Hanf: Mehr als Rausch
Von der Droge zum Musterknaben der Bioökonomie
Die Forschung will uns mit neuen Technologien das Leben erleichtern und mit neuen Wirkstoffen jünger, gesünder und länger am Leben erhalten. Doch neben Hightech-Lösungen und Wunderpräparaten übersehen wir eine naheliegende Lösung: die vielfach gescholtene Superpflanze Hanf.

„Die Pflanze hat weltweit eine jahrtausendelange Kulturgeschichte hinter sich – und dennoch wird sie wegen des möglichen Missbrauchs als Rauschmittel verteufelt. Der Anbau ist in Deutschland und vielen anderen Ländern streng reglementiert." Das soll sich ändern: Mit ihrer Berliner Agentur sens media will Takats durch Aufklärung und Beratung Konsumenten, Produzenten und die Politik für das Thema Hanf sensibilisieren und der Pflanze wieder den Stellenwert verschaffen, den sie verdient.
Strenge Verbote sind nicht zielführend
Nach einer Schätzung des Deutschen Hanfverbandes kostet die Umsetzung der Prohibition von Cannabis als Rausch- und Genussmittel den deutschen Staat jährlich circa 1,4 Milliarden Euro. Gleichzeitig nimmt die Konsumentenzahl weiter zu. Eine weitere Schätzung besagt, dass im Falle einer Legalisierung die Cannabissteuer ein Volumen von circa 1,87 Milliarden Euro erbringen könnte.
Andere Länder gehen hier entschlossen voraus. In den Niederlanden wird der Besitz von geringen Mengen Cannabis bereits seit den 1970er Jahren toleriert. Auch in Portugal wurde vor 16 Jahren der Drogenkonsum völlig entkriminalisiert. Im Jahr 2012 wagten zwei US-Bundesstaaten, den Genuss von Cannabis zu legalisieren. Im Rückblick war eine Politik, die auf Prävention und Aufklärung setzt, sehr erfolgreich. Seit der Entkriminalisierung ist der Drogenkonsum allgemein und besonders bei jungen Menschen stark gesunken. „Es ist notwendig", so Mathias Bröckers, ein gesellschaftskritischer Journalist, „dass die vielseitige Verwendung der Nutzpflanze in den Fokus gerückt wird, denn sie ist so viel mehr als einfach nur Rausch."
Die Droge als wertvolle Medizin
Der Schritt von der Medizin zur Droge und umgekehrt ist bekanntlich nicht weit. Und so können sich schwerkranke Menschen seit März 2017 nicht nur ihre Cannabismedizin vom Arzt verschreiben lassen, die Krankenkassen wollen zukünftig auch die Kosten tragen, um die bislang noch sehr kostspielige medizinische Versorgung der Patienten zu sichern. Cannabis bekommt damit die Chance, endlich als anerkannte Heilpflanze wieder Wurzeln zu schlagen. Auch als Rohstoff wird Hanf langsam wiederentdeckt, doch durch das jahrzehntelange Verbot von Cannabis ist das Wissen über die vielseitige Nutzung der Kulturpflanze verschütt gegangen. Hier bedarf es der Aufklärung, denn mit Hanf können unzählige Bereiche des täglichen Lebens abgedeckt werden – und die Pflanze ist komplett verwertbar: von den Samen, über die Fasern, auch die Schäben, bis hin zu den Blättern. Die Verwendungszwecke sind fast grenzenlos: sowohl in der Automobil-, Papier-, Textil-, oder Chemieindustrie als auch in der Bau- und Landwirtschaft und der Kosmetik- und Lebensmittelbranche findet die Pflanze Verwendung (Siehe auch die nachfolgenden Beiträge).
Aber damit nicht genug: Hanf ist ein nachhaltiges Universalgenie, wächst schnell und verhält sich auch sonst recht anspruchslos. Hanf ist im Anbau ressourcenschonender und umweltverträglicher als viele andere Nutzpflanzen und bahnt sich so Schritt für Schritt den Weg zurück auf die Felder, zurück in die Industrie und zurück in das Bewusstsein der Menschen. Damit dieser Prozess vorangeht, müssen Forschung und Entwicklung vorangetrieben und die Gesetzeslage angepasst werden. Denn bislang gestaltet es sich für viele Produzenten von Hanfprodukten immer noch schwer, hierzulande an den Rohstoff zu gelangen. Im internationalen Wettbewerbsvergleich, vor allem zu Frankreich, wo Hanf in der Champagne traditionell von Kooperativen angebaut wird, aber auch zu den Niederlanden, wo Firmen auf unterschiedlichen Wegen sehr erfolgreich sind, hatten die deutschen Erstaufbereiter kaum Chancen.
Wachstumschancen für die regionale Wirtschaft

Immerhin kann Nutzhanf mit einem THC-Gehalt von unter 0,2 Prozent in Deutschland seit 1996 wieder legal angebaut werden. Der Anbau muss bei der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE) gemeldet werden. Ebenso die Blüte der Pflanzen, damit die BLE während der Blütezeit vor Ort den THC-Gehalt der Pflanze prüfen kann. Mittlerweile liegt die Anbaufläche bei 1.500 Hektar in Deutschland, was im Vergleich zu anderen europäischen Ländern, zum Beispiel Frankreich mit 11.210 Hektar, noch verhältnismäßig gering ist. Auch in den USA boomt das Hanfgeschäft: 2015 haben Investoren 215,2 Millionen US-Dollar in nicht-börsenorientierte Cannabis-Unternehmen gesteckt. Eine Investition die sich in Zeiten von Ressourcenmangel und Umweltverschmutzung doppelt lohnen wird.
Hanf genießt zunehmende Aufmerksamkeit
Die Nachfrage nach Hanfprodukten steigt kontinuierlich, doch wegen der geringen Stückzahlen sind die Herstellungs- und Verkaufspreise oft noch sehr hoch. Das spiegelt auch deren Präsenz im Einzelhandel wieder. Ist man auf der Suche nach kosmetischen oder textilen Produkten, wird man in erster Linie online fündig. Deshalb wird es Zeit, dass die Produktivität angekurbelt und die Auswahl an Herstellern vergrößert wird, damit der Hanf sein volles Potenzial entfalten kann.
Mehr und mehr Initiativen haben es sich daher zur Aufgabe gemacht, den geschädigten Ruf der Kulturpflanze wiederherzustellen. Der Deutsche Hanfverband stellt mit knapp 2.400 Privatleuten und zahlreichen Unternehmen der Hanfbranche die größte Hanflobby in Deutschland dar. Der Geschäftsführer Georg Wurth sieht der Zukunft der Hanfpflanze in Deutschland positiv entgegen: „Ich glaube die Gesellschaft wird bald viel entspannter mit Hanf umgehen als heute. Die vollständige Legalisierung sollte in zehn Jahren erledigt sein. Vor allem in Sachen Nutzhanf gibt es neue Ansätze für innovative Werkstoffe."

2002 wurde der Deutsche Hanfverband (DHV) gegründet und spielt seitdem eine wichtige Rolle in der Cannabislegalisierung. Er strebt eine legale, verbraucherfreundliche Marktregelung für das Genussmittel Cannabis an – von der Produktion, über den Verkauf unter klaren Jugendschutzauflagen bis zum Eigenanbau. Der DHV arbeitet eng zusammen mit anderen internationalen und nationalen Verbänden, wie auch auf regionaler Ebene in Form von offiziellen DHV-Ortsgruppen, die weitere Initiativen und Vereine unterstützen. Denn für viele, die sich der nachhaltigen Landwirtschaft verschrieben haben, ist der Nutzhanf nicht mehr wegzudenken.
Ein ambitioniertes Beispiel hierfür ist der in 2015 gegründete Verein Allerhand am Alpenrand. Durch die Erprobung autarker, ökologisch fundierter, ganzheitlicher und gemeinschaftlicher Landwirtschaftsformen will der Verein ein nachhaltiges Leben und Wirtschaften fördern. Dabei setzt er auch auf Hanf und organisiert dazu einen Hanfkongress. Die Hanfinitiative Bayern, ein Netzwerk aus Landwirten, Abnehmern in der Produktion und Endverbrauchern arbeitet an dem Projekt „100 ha für Bayern".
Das Business-Netzwerk cannafem will insbesondere Frauen in der Hanfbranche dabei helfen, sich zu vernetzen, Chancen zu besprechen und Ideen auszutauschen. Janika Takats kämpft mit Formaten wie der Hanf-Kochshow sens cuisine und dem Premium Lifestyle Magazin in.fused für die Aufklärung über den unglaublichen Nutzen der Hanfpflanze. Und es gibt weitere Fachmagazine und auch -messen. Um jedoch die Pflanze aus ihrem alten Drogenimage herauszuholen, ist es wichtig, hanfbasierte Produkte in einem anderen Rahmen zu etablieren. Ob auf einer Modemesse wie der Ethical Fashion Show, oder aber der Biofach, der Weltleitmesse für Bio-Lebensmittel.
Auch von Seiten der Regierung gibt es Unterstützung. So befasst sich das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft im Rahmen des 2012 gestarteten Förderprogramms „Nachwachsende Rohstoffe" immer wieder mit dem Thema Nutzhanf. Marktanalysen schreiben Hanffasern ein hohes Potenzial als Dämmstoff sowie bei der Verwendung in der Textil- und Automobilindustrie zu. Untersucht wird unter anderem die Möglichkeit, den anspruchslosen Hanf als Winterzwischenfrucht anzubauen und so für eine ganzjährige Bodenbedeckung und damit einen nachhaltigen Bodenschutz zu sorgen.
Das Bundesinstitut für Arzneimittel hat eine Stelle für die medizinische Nutzung eingerichtet, auch „Cannabis-Agentur" genannt. Sie soll künftig die Vergabe von medizinischem Cannabis kontrollieren – von Anbau, Ernte, Verarbeitung, Qualitätsprüfung, Lagerung und Verpackung bis hin zur Abgabe an Großhändler wie Apotheken und Pharma-Hersteller. Da zurzeit noch kein Cannabis für medizinische Zwecke aus deutschem Anbau zur Verfügung steht, wird der Bedarf über Importe gedeckt, die von der Bundesopiumstelle abgewickelt und überprüft werden.
Bis Cannabis für medizinische Anwendungen auf deutschem Boden wächst, müssen allerdings noch einige Wissenslücken geschlossen und Standards geklärt werden. An der Hochschule Merseburg will die Soziologin Gundula Barsch daher ein interdisziplinäres Forschungsinstitut zum Medizinhanf einrichten. Inspiriert wurde sie dabei vom „Marihuana Research Institute" an der kalifornischen Humboldt State University. In Kalifornien ist die medizinische Anwendung von Cannabis seit 1996 legal, 2016 folgte eine vollständige Legalisierung. Ein Weg, der laut Janika Takats auch in Deutschland denkbar ist. „Die kontrollierte medizinische Nutzung ist eine wirkliche Chance, um das Image der Hanfpflanze in den Köpfen der Menschen zu verbessern."
Von Fritz Lietsch
Umwelt | Ressourcen, 01.09.2018
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/03 2018 - Wasser - Grundlage des Lebens | Bildung erschienen.

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