Kreativität und Ökostrom - der Schokoladen-Pionier
Erfolgreiches CSR-Management: Von den Besten lernen
Josef Zotter startete 1987 selbstständig als Konditor und seine Zotter-Torten erwarben regionalen Ruhm. Doch unter anderem aufgrund einer zu schnellen Expansion folgte1997 die Insolvenz. Aber Josef Zotter gab nicht auf, fing nochmal ganz neu an und konzentrierte sich auf außergewöhnliche und nachhaltige Schokoladenkreationen. Mit diesen hat er einen Siegeszug um die halbe Welt angetreten. Das Rezept für den Erfolg seines Familienunternehmens sieht Josef Zotter in seiner offen ausgesprochenen und gelebten Konsequenz: 100 Prozent bio, 100 Prozent Fair Trade, 100 Prozent „Bean-to-Bar".
Alles im eigenen, gläsernen Haus
Mit seiner „handgeschöpften" Schokolade erfand Zotter ein völlig neues Herstellungsverfahren, bei dem Schokolade nicht gegossen, sondern auf langen Bahnen in Schichten aufgetragen, in Stücke geschnitten und nochmals mit Schokolade überzogen wird. Bis zu sieben Schichten sind in einer Tafel. Auch der Wertschöpfungsprozess ist bei Zotter außergewöhnlich und nennt sich „Bean-to-Bar"- von der Bohne zur Tafel. Dabei kommen die Säcke mit den Kakaobohnen direkt von bäuerlichen Kakaokooperativen aus neun verschiedenen Ländern, zum Produktionsstandort in Riegersburg. Dort werden sie geröstet, gemahlen, conchiert und zu Tafeln veredelt. Josef Zotter hat somit alle Produktionsprozesse, die zur Schokoladenerzeugung gehören, im Haus und in seiner direkten Verantwortung. Und davon soll sich jeder selbst überzeugen können. Im Schoko-Laden-Theater können die Besucher auf gläsernen Gängen durch die gesamte Bean-to-bar-Manufaktur wandern und den Entstehungsprozess von Schokolade miterleben – und natürlich ganz viel naschen. 265.000 Besucher kommen jährlich in die gläserne Manufaktur.
Qualität als höchstes Gebot
Neben der umfassenden Verantwortung für die Wertschöpfungskette dient der Bean-to-bar-Prozess der Sicherstellung der Qualität – unter anderem durch die individuelle Verarbeitung der Rohstoffe. So wird zum Beispiel Rohkakao aus Nicaragua anders behandelt als Rohkakao aus Brasilien. Auch sonst wird Individualität bei Zotter großgeschrieben. Die Vision des Chocolatiers war es von Anfang an, Schokoladen für Menschen zu machen, die bewusst genießen. Massenware herzustellen ist für Zotter keine Option und diese Strategie hat sich gelohnt: Seine Kreationen genießen internationale Anerkennung und erhalten Top-Bewertungen.
Nachhaltig überzeugt
Doch Zotters Pioniergeist beschränkt sich nicht auf die Schokolade. Der „Essbare Tiergarten" ist eines seiner jüngsten Projekte. Mit diesem kreativen Muster-Bio-Bauernhof will er Nachhaltigkeit für alle Kunden greifbar machen und sie zum Umdenken anregen. Der Tiergarten befindet sich auf dem Gelände der Schokoladen-Manufaktur und bietet den Besuchern die Möglichkeit, alte Nutztierrassen kennenzulernen. Er soll bewirken, dass Menschen sehen, was sie später auf dem Teller haben und sich dafür interessieren, wie dieses Tier gelebt hat. Auf diese Weise soll der Sinnzusammenhang zwischen Tier – Fleisch – Mensch wiederhergestellt werden. „Es geht um Erfahrung, Wissen und Respekt jenseits des Supermarktfleischpackerls, das uns zum Spottpreis nachgeworfen wird", so Zotter. „Schau dem Essen in die Augen und entscheide dann, wie groß das Schnitzel sein soll."
Alles bio oder was?
Bereits in den 80er-Jahren, als die Begriffe „bio" und „Fair Trade" noch längst nicht die gesellschaftliche Aufmerksamkeit genossen haben wie heute, träumte Josef Zotter von Eiern aus Freilandhaltung für seine Konditorei. Da es diese damals nirgends zu kaufen gab, baute er kurzerhand einen Hühnerstall und legte sich 300 Hühner zu. Was damals aus ethischem Antrieb begann, wird von ihm heute professionell weiter vorangetrieben, als Bio-Landwirt und Chocolatier.
Josef Zotter ist damit nach eigenen Aussagen nicht nur einer der wenigen europäischen Kakao-Direktverarbeiter, sondern der einzige, der sein gesamtes Sortiment von der Bohne weg ausschließlich in bio produziert. „Für uns war es wichtig, kein Spartenprodukt mit Bio-Label herzustellen, sondern ganzheitlich das gesamte Sortiment umzustellen. Da wir von Beginn an auf Qualität und Regionalität gesetzt und auf Konservierungsmittel, künstliche Aromen und dergleichen Glanzstoffe der Chemie-Industrie verzichtet haben, war bio für uns der einzige konsequente Weg." Damit positioniert sich Zotter ganz klar gegen standardisierte Massenproduktion und die Konzentration des Schokolademarktes, die mittlerweile auch den Edelschokolademarkt erfasst hat.
Mit Lieferanten auf Augenhöhe
Seit 2004 ist Zotter fester Lizenzpartner von Fairtrade Österreich. Damit erhalten die Kakao-Bauern faire Preise für ihre Rohstoffe, unabhängig von den Weltmarktpreisen und können damit ihre Existenz weitgehend sichern und soziale Mindeststandards in puncto Gesundheit und Bildung erreichen. Für Spitzenqualität ist Zotter sogar bereit, bis zum Dreifachen des Weltmarktpreises zu zahlen.
Josef Zotter geht es jedoch nicht darum, seinen Lieferanten etwas zu schenken oder zu spenden – Wirtschaftlichkeit und Rentabilität sind auch für ihn unabdingbare Größen, um Geschäftsentscheidungen zu treffen, aber sein Credo lautet: „Wer gute Qualität liefert und dabei Mensch und Umwelt achtet, hat es auch verdient, entsprechend dafür entlohnt zu werden."
Da die Bauern den Kakao nicht selbst zu Schokolade verarbeiten, wissen sie oft nicht, worauf es ankommt. Deshalb arbeitet Zotter eng mit ihnen zusammen. Die Bauern sollen sehen, was aus ihrem Kakao entsteht und weshalb dieser und jener Verarbeitungsschritt wichtig ist. Mit drei Kakaokooperativen aus Nicaragua hat das Unternehmen in Zusammenarbeit mit der österreichischen Entwicklungshilfe und den NGOs „Horizont3000" und „Initiative Eine Welt Braunau" erfolgreich das Projekt „Kakao gegen Armut" gestartet. Kakaobauern werden dabei nach Österreich eingeladen, damit sie sehen können, was aus ihrem Kakao entsteht, denn die Qualität der Schokolade beginnt beim Kakaobauern.
Neben dem Kakao verwendet Zotter viele Zutaten aus Österreich. So bezieht die Schokoladenmanufaktur zum Beispiel pro Jahr eine Million Liter Bio-Milch von den Zillertaler Bergbauern (Tirol). Dabei wird darauf geachtet, ambitionierte Kleinbauern zu unterstützen, die mit Liebe Regionales anbauen.
Investition in die wichtigste Ressource
Das Unternehmen beschäftigt rund 180 Mitarbeiter – hauptsächlich Frauen aus der Region – für die Inhaber Josef Zotter umfassende soziale Verantwortung übernimmt. So ist das Kantinenessen frisch zubereitet, biologisch angebaut und im „Essbaren Tiergarten" selbst aufgezogen, denn auch die Mitarbeiter sollen die Bio-Philosophie mittragen. Gespeist wird an einer langen Tafel, an der jeder Mitarbeiter gleich ist, egal ob Chef oder Putzfrau. Seit die gesunde Ernährung Chefsache ist, sind die Krankenstände deutlich zurückgegangen. In den Ferien können auch die Kinder der Mitarbeiter in die Firma kommen und in der Bio-Kantine gemeinsam mit den Eltern zu Mittag essen. Den Tag dürfen sie im Unternehmen oder im unternehmenseigenen Tiergarten verbringen, dabei werden sie von einer Betreuerin beaufsichtigt, die Kosten dafür trägt das Unternehmen.
Umwelt ganz bewusst
Dass ökologisches Wirtschaften erfolgreich ist, stellt Zotter seit Jahren unter Beweis. Neben der Entscheidung, nur Bio- und fair gehandelte Rohstoffe zu verwenden, gibt es zahlreiche weitere Maßnahmen zum verantwortlichen Umgang mit der Umwelt. Für die Produktion verwendet Zotter Öko-Strom; Kakaoschalen landen nicht auf dem Müll, sondern werden zu Wärmezwecken verheizt oder als Dünger im Garten verwendet. Darüber hinaus wurde auf dem Unternehmensgelände eine innovative Photovoltaik-Anlage gebaut mit Solarzellen, die sich wie Sonnenblumen der Sonne zuwenden. Eine weitere Dachfläche wurde ebenfalls mit Kollektoren ausgestattet.
Der Chef höchstpersönlich ist mit seinem E-Mobil unterwegs und bietet allen Mitarbeitern eine Stromtankstelle an. 60 Prozent des Energiebedarfs werden selbst erzeugt, der restliche Bedarf wird aus erneuerbaren Energiequellen (Öko-Strom) zugekauft. Auch bei der Verpackung der Produkte achtet Zotter auf ökologische Nachhaltigkeit: Die Farben sind umweltfreundlich und ohne Glanzbeschichtung, die Folien aus nachhaltigen Rohstoffen. Seit 2015 ist das Unternehmen EMAS-zertifiziert.
CSR-Erfolgstrategien auf einen Blick
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Doch auch bei Zotter erfolgen Fehler und Rückschläge: Im „Essbaren Tiergarten" gibt es einen Ideenfriedhof, wo nicht umgesetzte Ideen oder nicht mehr produzierte Sorten, wie auch gescheiterte Projekte mit einem Grabstein verewigt sind – auch diese gehören zum Unternehmertum dazu.
Kunden werden zu Fans
Die Wünsche der Kunden genießen bei Zotter oberste Priorität. Nach Möglichkeit kümmern sich Josef Zotter und seine Frau Ulrike persönlich, ob per Telefon oder per E-Mail, um die Anliegen und auch die Beschwerden ihrer Kunden. Diese Einstellung ist dem Unternehmer ebenso wichtig, wie der hohe Qualitätsstandard und die Vielfalt des angebotenen Sortiments. Hierin sieht Zotter den Schlüssel zum Erfolg: „Wenn sich der Kunde abgeholt und verstanden fühlt, ist er auch eher bereit, über eine kleine Unstimmigkeit hinwegzusehen und den etwas höheren Preis für unsere Schokolade zu bezahlen."
Kalbsgeburt als Medienevent?
Josef Zotter ist der festen Überzeugung, dass sein Erfolg nicht möglich gewesen wäre, wenn er seine Überzeugungen nicht kommuniziert und seinen Kunden nicht erläutert hätte, warum er eine etwas andere Art der Unternehmensführung betreibt. Die nachhaltige Unternehmensführung wird bei Zotter breit gefächert kommuniziert: in jeder Schokoschleife, auf der Internetseite, auf Veranstaltungen, bei Facebook oder Twitter, und natürlich ist auch der essbare Tiergarten eine Art immerwährendes Event, mit dem sich Zotter seine Kunden ins Haus holt und ihnen seine Überzeugungen näherbringt. Große Werbekampagnen und aufwändige Marktforschung sind allerdings nicht der Stil von Zotter, und das ist auch gar nicht nötig. Denn wenn die nachhaltige Unternehmenskultur im Umgang mit den Kollegen und Kunden im Tagesgeschäft gelebt wird, dann entstehen jeden Tag nachhaltige Geschichten und Erlebnisse, die überzeugender sind als jedes Werbekonzept.
Das Fachbuch „Der CSR-Manager"
Das Fachbuch „Der CSR-Manager – Unternehmensverantwortung in der Praxis" hilft Unternehmen, Nachhaltigkeit als neue Denkhaltung und ganzheitlichen Managementansatz zu gestalten und davon zu profitieren. Der Praxisbezug, die anschaulichen Tipps und der kompakte Inhalt mit zahlreichen Checklisten erleichtern den Einstieg in das Thema. Nicht zuletzt deshalb ist das Buch bereits in einer dritten, aktualisierten Auflage erschienen. Sie können „Der CSR-Manager. Unternehmensverantwortung in der Praxis", 3. Auflage, ALTOP Verlag 2014, 236 Seiten, EUR 24,90
ISBN 978-3-925646-54-6 im Buchhandel oder direkt beim Verlag bestellen.
Dr. Dennis Lotter und Jerome Braun begleiten mit ihrer Agentur Benefit Identity Unternehmen und Organisationen seit mehr als zehn Jahren bei der Gestaltung ihrer Markenintegrität durch eine verantwortliche Betriebsführung. Darüber hinaus sind sie gefragte Fachautoren und Vortragsredner. |
So wie an einem Morgen auf der zotterschen Kuhweide: Ein Kunde war gerade auf dem Weg zum Parkplatz, als er entdeckte, dass eine Kuh gerade kalbt. Er zückte sein Handy und postete ein Foto bei Facebook. Dies hat eine Welle der Begeisterung und Zusprüche losgelöst. So viel positive Werbung hatte Zotter nach eigenen Angaben des Inhabers in so kurzer Zeit noch nie gehabt. „Die Werbebotschaft, die da rausgeht, die kannst du mit 100.000 € nicht bezahlen. Die passiert einfach und das ist das, was die Leute berührt."
Zotter macht Schule
Mit seinem einzigartigen Unternehmenskonzept ist Zotter sogar der renommierten Harvard University aufgefallen. Als erstes österreichisches Unternehmen steht Zotter als Fallstudie auf dem Lehrplan der Studenten: Wie funktioniert ein Unternehmen, dessen Maxime nicht die Gewinnmaximierung ist? Weshalb verzichtet ein Unternehmen auf klassische Werbung? Wie arbeiten die unabhängigen Kontrollmechanismen im fairen Handel? Josef Zotter sorgt mit seinem Unternehmensprofil in Harvard für Irritation und erntet doch nach der Unterrichtseinheit viel Beifall für sein Unternehmensprofil, das sich so stark von den üblichen Firmenkonzepten abhebt. Die Studierenden, die Zotter als „Melange zwischen Künstler und Unternehmer" beschrieben, waren nicht nur von seinen Schokoladen beeindruckt.
Von Dorothee Wimmer
Wirtschaft | CSR & Strategie, 10.04.2018
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2018 - Digital in die Zukunft? Tierische Geschäfte! erschienen.
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