Holz + Metall

Eine nachhaltige Philosophie

Massive Eiche plus alte Druckpresse = Bartisch. „Das lebendige HausDer Raum- und Objektdesigner Michael Mai verbindet Bodenständigkeit mit Kreativität. Liebe zur Natur mit Fernweh. Nachhaltigkeit mit konsequenter Lebenseinstellung. Portrait über einen, der Werte lebt und wertvolle Anregungen gibt.

November 2017. Frau W. auf der Suche nach einer neuen Küche. Kann ja nicht so schwer sein.

Ist sehr schwer, Frau W. will keine „Trend-Design-Mainstream-Marken-Küche", mit „pflegeleichter Arbeitsplatte und praktischen Hochschränken". Sondern eine, die individuell ist, unkonventionell, quergedacht. Und nachhaltig. Mit Bar-Atmosphäre. Also zieht Frau W. um die Häuser, um Bars anzugucken.

Frühjahr 2018. Ein letzter Versuch in einem Küchenstudio. Der nette Verkäufer zeigt „echte Traum-Küchen, so praktisch und so pflegeleicht", und nach einer halben Stunde sagte Frau W. „Seien Sie mir nicht böse, dann möchte ich lieber gar keine Küche."

Der Verkäufer ist von der empathischen Sorte. Gießt Kaffee nach. „Was möchten Sie denn?" „Eisen, Holz, Nieten, auf Rollen, einfach anders." Und dann ist der nette Verkäufer supernett und notiert einen Namen. Anders gibt es woanders. „Das ist der, den Sie suchen".

… Da geht’s lang …
DOWNTOWN BAD TÖLZ
Ohne Metalldetektor und Motorsäge geht gar nichts. Bevor aus einem großen Stamm Bretter werden, müssen eingewachsene Metallteile entfernt werden. Und nicht selten Granatsplitter aus Kriegszeiten. © dsignSolutions
Das geht ja gut los, die Adresse stimmt nicht. Trotzdem nett, downtown Bad Tölz, im bayerischen Voralpenland, nur wo bitte soll hier einer sein, der andere Küchen entwirft. Ach, Sie suchen den Mike, der ist jetzt da drüben, in der ehemaligen Fernmelde-Zentrale.

Auf dem Hinterhof blaue Recycling-Container, nach Metallen getrennt, hohe Stapel mit massiven Holzbrettern, ein paar rote Firmen-Transporter. Mit einem Logo, das gut aussieht und kurz irritiert, ohne sofort zu wissen, warum, dsignSolutions. „Das war eine intuitive Entscheidung, mich hat das e von design irgendwie gestört, kann ich nicht erklären."

Fröhliche Typen schleppen Stahlplatten in die Werkstatt, in der nicht nur Maschinen stehen, sondern auch ein Klavier. Und Lautsprecher, ganz besondere, Outdoor-Speaker, solitär einsetzbar mit 360 Grad Sound, wind- und wetterfest im Schnee oder auf hoher See. Entwickelt wurden sie zusammen mit Sound-Technikern, die Gehäuse wurden u.a. aus Fassadenbrettern eines alten Holzstadls geschreinert.

Jim Morrison singt von den Riders on the Storm, gute Laune haben sie in der Werkstatt. Wo bitte ist der Eingang zum Büro? Da geht’s lang, ums Eck, gehen Sie dann einfach durch die Eisentüre.

Die Eisentüre ist nicht irgendeine Eisentüre. Die Eisentüre ist eine knallrote Eisentüre, in einem grauen Hinterhof, das Namensschild winzig. Kein e, wo es hingehört, ein Namensschild, das man fast übersieht, The Doors zum Arbeiten in der Werkstatt. Das gefällt Frau W.

Und dann steht da oben im 2. Stock in einem coolen Industrie-Treppenhaus einer mit knallorangenen Turnschuhen und guckt runter und grinst, „Hi! Servus!". Da wusste Frau W., jetzt hat sie ihn gefunden, ihren Küchendesigner.

… Individualität geht gut ...
DSIGN + DESIGN
Der Preis für eine Afrika-Stiftung: Die filigrane Handarbeit aus heimischen Hölzern symbolisiert den afrikanischen Kontinent. © dsignSolutions
Was für ein Ambiente. Was für ein Showroom. Was für eine besondere Ausstrahlung. Stahlplatten auf dem Fußboden, aneinander geschweißt, in Kombination mit geölten Holzdielen, das wirkt reizvoll, warm, gekonnt. Und gemütlich. Eine tolle Stahl-Büro-Küche mit mauvefarbenen Gläsern, grauen Kaffeetassen, schwarzem Kühlschrank, es sieht hier schon eher aus wie in einer Bar. Nebenan, im großen Büro mit großen Fenstern, an den Wänden ausdrucksstarke Gemälde von der Mutter seines Geschäftspartners Fabrizio Bruno. Und ein fünf Meter langer Buchenholz-Tisch, aus einem einzigen Stamm gefertigt; der Baum stand gefährlich nahe an einer Straße, abgestorben, drohte umzufallen. „Dann kamen die Jungs und haben aus 600 kg Holz noch was Schönes gemacht". Eine „nachhaltige" Gemeinschaftsarbeit war das, die auch oft nachhaltig genutzt wird, zum konzeptionellen Brainstormen – und als Brotzeittisch.

Wenn Bäume im Tölzer Wald oder in naher und ferner Umgebung gefällt werden müssen oder vom Sturm umgeworfen werden, klingelt bei Michael Mai das Telefon. Das passiert so ein bis zwei Mal pro Monat, dann rufen der Förster an, oder Bauern, oder Privatleute, und sie haben wieder zu tun, wer hat Zeit, den Baum zu holen? Eigentlich keiner, das Auftragsbuch ist voll. Ok, trotzdem, der Kumpel mit dem Tieflader wird informiert, und das Sägewerk, das aus dem Baum dann die Bretter genau so schneidet, wie Michael Mai sie haben möchte, deshalb ist er bei diesem Prozess auch oft dabei. Circa vier Jahre später, nach Trocknungsprozess und Trockenkammer, können die Bretter weiter verarbeitet werden. Wie z.B. das, aus dem der Brotzeittisch wurde. Bis es soweit ist, dass aus einem gefällten Baum ein Möbelstück wird, müssen die Jungs den Baum allerdings erst bergen, und so machen sie auch mal samstags einen gemeinsamen Ausflug in den Wald. Teambuilding der anderen Art.

… Nachhaltig geht immer …
HOLZ + METALL
© dsignSolutions
Holz als überirdisches Naturmaterial und Eisen als unterirdisches sind die Basis-Materialien, mit denen die Firma arbeitet, einzeln, oder in Kombination. Die „Gang", wie Michael Mai sein Team nennt und in der alle 18 Mitarbeiter dem echten Hand-Werk verpflichtet und Könner ihres Faches sind, macht aus altem und neuem Holz und altem und neuem Metall alles, was machbar ist, und das so nachhaltig wie möglich: vom hochseetauglichen Outdoor-Speaker bis zum stylishen Holztisch auf Eisensäulen, von der Geschäftsausstattung bis zu einem multifunktionalen Bewegungsraum für eMotion Base, für das Jugendherbergswerk Bad Tölz, in dem keiner in der Ecke steht – es gibt keine Ecken, die Bauform ist rund. Und auch coole Restaurant-Einrichtungen und ungewöhnliche Hotelzimmer werden konzipiert und umgesetzt, wie etwa im „Lebendigen Haus" in Dresden und Leipzig.

Das meiste Holz, das in der Werkstatt verarbeitet wird, stammt von Bäumen direkt aus der Region. „Das ist der Schatz der Firma", und da leuchten die Augen von Michael Mai, für den Holz das Schönste überhaupt ist. „Jeder Baum ist doch ein Lebewesen und hat Charakter", und schon lange bevor Bestseller geschrieben wurden, warum man unbedingt mal einen Baum umarmen soll, hat er das getan, und tut es immer noch, auf 1300 Metern Höhe, wenn er mit einem Freund oder allein an seinem Lieblingsbaum, einer riesigen Gebirgstanne auf dem Weg zum Roß- und Buchstein vorbeikommt. Dann umarmt er „seinen" Baum. „Und dann geht’s ma sauguad." Ein Ritual. Er mag Rituale, z.B. „als erstes morgens im Büro einen Ginseng-Tee. Und gegen 9h, 10h dann ‘nen Cappu." Dass „man" eigentlich entweder Ginseng-Tee oder Kaffee trinken soll, ist ihm völlig egal, er ist kein Gesundheitsapostel. Allerdings isst er sehr wenig Fleisch, seit er den Jagdschein gemacht hat, aus Interesse, was man über den Wald und die Tiere lernt. Er wollte es mal wieder wissen. Sein Bewusstsein schärfen.  

Für die Möbel verwenden sie fast ausschließlich Massivholz, und zu 95 Prozent wird auch sonst mit „reinen" Materialien gearbeitet, Stahl, Aluminium, Kupfer, Bronze, Edelstahl. Cradle-2-Cradle ergibt sich so von selbst, die alleinige Verarbeitung von heimischem Holz und die Zusammenarbeit mit ortsansässigen Partnern ist dabei ein wichtiger Punkt. Sie fahren zudem ressourcenoptimierte Herstellungsprozesse, in der Schreinerei wird jedes Abfallprodukt weiterverarbeitet zu Brennholz, Brotzeitbrettchen, Stapelleisten oder Bastelklötzen für Kinder, und aus den Spänen werden Briketts zur thermischen Weiterverwendung gemacht.
 
Alle Holzarbeiten werden ausschließlich mit Naturoberflächen gearbeitet und endbehandelt, und durch den Verzicht auf Lacke trägt man zur Reduktion von Lösemittel-Emissionen bei. Und es gibt so gut wie keine Umverpackungen im Zukauf, da zu 80 Prozent Rohware eingekauft wird. Selbst Späne und Abschnitte in der Metallwerkstatt gehen, nach Metall getrennt, in extra Abfallbehältern in den Recycling-Kreislauf und werden nahezu zu 100 Prozent wiederverwendet, und bei Lieferungen zu den Kunden werden Verpackungsmaterialien eingesetzt, die man ebenfalls wiederverwenden kann: Decken, Holzleisten, dünne Holzplatten. Auf Kunststoffe wie Styropor oder Folien verzichtet die Firma ausdrücklich.

Nagelneue, extrem effiziente und stromsparende Maschinen mit wirkungsgrad-optimierter Motorisierung gehören genauso zur nachhaltigen Arbeitsweise wie LED-Lichter in der gesamten Werkstatt, die sich in einem überdurchschnittlich gut gedämmten Gebäude befindet. Und auch wenn Maschinen viel können, sie können nicht alles, und so wird auf manche maschinelle Anwendung verzichtet, die auch von Hand gemacht werden kann. „Form follows Ökologie". Und das meint Michael Mai auch so. Und handelt danach.

Nur die Transporter, die sind noch nicht als E-Mobile erhältlich. Die Chassis haben für die tonnenschweren Maschinen oder Materialien zu kleine Ladeflächen, die Zuladung ist zu gering; und je höher das Gewicht, desto geringer die Reichweite, sie wären nur für begrenzten Einsatz in der näheren Umgebung geeignet. Damit kommt man nicht nach Sylt oder nach Malta oder nach Leipzig oder wo eben gerade eines der großen Projekte ansteht. Michael Mai steht ständig in Kontakt mit Autoherstellern, eine Freundin arbeitet in einer Entwicklungs-Abteilung, er ist am Ball.

Dafür macht die Firma das, was heute als Upcycling und hip angesagt ist, sowieso und zwar mit Altmetall und mit Holz. „Ja klar verwenden wir auch altes Holz, ist doch super, da sieht man lebendige Spuren. Und auch die Möbel aus neuem Holz behandelt man am besten traditionell, nur mit Kernseife und Wurzelbürste – alte Wirtshaustische hat man auch immer nur damit geschrubbt, deswegen sind die immer so schön."

… Da geht was …
TEAM + SOLUTIONS
© dsignSolutions
Michael Mai mag seine „Gang". Seine tollen Jungs, und, große Freude, endlich auch eine junge Frau, die ihre Schreiner-Ausbildung hier macht. „Die weibliche Sicht auf die Dinge tut allen gut". Zu dieser „Gang" und zu einer anderen Sicht gehören auch Menschen, die, betreut von ReAL Isarwinkel, in das Team integriert werden. „Wenn es so gut läuft, wie bei dem letzten Praktikanten, der inzwischen fest übernommen wurde, freuen sich alle mit!". Fest zum Team gehört auch ein junger Bootsflüchtling aus Eritrea, für den alle Mitarbeiter einen Teil der Reisekosten in seine Heimat übernommen und ihm hier eine Wohnung für die Familie eingerichtet haben. „Organisiert haben das mein Vater und Sebastian Bolligs, unser Projekt- und Marketingmanager".
 
Soziales Engagement ist für Michael Mai so selbstverständlich, dass er gar nicht darüber redet. Er macht einfach, und so bekommen z.B. Kindergärten immer wieder Spielzeug aus Holz geschenkt. Und auch Leadership und Teambuilding sind für ihn längst umgesetzte Schlagworte, auch der In-Begriff Achtsamkeit, das ist einfach seine Lebensphilosophie, damit ist er aufgewachsen, er muss sich dafür nicht anstrengen. Trotzdem ist er neugierig auf das, was er optimieren kann, liest viel zum Thema nachhaltige Unternehmenskultur und Fachliteratur über Materialien, Kunst, Umwelt. Und wenn er sich die Zeit nimmt, die er zu wenig hat, liest er ‚Der Schwarm‘ von Frank Schätzing, ein Umwelt-Horrorszenario. Oder die Biographie von Jean-Jacques Rousseau ‚Der Mensch ist frei geboren und überall liegt er in Ketten‘. „Aus dem 18. Jahrhundert, und aktueller denn je. Leider." Und weil die Lektüre etwas mit ihm macht, macht er auch etwas damit, schreibt den Titel auf ein Foto, das er bei einer Bergtour im Trentino gemacht hat, und drückt damit aus, was ihn bedrückt. Unfreiheit z.B..

Ein Team zu inspirieren, zu begeistern, mitzuziehen, das hat er im Blut, schon als potenzieller „leader of the gang" im Kindergarten. Sein Umfeld nennt ihn einfühlsam und empfindsam, kollegial und gutmütig, manchmal zu sehr, intuitiv und optimistisch. Und manchmal auch viel zu ordentlich. Ja, die äußere Ordnung braucht er für sein inneres Gedankenfeuerwerk, „sonst zareißt‘s mi". Er spürt, dass er Zeit braucht, um alles zu verarbeiten, was in ihm brodelt, und so trägt er z.B. keine Armbanduhr, „Ich mag das Gefühl nicht, wenn mir ständig jemand sagt, dass i eh scho z‘spät bin". Auch wenn er das Gefühl hat, die Zeit ist knapp, in einem Gespräch oder mit Kunden, vermittelt er das Gegenteil. Er nimmt sich dann die Zeit.

Schlechte Laune, die auch ein Michael Mai kennt, zum Glück selten, lässt er nicht am Team aus, sagt sein Team. Da läuft er lieber mal eben den Blomberg hoch. Das tut er allerdings auch mit guter Laune und Begeisterung, so zwei bis drei Mal pro Woche, egal bei welchem Wetter und zu welcher Jahreszeit. Laufen wohlgemerkt. Nicht gemütlich gehen. Gemütlich mag er schon auch. Neben seiner beruflichen Herausforderung weiß er das Leben zu genießen, mit Freunden „griabig zammsitzen", am Lagerfeuer oder in den Bergen, einfach unterwegs sein, die Welt erkunden, reisen. Er lacht gern und ist im nächsten Moment nachdenklich, wenn ihn ein Thema berührt. Und wenn es um einen schwierigen Auftrag geht oder um die Erkenntnis, dass Ehrlichkeit bei anderen nicht immer das Maß aller Dinge ist, dann kann er schon mal nachts um 2 Uhr wachliegen. Auch für solche Erfahrungen ist er dankbar und auch dafür, was er bisher aus seinem Leben zu machen im Stande war.

Michael Mai weiß sehr genau, was er will. Er ist zielstrebig, fordert sich selbst genauso wie seine „Gang", also auch seinen Vater, der als Allrounder zum fröhlichen Team gehört. Und sie haben durchaus ihre Dispute, Sohn und Vater. Und doch sagt Horst Mai mit einem verschmitzten Lächeln, das er seinem Sohn vererbt hat: „Mei. Der Michael. Der is halt ein guter Kerl". Der eben auch verdammt stur sein kann und den Dingen immer auf den Grund gehen will, schon als kleiner Bub, wie auch heute als Unternehmer, in einem Gespräch, wie auch im Umgang mit Materialien. So ist er eben. Der gute Kerl kümmert sich ja auch. Als ein neuer Mitarbeiter trotz strengster Sicherheits-Vorschriften an der Kreissäge zwei Finger zur Hälfte verliert, trifft Michael Mai das im Innersten. Er besucht den jungen Mitarbeiter im Krankenhaus, fährt zu den Eltern, organisiert einen Teambesuch, tröstet. Und ist selbst untröstlich, fühlt sich verantwortlich, obwohl alles in der Werkstatt den Vorschriften entspricht. Eine Erfahrung, die ihn auch demütig macht, wie schnell kann von jetzt auf gleich alles anders sein. Umso größer seine Freude und die des gesamten Teams, als der Mitarbeiter wieder dabei ist – ein Grund zum gemeinsamen Feiern.

… Geht immer mehr ...
DSIGN + FERNE LÄNDER
Auf Tischplatten aus Kupfer, Eichenholz, Beton, Edelstahl und Stahl tafeln – auf Kaffeesack-Bezügen sitzen – auf den Dresdner Zwinger gucken. Im „Lebendigen Haus
„Geht nicht" gibt’s für Michael Mai und seine Crew nicht. Abgesehen von höchster handwerklicher Qualität aller Objekte wie Fingerzinken-Technik, handgeschweißten Verbindungen oder Verarbeitung unterschiedlichster heimischer Massivhölzer steht die Firma „für zeitloses und puristisches exklusives Möbel- und Innendesign." So steht es auf der Website, die auch schon anders aussieht, individuell, mit coolen Fotos und einem Blog. „Exklusiv. Das trifft es eigentlich gar nicht so. Wir machen halt keine seriellen Möbel, wir machen individuelle, eher ungewöhnliche Möbel. Nicht abgehoben, sondern bodenständig. Bei uns werden Werte gelebt, bei uns geht es nicht um „sales first",sondern um „sustainability first", sagt Michael Mai. Und auch das meint er, wie er es sagt. Das kann man durchaus exklusiv nennen, mit Kreativität und traditionellem Handwerk außergewöhnliche Möbel zu schaffen. Sie machen das alles mit sehr viel Können, mit sehr viel Leidenschaft, mit sehr viel Herz. Das spürt man in jeder Arbeit, bei jedem Objekt, ob groß, ob klein, die Objekte haben eine Seele. Das ist auf spezielle Art exklusiv, und nachhaltig. Und das spricht sich herum, dsign follows the world. Die Aufträge kommen inzwischen nicht nur aus dem europäischen Ausland, für dieses Jahr sind Aufträge z.B. in Afrika im Gespräch.

Innerhalb Deutschlands werden u.a. gerade ausgediente Schiffscontainer als Teil-Interieur eines Restaurants in Leipzig umgebaut; ein Familienunternehmen möchte für diverse internationale Wohnorte Bäder und Sauna, Salon und Spielzimmer, Küche und Bar, und der Kindergarten von Bad Tölz bekam gerade liebevoll gestaltete Wipptiere aus Stahl und Holz und eine neue Holzwippe. Und Frau W. bekommt Gardinenstangen. Aus Eisen. Eckig. Anders.

… Geht ans Eingemachte ...
SINNLICHKEIT + SINN
© dsignSolutions
Weiter hinten, an der Wand im Büro, steht ein Regal mit eigenartig zerknittert-strukturierter bräunlicher Oberfläche. „Ich hab mal in einem alten Haus mit Bad ohne Fenster gewohnt. Der ständig beschlagene Spiegel hat mich genervt. Da hab‘ ich dieses Regal entworfen. Es nimmt Feuchtigkeit auf, wenn es trocken ist. Auf dem Trägermaterial Holz ist eine 15 cm dicke Lehmschicht."

Und dann redet Michael Mai über Lehm und Lehmspuren und was und wie man Spuren hinterlässt, im Job und im Leben oder auf Reisen, und da ist er neben seinem Beruf oder seiner Berufung als Designer und Möbelschreiner bei seinem Thema, reisen und über den Tellerrand gucken. Und da Frau W. auch so gerne reist und die Wüste liebt, möchte sie auf ihren Küchenfronten Motorradreifenwüstenspuren. Und Strass-Klunker als Griffe. Michael Mai grinst sein freches Grinsen „Des kriag ma scho. Aber des mit dem Strass, des find ich ja ned guad. Naa, des mach ma ned."

Samstagmorgen im Büro. Die rote Eisentüre ist zu, keiner stört seinen Blick aus dem Fenster auf das noch verschlafene Bad Tölz. Das liebt Michael Mai und ganz besonders wenn es schneit und klirrend kalt ist. Er bringt dann Ordnung in vorhandene Unordnung, spürt seinem Gefühl nach, hat Ruhe und Ideen für die wirklich wichtigen Dinge im Leben. Z.B. einen dotierten Preis zu entwerfen und umzusetzen für eine Stiftung in Afrika, die sich zum Ziel gesetzt hat, die Welt ein Stück besser zu machen. In filigraner Handarbeit ist aus den heimischen Hölzern Eiche, Nussbaum, Zwetschge, Ahorn und Kirsche der afrikanische Kontinent auf einer der Erdkrümmung analog gebogenen Holzschale in einer Bronze-Schatulle entstanden.
 
Michael Mai hat diese Arbeit unter der Bedingung hergestellt, dass der Gegenwert in dem Projekt „verbaut" wird. Wenn alles klappt wie geplant, wird er dafür dieses Jahr selbst vor Ort in Afrika sein und mit Hand anlegen. Die Firma tritt auch als Sponsor auf, sie hat z.B. ihren Marketing-Leiter bei seiner Fundriding-Tour unterstützt: Sebastian Bolligs ist 2016 mit einem Roller 1.200 km quer durch Kambodscha gefahren, um damit für soziale Projekte der „Kleinen Hilfsaktion e.V." Spendengelder zu akquirieren, die vor Ort betroffenen Menschen neue Chancen ermöglichen. "Auch seine Tour im Dezember 2018 sponsern wir, Ehrensache!"

Wenn es dann immer noch schneit, vor dem großen Büro-Fenster in Bad Tölz oder die Wolken vorbeiziehen, dann träumt Michael Mai auch mal vor sich hin. Von Patagonien und Feuerland. Das wär’s. Das wird es auch, eines Tages. Vielleicht schon nächstes Jahr. Oder Kamtschatka. Oder der Karakorum Highway. Oder einfach mit den Fahrrädern nach Griechenland. Und irgendwann die Weltumseglung. Das dauert noch ein bisschen, Michael Mai segelt viel auf dem Chiemsee, allerdings noch ohne Segelschein. Noch. Wenn er sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann macht er es. Auch die Weltumseglung.

… Geht doch!!!
KÜCHE IST EINE KÜCHE IST EINE KÜCHE IST – EINE BAR!
Die Handwerker setzen auf alte Werte und moderne Technik. Härtetest für den Outdoor-Speaker-Cube aus Rauriser Kristallmarmor, von Hermann Lohninger, nach einem Entwurf von Michael Mai. © dsignSolutions
Und Frau W.? Frau W. ist superglücklich. Sie hat inzwischen eine offene Küche, die anders ist, viel mehr Bar als Küche, mit gebürsteter Eichenholz-Arbeitsplatte und es kocht sich ganz wunderbar, da außer anders auch pflegeleicht und praktisch, und zum Glück hat Michael Mai ihr die Motorradreifenspuren auf den Fronten ausgeredet und sie von angelaufenen Stahlfronten überzeugt, die alles andere als kalt wirken und auch nicht kalt sind, und vor lauter Begeisterung hat Frau W. auf ihre Strass-Klunker als Griffe verzichtet. Die hängt sie sich dann eben an die Ohren und hat gute Laune. Nur hat ja nicht jeder das Glück wie Frau W., nach einem halben Jahr vergeblicher Suche nach einer anderen Küche auf einen netten Mitarbeiter eines Küchenstudios zu treffen, der ihr eine Adresse in Bad Tölz in die Hand drückt. Woher kommen denn die Kunden, die hier alles bekommen, was man aus Holz und Metall hochwertig, individuell und handwerklich erstklassig gearbeitet, herstellen kann? „Na ja, ca. 80 Prozent über Empfehlungen." Wenn das mal nicht untertrieben ist.

Wird Frau W. ihm sagen. Wenn sie mit ihm auf ihren Barhockern an dem mobilen Küchen-Theken-Block sitzt und so froh ist, diesen Freigeist und Querdenker, diesen Handschlagtyp, der immer eine Lösung für unlösbare Dinge hat, getroffen zu haben. Wenn sie dann über die Dinge des Lebens reden. Über nachhaltige Projekte. Über nächste Reisepläne. Und ob er eine Idee hat, wie man eine Badewannenverkleidung gestalten kann. Anders.

PS: Frau W. hat jetzt nicht nur eine andere Küche, sondern auch einen upcycling-Waschtisch. Aus den 60 Jahre alten Eichen-Treppenstufen ihres Elternhauses. Auf einem filigranen Eisengestell. Sieht klasse aus.

PPS: Und statt vieler Flaschen Reinigungsmittel hat Frau W. jetzt für ihre Holzoberflächen echte Kernseife und eine Wurzelbürste. … Besser geht’s nicht!

© Dagmar WalserFrau W., alias Dagmar Walser ist Kunstpädagogin, Filmemacherin und Autorin. Sie glaubt an Humor und das Gute im Menschen und dennoch nicht alles, was man ihr sagt. Sie guckt lieber selbst nach. Vor Ort und in der weiten Welt. Und bemüht sich, nachhaltigökosexybiodynamisch zu leben. Gelingt nicht immer, aber immer öfter ... 
 

Mehr Sein als Schein
Aufgewachsen ist Michael Mai, 36, am Fuße des Brauneck/Benediktenwand. Seine Mutter leitet als Erzieherin einen Kindergarten und ist Sozialreferentin für den Caritas-Verband, sein Vater ist Spezialist für Sicherheitstechnik und examinierter Krankenpfleger, ein Allrounder. So etwas färbt ab.

Für Michael Mai (links) ist ein gutes Betriebsklima Voraussetzung für Freude an der Arbeit. Das funktioniert ganz offensichtlich ...
Michael Mai will früh weit weg. Mit 15 nach Indonesien und Thailand, die Eltern finden Schule besser. Ok, dann eben hoch hinaus. So entdeckt er die Berge für sich, zwischen 17 und 31 Jahren seine absolute Leidenschaft. Die Schule macht er irgendwann irgendwie fertig, ab 2000 dann Schreinerlehre. Seine Liebe zu Bäumen gibt den Ausschlag, er will reinsehen können, in den Baum, was steckt drin und was dahinter.

Seine Freizeit verbringt er mit Klettern, Ski- und Eistouren, er ist ein Wilder. An der Südwand der Roßsteinnadel stürzt er ab. Kaputtes Sprunggelenk, Operation, 5 Tage vor dem letzten Teil seiner Meisterprüfung. Jetzt aufzugeben ist nicht sein Ding, er holt die Prüfung 2006 nach und schneidet als einer der besten Absolventen dieses Jahrganges ab und erhält für seine Meisterarbeit den Designpreis der Landeshauptstadt München.

Er möchte studieren, irgendwas mit Architektur, Design, Gestaltung. Bei den Alternativen: Architekturstudium an der HFT Stuttgart oder Studium für Raum- und Objektdesign an der FAK Garmisch-Partenkirchen geben letztlich die Garmischer Berge den Ausschlag. Nach dem Studium arbeitet Michael Mai als Freelancer in Entwurf und Konstruktion, u.a. für Prof. Sven-Anwar Bibi und Dirk Schellberg() und entwickelt Produkte für eine Firma, die Robotersysteme für die automatisierte Probenvorbereitung herstellt.

© dsignSolutions
Immer mehr spürt er, dass etwas fehlt. Der technische Part reizt ihn, nur der ästhetische Part kommt zu kurz. Er will mehr. Erfinden, entwerfen, konstruieren, seine eigenen Ideen verwirklichen und am besten auch selber bauen. Mit seinem heutigen Geschäftspartner, Metallbaumeister Fabrizio Bruno startet er 2010 durch, die Garage von seinem Vater wird erste Werkstatt für einen ersten Auftrag. Und dabei spüren sie, dass sie ein super Team sind. Die Aufträge werden schnell mehr, sie ziehen in eine LKW-Garage ohne Heizung. 2014 gründen sie dann dsignSolutions als Start-up, bauen eine Metallbauwerkstatt in Bad Tölz auf, und Michael Mai stellt einen ersten Mitarbeiter ein: seinen Vater. 2015 kommt eine Schreinerei dazu. Sie haben jetzt 2 Standorte, brauchen weitere Mitarbeiter, das Team wächst. 2016/17 vergrößern sie sich flächenmäßig und personell. Sie finden eine alte Fernmeldehalle und verlegen beide Werkstätten, die Ausstellung und das Büro an einen Standort.

„Mittlerweile sind hier 18 tolle Menschen in unserer eingeschworenen Gang. Des gfreit mi!"
 
 
Hinweis: Ein Interview mit Michael Mai finden Sie hier

Umwelt | Ressourcen, 01.09.2018
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/03 2018 - Wasser - Grundlage des Lebens | Bildung erschienen.
     
        
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