Fidschi-Inseln: „Es geht um Leben und Tod“
Erzbischof berichtet über Folgen des Klimawandels
Die südpazifische Republik Fidschi ist ein beliebtes Reiseziel, besonders für Sporttaucher. Doch das Urlaubsparadies ist infolge des Klimawandels von der Zerstörung bedroht. Darüber berichtete Erzbischof Peter Loy Chong beim Besuch des weltweiten päpstlichen Hilfswerks KIRCHE IN NOT. Chong leitet das Hauptstadtbistum Suva. Jüngst hat er die dramatischen Entwicklungen auf den Fidschi-Inseln bei einer internationalen Konferenz in Rom vorgestellt, die anlässlich des dritten Jahrestages der Veröffentlichung der Umwelt-Enzyklika „Laudato si" von Papst Franziskus veranstaltet wurde. Das Interview führte Maria Lozano.
Maria Lozano: Sie kommen gerade von der Tagung in Rom, bei der es um den christlichen Beitrag zur Bewahrung der Schöpfung ging. Als Bischof aus Fidschi bekommen Sie die Folgen von Umweltverschmutzung und Klimawandel sehr deutlich zu spüren. Wie ist die Lage?
Erzbischof Peter Loy Chong: Der Wasserspiegel des Pazifischen Ozeans steigt Jahr für Jahr. In 50 Jahren werden viele Siedlungen untergangenen sein. Das können wir nicht nur Statistiken entnehmen. Das sehen wir selbst: Früher versuchte jeder Bewohner auf den Fidschi-Inseln, sein Haus möglichst nah am Wasser zu bauen. Nicht nur das Klima, auch die Arbeitsmöglichkeiten durch den Fischfang waren besser als in den Bergregionen. Mein Großvater zum Beispiel baute sein Häuschen 50 Meter vom Meer entfernt. Heute steht es fast schon im Wasser! In vielen Orten müssen die Häuser bereits jetzt in der Nähe von Hügeln wiederaufgebaut werden, weil das Wasser gefährlich nahekommt.
Handelt es sich bei solchen Ereignissen um Einzelfälle oder ist es auf allen Inseln so, die zur Republik Fidschi gehören?
Es handelt sich nicht um Einzelfälle. In den kommenden Jahren werden die Einwohner von 34 Küstenortschaften mit den Veränderungen konfrontiert sein, die der steigende Meeresspiegel mit sich bringt. Die Regierung hat bereits Umsiedlungspläne gemacht. So musste ein ganzes Dorf in der Provinz Tabua, der zweitgrößten Insel von Fidschi, auf eine benachbarte Insel umgesiedelt werden. Andernorts gibt es bereits Vorbereitungen.
Papst Franziskus hat wiederholt auf die dramatischen Folgen des Klimawandels hingewiesen. Trotzdem glauben auch viele Katholiken, dass das Problem nicht so schwerwiegend ist. Was sagen Sie ihnen?
Vor kurzem habe ich an einer internationalen Erklärung von Kirchenvertretern zu diesem Thema mitgearbeitet. Im ersten Entwurf stand: „Der Klimawandel wird unsere Entwicklungsmöglichkeiten betreffen." Es ging um Wirtschaft und Tourismus. Aber diese einseitige Sicht ist falsch! Der Klimawandel bedeutet für uns nicht in erster Linie, dass wir wirtschaftliche Chancen verpassen. Es geht um unsere Nahrungsgrundlagen, unsere Zukunft. Es geht um Leben und Tod! Immer wieder ist auch die Rede davon, dass wir lernen sollen, mit dieser Situation zu leben. Aber wir sprechen von großem Leid, vom Aussterben ganzer Regionen. Wie soll ich meinen Leuten sagen, dass sie damit leben lernen sollen?
Trotzdem ist es für einige Menschen schwierig zu verstehen, welche Rolle die Kirche im ökologischen Bereich spielen soll. Ist es nicht doch eher eine wirtschaftliche und politische Aufgabe?
Ich glaube, dass die Kirche in zwei Bereichen eine wichtige Rolle spielt. Erstens geht es um ein Problem, das einen Kern unseres Glaubens betrifft: Die Schöpfung ist ein Geschenk, das uns der Schöpfer gemacht hat – verbunden mit dem Auftrag, sie zu bewahren. Wir müssen uns als Christen fragen, ob wir uns da richtig verhalten oder nicht.
Zweitens, und das betrifft mich als Bischof und Seelsorger ganz besonders: Wie können wir die Menschen in ihrem Leid begleiten und trösten? Ihr ganzes Leben, ihr Überleben ist durch die Umweltveränderungen ins Wanken gekommen. Der Glaube lässt uns Schmerz und Todesangst in Gebet verwandeln – in die Bitte, dass Gott das Weinen seines Volkes hört. Es geht also nicht nur um Politik und Wirtschaft. Es geht um die Achtung vor der Schöpfung und darum, die Not der Menschen zu lindern.
Papst Franziskus mahnt eine „ökologische Umkehr" an. Das klingt erstmal sehr abstrakt. Was verstehen Sie darunter?
Umkehr betrifft uns alle – auf nationaler wie auf internationaler Ebene. Unsere Inseln werden verwüstet, unsere Flüsse sind verunreinigt, unsere Wälder werden abgeholzt. Die Folgen erleben wir auf den Fidschi-Inseln ebenfalls drastisch: Die Plätze für den Fischfang, der ja bei uns Haupteinnahmequelle ist, sind immer weiter entfernt. Als Folgen brauchen die Menschen ein Boot, um dorthin zu gelangen. Das kostet Geld, was wiederum viele Familien weiter in die Armut treibt. Es stellt sich die Frage: Wovon sollen die Menschen künftig leben? Die „ökologische Umkehr" muss also auch auf lokaler Ebene erfolgen. Und sie muss eine Umkehr der Herzen sein. Wir brauchen eine Annäherung an Gott, Achtung vor der Schöpfung, einen nüchternen Blick auf die Fakten und eine Großherzigkeit gegenüber denjenigen, die unter den Folgen leiden. Mein Volk auf den Fidschi-Inseln weint. Wer wir diese Tränen trocken?
Die Inselwelt Ozeaniens, zu der die Republik Fidschi gehört, besteht aus über 7500 Inseln auf einer Fläche von über 70 Millionen Quadratkilometern. Glaubensverkündigung und Seelsorge angesichts weiter Entfernungen und der Vielzahl unterschiedlicher Sprachen und Kulturen stellt eine besondere Herausforderung für die Kirche dar. KIRCHE IN NOT unterstützt die Seelsorge in diesem Gebiet zum Beispiel mit Transporthilfen, gewährt Existenzhilfen und unterstützt die religiöse Bildung.
KIRCHE IN NOT ist ein internationales katholisches Hilfswerk. Das Werk leistet weltweit geistliche und materielle Hilfe für Christen, die wegen ihres Glaubens bedroht oder verfolgt werden.
Umwelt | Klima, 14.08.2018
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