organisationen für die Kommunikation verantwortlich.
Quelle: DGNB - Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen
Technik | Green Building, 01.12.2017
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