Spurensuche
Eine Reportage über vergiftete Brunnen
Der Münchner Filmemacher Lorenz Knauer hat sich in einer Reportage für das Bayerische Fernsehen auf den Weg gemacht, dem Wasser auf den Grund zu gehen.
Lorenz Knauer, Filmautor, Regisseur und freier Dokumentarfilmer ist Mitarbeiter renommierter Sendereihen wie „37 Grad" des ZDF oder „Unter unserem Himmel" des BR. Knauer erhielt für seine Filme diverse Auszeichnungen auf internationalen Festivals. Von 2004 bis 2011 arbeitete er an der Kino-Dokumentation „Jane's Journey" über Dr. Jane Goodall, die weltberühmte britische Primatologin, UN-Friedensbotschafterin und Umweltaktivistin. Dafür erhielt er unter anderem den „Grünen Oscar", den „International Green Film Award", den Hauptpreis beim „Cinema for Peace" und kam auf die Oscar-Shortlist 2012. Nicht zuletzt angeregt von Jane Goodall, legt er seit 2011 ein besonderes Gewicht auf Umwelt-Themen.
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Immer mehr Biogasanlagen, immer mehr Massentierhaltung, immer größere Mengen an Gülle sowie der Einsatz von Pflanzengiften und Kunstdünger haben in den letzten Jahren dazu geführt, dass sich die Wasserversorger immer häufiger gezwungen sehen, Brunnen zu schließen, weil die gesetzlichen Grenzwerte für Nitrat und Rückstände von Spritzmitteln überschritten wurden:
Beinahe 40 Prozent der Grundwasservorkommen in Deutschland sind bereits belastet – kein gutes Omen für die Zukunft, angesichts der Tatsache, dass es zwanzig Jahre dauern kann, bis die Gifte von heute im Grund- und damit im Trinkwasser von morgen angekommen sind. Die Folge: Brunnenbauer haben Hochkonjunktur, weil die Wasserversorger immer neue Bohrungen in Auftrag geben – sie hoffen, in großer Tiefe auf noch unbelastetes Grundwasser zu stoßen, das sie mit dem bereits vorhandenen, belasteten Wasser mischen können, um die gesetzlichen Grenzwerte einzuhalten.
Ein forum-Interview von Fritz Lietsch
Herr Knauer, dies war nicht Ihr erster Dokumentarfilm zu Umweltproblemen – was hat Sie bei der Arbeit an diesem Film am meisten beeindruckt?
Die Frage kann ich so nicht beantworten, denn sie müsste eigentlich heißen: „Was hat Sie am meisten verstört?" Und da gibt es gleich mehrere Dinge beziehungsweise Erkenntnisse – die schwerwiegendste ist sicherlich, dass der Staat bei uns weitgehend in seiner Pflicht versagt, die Bürger umfassend und nachhaltig vor den Folgen der Verseuchung der Böden und damit des Grundwassers durch Gift und Gülle zu schützen. Einerseits schreibt er extrem strenge Grenzwerte für die Reinheit unseres Trinkwassers vor, andererseits tut der Staat aber viel zu wenig, um die Böden und damit das Grundwasser langfristig mit sehr strengen Richtlinien zu schützen und diese dann auch konsequent durchzusetzen, wie das zum Beispiel in Holland der Fall ist – nicht umsonst hat die EU ja Deutschland wegen Nichteinhaltung der Nitratgrenzwerte verklagt. Nur Malta steht in der EU noch schlechter da als wir! Die Bundesregierung beruft sich zwar jetzt auf die neue Düngeverordnung von 2017, aber nach Ansicht vieler Experten reicht die bei weitem nicht aus, um die Situation grundlegend zu verbessern.
Wo sehen Sie die Hauptursachen für das Problem?
Gerne wird pauschal „die konventionelle Landwirtschaft" als Hauptverursacher des Problems genannt – der Einsatz von Kunstdünger und Pestiziden im Übermaß, die Millionen Tonnen Gülle, die ausgebracht werden etc. Das stimmt natürlich, aber es ist nicht alles, es kommen noch weitere, gravierende Faktoren hinzu, wie zum Beispiel die Folgen des Biogas-Booms der letzten zehn Jahre: Die Gärreste aus abertausenden Biogasanlagen landen ja am Ende auch auf den Böden und letztendlich im Grundwasser. Und nicht zuletzt die Betreiber von zahllosen Golf- und Sportplätzen, aber auch Millionen von Hobbygärtnern tragen zu dem Problem bei, indem sie oft vollkommen unkontrolliert Pflanzengifte in ihren Gärten einsetzen, die man im Baumarkt kaufen kann – nach dem Motto: Viel hilft viel!
Das offensichtlichste und gravierendste Problem ist aber aus meiner Sicht die Massentierhaltung – seit Jahren unterstützt die Politik mit Subventionen für immer neue Ställe eine vollkommen verfehlte Entwicklung, nämlich Deutschland zu einer fleischexportierenden Nation zu machen. Wir haben doch in Deutschland gar nicht den Platz, um die Gülle dieser Millionen von Tieren zu entsorgen, es gibt mittlerweile eine ganze Industrie, die darauf spezialisiert ist, Gülle über hunderte von Kilometern durchs Land zu karren – und obendrein importieren wir aus Holland weitere Millionen Tonnen Gülle – das kann es doch nicht sein! Und hier schließt sich der Kreis zur ersten Frage: Die Politik sollte hier den Bürger schützen anstatt immer weiter dem Druck der Agrar- und Fleischlobby nachzugeben.
Wo sehen Sie Lösungsmöglichkeiten für diese Dilemmata?
Lösungsmöglichkeiten gibt es aus meiner Sicht etliche! An allererster Stelle würde ich sofort mit der Subventionierung von Stallneubauten aufhören, und mit allen anderen Anreizen, die zur Verlängerung des Elends der Massentierhaltung und der Produktion von Millionen Tonnen Gülle führen.
Zweitens würde ich die Gesetzgebung in Sachen Düngung und Pestizideinsatz in der Landwirtschaft drastisch verschärfen und auch entsprechend durchsetzen – jeder findet es normal, dass die Polizei saftige Bußgelder austeilt, wenn jemand schneller fährt als erlaubt. Warum kann das in Sachen Grundwasserschutz nicht ähnlich funktionieren? Die Holländer zum Beispiel machen uns das auch hier vor.
Drittens muss mittel- bis langfristig der ökologische Landbau in Deutschland massiv ausgeweitet werden, denn der verwendet keine Chemiegifte und keinen Kunstdünger, er geht viel behutsamer mit unseren kostbaren Böden um. Wir sind in Deutschland erst bei sieben Prozent Ökolandbau, die Österreicher sind da schon viel, viel weiter als wir – bei knapp 20 Prozent!
Und dann gibt es zum Glück auch schon etliche gute Ansätze auf regionaler Ebene, wie zum Beispiel das innovative Wasserschutzbrot-Projekt in Franken, über das ich in meinem Film berichtet habe – oder auch Initiativen von Unternehmen wie Hipp oder Lammsbräu, die längst erkannt haben, dass die vorhandenen gesetzlichen Regeln bei weitem nicht ausreichen und deshalb mit Erfolg eigene, wesentlich strengere Standards gesetzt haben.
Nicht zuletzt sehe ich das Thema Bildung als enorm wichtig für diesen Bereich an, angefangen im Kindergarten, über die Schulen und Ausbildungsstätten für Landwirte…
Wie hat der Film Ihr eigenes Verhalten verändert?
Verändert hat er mein Verhalten eigentlich nicht, denn ich versuche sowieso schon seit vielen Jahren, durch bewusstes Konsumverhalten meinen Beitrag zur ökologischen Wende zu leisten, also weitgehend Bio- und regionale Lebensmittel zu kaufen, sehr wenig Fleisch und… ich habe schon vor 30 Jahren mein Auto abgeschafft, aber mein Bewusstsein für die Kostbarkeit dieses wunderbaren Lebensmittels Wasser ist durch die Arbeit an dem Film nochmal deutlich geschärft worden.
Sehr problematisch ist bei dem Grundwasserthema die Tatsache, dass es schon mal 20 Jahre dauern kann, bis Pflanzengifte, Gülle, oder Arzneimittelrückstände von heute in den tieferen Lagen des Grundwassers ankommen. Mit den Folgen müssen dann unsere Kinder und Enkel fertig werden. Und nun frage ich: Welchen Politiker, der heute auf diesem Gebiet versagt, kann ich in 20 Jahren noch zur Rechenschaft ziehen?
Zugegeben eine schwierige Frage … doch zurück zum Film: Wie und wo können unsere Leser den Film noch sehen?
In der Mediathek des Bayerischen Fernsehens: „Dem Wasser auf den Grund gehen – Schutz für unser kostbarstes Lebensmittel".
Herr Knauer, wir bedanken uns für das Gespräch.
Umwelt | Wasser & Boden, 01.09.2018
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/03 2018 - Wasser - Grundlage des Lebens | Bildung erschienen.
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