Katholizismus, Kohle, Klimawandel
Katholisches Geld und die Bewahrung der Schöpfung
Papst Franziskus forderte in seiner Enzyklika Laudato Si politische Programme, um den Ausstoß von Kohlendioxid in den kommenden Jahren drastisch zu reduzieren. Das ist ein wichtiger Appell. Aber folgen auch die Geldanlagen der katholischen Kirche diesem Gebot?

Der Papst kritisiert, dass diese Mitverantwortung nicht bei allen Entscheidungsträgern ausgeprägt sei: „Viele von denen, die mehr Ressourcen und politische und ökonomische Macht besitzen, scheinen sich vor allem darauf zu konzentrieren, die Probleme zu verschleiern." Konkret fordert Papst Franziskus, die Nutzung fossiler Brennstoffe durch erneuerbare Energie zu ersetzen.
Und was macht die Kirche?
Laudato Si sollte für die katholische Kirche und ihre Institutionen ein deutliches Signal sein, ihr Menschenmögliches zu tun, um die Folgen des Klimawandels abzuschwächen. Die Dringlichkeit des Problems ist einigen katholischen Akteuren sehr wohl bewusst. Es gibt auch zahlreiche kirchliche Projekte und Initiativen sowie gläubige Katholiken, die ihre Gemeinde oder Kirche nachhaltiger und klimafreundlicher gestalten wollen. Das Thema Umweltmanagement und Energieeffizienz kirchlicher Immobilien ist zum Beispiel ein Schwerpunkt der Abteilung Umwelt der Erzdiözese München und Freising. Außerdem stellt der Diözesanrat der Katholiken der Erzdiözese eine umfangreiche Materialsammlung zur Enzyklika Laudato Si mit Best Practices, Arbeitshilfen und Lehrmaterialien online bereit. Doch folgt dem Wissen auch engagiertes Handeln?
Divestment und Investment 2018Die GCCM, unterstützt von der „Fossil Free"-Kampagne und anderen Akteuren, plant für den 22. April 2018 die nächste gemeinsame Divestment-Verkündung. Katholische Institutionen und Finanzakteure sind eingeladen, ihre eigene Divestment-Verpflichtung gemeinsam zu veröffentlichen, um die Sichtbarkeit zu erhöhen. Der 22. April ist gleichzeitig der Welttag der Erde (World Earth Day). Banken, Bistümer und Orden können sich einfach beteiligen, indem sie eine gemeinsame Divestment-Verkündung unterzeichnen.
Auch Sie als Leserin und Leser können aktiv werden. Seien Sie beharrlich und positiv lästig mit Fragen, wie es vereinbar ist, dass die katholische Kirche nach dem Evangelium für die Schwachen und die Schöpfung antritt und diese Frage nicht immer eindeutig beantwortet.
Hilfestellung und Ratgeber
Links zu einem Ratgeber für Divestment auf der Ebene von Familie, Organisationen oder Gemeinschaften", zu einem ein „Divestment-Toolkit” mit wegweisender Argumentation für Divestment in katholischen Einrichtungen (auf Englisch) sowie zu einer Orientierungshilfe „Ethisch-nachhaltig investieren" für Finanzverantwortliche katholischer Einrichtungen in Deutschland finden Sie auf unserer Landingpage Nachhaltiges Investieren.
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Geld regiert die Welt
Alle Bemühungen in Sachen Umwelt- und Klimaschutz werden jedoch untergraben, wenn die Kirche gleichzeitig die Hauptverursacher des Klimawandels über Aktien, Fonds oder Anleihen finanziell unterstützt. Bisher thematisiert man nur sehr zögerlich die Wirkung eigener Geldanlagen auf den Klimawandel. Dabei ist der Umgang der Kirche mit ihren Finanzen und ihrem Vermögen eine zentrale Frage ihres Wirkens in und für die Gesellschaft. Von zentralem Interesse sind daher die Ziele und Kriterien, nach denen kirchliche Gelder am Kapitalmarkt investiert werden.
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) und die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) hatten bereits 2015 eine Orientierungshilfe „Ethisch-nachhaltig investieren" für katholische Finanzverantwortliche herausgegeben, in der sie katholische Einrichtungen wie die Bistümer zu einer nachhaltigeren Geldanlage – unverbindlich – aufriefen. Auch Prof. Hans Joachim Schellnhuber, Direktor des PIK und Mitglied der Päpstlichen Akademie der Wissenschaften, empfiehlt kirchlichen Finanzverantwortlichen eindringlich, ethisch zu investieren.
Damit ist der Weg klar: Die Investitionen der Kirche müssen auf den Prüfstand und die logische Konsequenz sollte Divestment sein: d.h. der Abzug der Geldanlagen aus menschenunwürdigen Geschäften und klimaschädlichen, fossilen Brennstoffen und ein Reinvestment in nachhaltigere Branchen.
Dazu Prof. Schellnhuber: „Ich kann nicht anderen vorhalten, dass sie sündig sind, wenn ich mich nicht selbst an den eigenen Grundsätzen messe. Will ich Geld damit verdienen, dass Kinder ausgebeutet werden, dass Blut am Geld klebt, dass damit die Umwelt zerstört wird? Die Antwort ist natürlich: Nein!" In diesem Sinne empfahl auch Misereor für die gemeinsame Fastenaktion 2018 Divestment als vordringliches Handlungsfeld.
Was ist Divestment?

Divestment oder Deinvestition beschreibt nichts anderes als das Gegenteil von Investment bzw. Investition. Investoren entscheiden sich dabei, als unethisch bewertete Aktien, Fonds oder Anleihen von Unternehmen abzustoßen. Divestment aus Sicht von Klimaschutzorganisationen wie 350.org betrifft konkret Geldanlagen, die klimaschädliche Folgen verursachen. Darunter fallen zum Beispiel Unternehmen, die direkt fossile Brennstoffe abbauen (Kohleminen, Erdölplattformen, Erdgasfelder) oder verbrennen (Betreiber von Kraftwerken auf Basis von Kohle, Öl oder Erdgas). Das Geschäftsmodell der größten Kohle-, Öl- und Gaskonzerne ist nach Ansicht der Umweltaktivisten in keiner Weise mit der Bewahrung der Schöpfung vereinbar. Über drei Jahrzehnte lang haben die weltweit größten Kohle-, Öl- und Gasunternehmen die Öffentlichkeit in Bezug auf den Klimawandel vorsätzlich durch PR- und Verleumdungskampagnen getäuscht. Die Adressaten sind eindeutig: Laut The Guardian sind allein 90 Unternehmen für zwei Drittel der vom Menschen verursachten Emissionen verantwortlich.
Eine Divestment-Anlagestrategie kann gleichzeitig soziale, ökologische und ökonomische Ziele verfolgen, also z.B. den Schutz der Arbeiter und lokalen Bevölkerung beachten, die Risiken des Klimawandels verringern und die Gefahr vermindern, wertlose „stranded assets" abschreiben zu müssen. Viele Nichtregierungsorganisationen fordern deshalb den konsequenten Umstieg auf ethisch-nachhaltiges Investment und Divestment. Sie üben öffentlichen Druck auf katholische Einrichtungen aus: Südwind e.V., urgewald e.V., Facing Finance e.V. oder die „Fossil Free"-Kampagne von 350.org werben in Gesprächen mit Verantwortlichen der Kirche oder durch öffentliche Aktionen für starke Divestment-Beschlüsse. Sie fordern, dass Institutionen und Einzelpersonen sofort alle neuen Investitionen in Kohle-, Öl- und Gaskonzerne einfrieren und Direktinvestitionen und alle gemischten Fonds mit öffentlichen Beteiligungen und Industrieobligationen innerhalb von 5 Jahren abstoßen. Informationen dafür gibt es: Daten zu Klimawirkungen von Unternehmen und Ländern sind inzwischen allgemein zugänglich.
Die Global Coal Exit List von urgewald e.V. zum Beispiel wird auch von Research-Agenturen, wie imug rating oder oekom research genutzt, um Screeningmodelle für Portfolios zu entwickeln. Entsprechende Berater unterstützen bereits eine Vielzahl katholischer und evangelischer Kunden in der konkreten Umsetzung einer ethisch-nachhaltigen Geldanlagestrategie.
Eine globale Bewegung
Die Global Catholic Climate Movement (GCCM), eine weltweite katholische Klimabewegung, fordert ebenfalls Divestment. Als Zusammenschluss von über 650 katholischen Organisationen und mehreren tausend katholischen Einzelpersonen auf allen Kontinenten haben sie sich zusammengefunden, um dem Aufruf von Papst Franziskus zum gemeinsamen Handeln in Sachen Klimaschutz Folge zu leisten. Ziel ist es, katholische Einrichtungen davon zu überzeugen, ihre Divestment-Entscheidung gemeinsam öffentlich bekannt zu machen. Die GCCM kann seit ihrer Gründung im Januar 2015 bereits einige Erfolge verzeichnen. So verkündeten vergangenen Herbst 40 katholische Organisationen, ihre bestehenden Investitionen in Kohle, Gas oder Öl abzuziehen.
Christiana Figueres, ehemalige Generalsekretärin der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC), sprach von einer klugen Entscheidung „nicht nur aus finanzieller Sicht”, sondern „im Sinne einer besseren Zukunft für alle Menschen." Der Zeitpunkt der Divestment-Entscheidung war nicht zufällig gewählt: Der 4. Oktober ist der Todestag des Mitbegründers des Franziskanerordens, Franz von Assisi. Zu den unterzeichnenden katholischen Organisationen gehörten neben mehreren Gemeinschaften in Assisi auch die deutsche Bank für Kirche und Caritas eG (BKC) in Paderborn. Tommy Piemonte, Leiter Nachhaltigkeitsresearch bei der BKC, erläutert die Hintergründe für den Divestment-Beschluss: „Als katholische Kirchenbank wissen wir uns verpflichtet, ein öffentliches Bekenntnis zum Divestment abzugeben und so auch andere Investoren zu motivieren, sich mit Klimaschutzfragen in der Kapitalanlage zu beschäftigen.
Auch andere katholische Banken wie die Bank im Bistum Essen eG, die Steyler Bank GmbH, die Pax-Bank eG, die LIGA Bank eG oder die DKM Darlehnskasse Münster eG haben bereits einen Prozess für Divestment eingeleitet. Für die Bank im Bistum Essen ist es keine leichte Entscheidung gewesen, sich klar gegen die Nutzung fossiler Brennstoffe zu positionieren. Ausschlaggebend war laut René Wrenger, dem Leiter Treasury, die Tatsache, dass ein überwiegender Teil der weltweiten Treibhausgasemissionen aus der Kohleindustrie stammt und der umweltzerstörende Abbau von Kohle zu dramatischen Folgeschäden führt, die am Ende des Tages vor allem die Armen und Unterprivilegierten treffen.
Solche öffentlichen Signale sind sehr wichtig für die Divestment-Bewegung: öffentlich zu zeigen, welche Verantwortung für das Klima in Form ethisch-nachhaltigen Investments besteht und wo Gelder im Rahmen eines Divestments abgezogen werden müssen. Bisher besteht der Eindruck, dass sich die katholische Kirche mit Aussagen zu ihren Geldanlagen sehr bedeckt hält. Sich öffentlich zu bekennen sollte aber ein kirchliches Anliegen sein. Nach Matthäus 5,14-16 sei zitiert: „Ihr seid das Licht der Welt. Eine Stadt, die auf einem Berg liegt, kann nicht verborgen bleiben. Man zündet auch nicht ein Licht an und stülpt ein Gefäß darüber, sondern man stellt es auf den Leuchter; dann leuchtet es allen im Haus.” Anlagekriterien und Handeln im Sinne eines ethisch-nachhaltigen Divestments sind gute Werke. Man kann und soll sie auf den Leuchter stellen. Denn erst dann entfalten sie ihre ganze Wirkung und erleuchten das Haus. Es wäre wünschenswert, dass katholische Einrichtungen der Welt ihre guten Werke zeigen. Auch um anderen Entscheidungsträgern zu helfen, diesen richtigen und aus Klimasicht unvermeidlichen Weg zu gehen.
Lifestyle | Geld & Investment, 10.04.2018
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2018 - Digital in die Zukunft? Tierische Geschäfte! erschienen.

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