Digitalisierung verändert Unternehmenskultur
Arbeit soll Spaß machen und sinnstiftend sein
Diesen Beitrag von Alexandra Ferenz und Michael Varona, Commerzbank AG finden Sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2017 - Digitalisierung und Nachhaltigkeit.
Beim Streaming-Dienstleister Netflix gilt eine „Unlimited Vacation Policy": Mitarbeiter dürfen unbegrenzt viele Urlaubstage im Jahr nehmen und sich ihre Arbeitszeit frei einteilen. Asana, ein Anbieter für Social-Business-Lösungen, stellt seinen Mitarbeitern 10.000 Euro zur Gestaltung des eigenen Arbeitsplatzes zur Verfügung. Und der Outdoor-Ausrüster Patagonia ermuntert seine Mitarbeiter, in der Mittagspause surfen zu gehen. Diese drei Beispiele mögen nach „typisch Silicon Valley" klingen, sie zeigen jedoch, dass Geld alleine nicht mehr ausreicht, um Mitarbeiter zu motivieren. Es gilt die Devise, dass Arbeit Spaß machen und sinnstiftend sein soll. Darauf ist die gesamte Unternehmenskultur ausgerichtet.
Doch nicht nur die Erwartungen der Mitarbeiter, auch die Digitalisierung bringt viele Herausforderungen mit sich. Altbewährte Geschäftsmodelle funktionieren plötzlich nicht mehr, und die über viele Jahre hart erarbeitete Marktposition gerät ins Wanken. Hatte eine Produktinnovation vor ein paar Jahren noch die Aussicht auf 15 Jahre Lebensdauer, so sind es heute im Schnitt fünf Jahre. So wie sich die Erwartungen der Mitarbeiter an ihren Job ändern, so nehmen im digitalen Wandel auch die Anforderungen der Unternehmen an ihr Personal zu. Selbständigeres Arbeiten und die Bereitschaft zu Weiterbildung, um mit den technologischen Neuerungen Schritt zu halten, gewinnen an Bedeutung.
„Digitale Transformatoren" machen es vor
Wie begegnet der deutsche Mittelstand dem digitalen Wandel und was sind die Auswirkungen auf die Unternehmenskultur? Diesen Fragen widmet sich die Commerzbank-Mittelstandsinitiative „UnternehmerPerspektiven" in ihrer aktuellen Studie. Unter dem Titel „Unternehmen Zukunft: Transformation trifft Tradition" befragte TNS-Infratest bundesweit 4.000 Führungskräfte mittelständischer Betriebe. Bereits seit zehn Jahren gibt es die Initiative, deren Studienergebnisse auf bundesweiten Veranstaltungen mit Vertretern aus Wirtschaft, Verbänden, Politik und Wissenschaft diskutiert werden. Die aktuelle Untersuchung macht deutlich: Bei der Digitalisierung geht es um weit mehr als nur um das schiere Steigern der Effizienz. Um die Transformation im Unternehmen zu schaffen, müssen an vielen Stellen Veränderungen stattfinden. Jedes fünfte Unternehmen hat diese der Umfrage zufolge bereits angestoßen. Es ist die Gruppe der so genannten digitalen Transformatoren, die ihre Geschäftsmodelle auf den Prüfstand stellt und die neuen digitalen Möglichkeiten für Innovationen nutzt. Ein fundamentaler kultureller Wandel findet in ihren Organisationen statt. Das Ergebnis ist ein verändertes Verständnis von Arbeit, Karriere und Leben.
Freiräume, Motivation und Kooperation
Die technologische Beschleunigung erfordert ein Umdenken – bei den Mitarbeitern genauso wie bei den Führungskräften. Hierarchien werden flacher und Führungskräfte sind nicht mehr zwingend fachliche Experten. Abteilungsübergreifende Teams entstehen, die mehr Freiräume für Innovationen bekommen. Die „Unlimited Vacation Policy" ist zwar noch die Ausnahme, aber in vielen Unternehmen können Mitarbeiter zumindest ihren Arbeitsalltag flexibler planen oder gar die Karriereplanung insgesamt dem eigenen Lebensentwurf anpassen. Ob die Transformation wirklich gelingt, entscheidet sich letztlich in den Köpfen der Menschen.
Mitarbeiter, für die es selbstverständlich ist, sich weiterzuentwickeln und neue Herausforderungen anzunehmen, sind die Treiber in diesem Prozess. Sie brauchen Führungskräfte und Unternehmer, die ihnen den Weg ebnen und ihre individuellen Stärken fördern. Drei Faktoren halten die Befragten der Commerzbank-Studie dabei für besonders erfolgskritisch: ein besseres Klima für die Entwicklung von Innovationen (61 Prozent), eine positive Fehlerkultur (67 Prozent) und eine heterogene Altersstruktur als Stärke zu begreifen (70 Prozent).
Die meisten Unternehmer haben erkannt, wie wichtig Arbeitnehmer sind, die sich weiterentwickeln und weiterbilden wollen. Das hat Auswirkungen auf die Führung: Kontrolle ist „out", Kooperation und Motivation sind „in". Führungskräfte sind vor allem als Vorbilder und Motivatoren gefragt. Mut zu Innovationen, Respekt und Vertrauen gegenüber den Mitarbeitern machen die „Chefs von morgen" aus.
Kostet die Digitalisierung Arbeitsplätze?
91 Prozent der befragten Unternehmer sagen, dass die Zahl der Mitarbeiter in ihrem Unternehmen mit oder trotz Digitalisierung gleich bleibt oder sogar zunimmt. Das Schreckgespenst des „Wegrationalisierens" existiert – zumindest in den Köpfen der verantwortlichen Manager und Unternehmer – nicht. Bremsend wirkt nach Ansicht der Befragten allerdings der anhaltende Fachkräftemangel. Besonders die digitalen Transformatoren beklagen, dass es aufgrund des Defizites an qualifiziertem Personal schwierig ist, digitale Technologien in die Unternehmensabläufe einzubinden und neue Geschäftsideen umzusetzen.
Obwohl die Mehrzahl der Unternehmer die unterschiedlichen Altersklassen in ihren Betrieben als Stärke begreifen, sehen lediglich 36 Prozent Qualifizierungsbedarf bei den älteren Beschäftigten. Diese fokussieren sich darauf, qualifiziertes Personal im Unternehmen zu halten und bieten als Incentive die individuelle Planung des Arbeitsalltages oder abteilungsübergreifende Innovations- und Pilotprojekte an. Angebote zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie können Unternehmen dabei helfen, sich im digitalen Wandel als gute Arbeitgeber zu positionieren. Rund 30 Prozent der Unternehmen bieten Modelle für Lebensarbeitszeit und betriebliche Auszeiten oder unterbreiten Angebote für Erholung, Freizeit und Fitness. Möglichkeiten, Beruf und Familie besser in Einklang zu bringen, fehlen in den Organisationsstrukturen vieler Betriebe jedoch immer noch. Lediglich 12 Prozent haben für ihre Mitarbeiter entsprechende Angebote.
Unternehmen neu denken
Auf den deutschen Mittelstand kommen tiefgreifende Veränderungen zu, die alle Bereiche der Organisationen betreffen. Prozesse beschleunigen sich, neue Technologien halten Einzug, Geschäftsmodelle entwickeln sich weiter oder werden neu erfunden, Hierarchien und die Rolle der Führungskräfte ändern sich. Eine erfolgreiche digitale Transformation braucht daher ein konsequentes Umdenken. Es muss erlaubt sein, alle Unternehmensbereiche unter die Lupe zu nehmen und – wenn nötig – neu zu organisieren. Die Weichen für Erfolg oder Misserfolg der digitalen Transformationen zu stellen, ist eine Frage der Einstellung. Die Ausgangslage für die deutschen Mittelständler ist gut. In keinem anderen Land gibt es mehr „Hidden Champions" als in Deutschland. Die richtigen Impulse für die digitale Transformation werden bereits gegeben – der Wandel ist in vollem Gange.
Alexandra Ferenz leitet als Vice President Live-Marketing seit acht Jahren die Mittelstandsinitiative UnternehmerPerspektiven der Commerzbank AG. Unter ihrer Führung erlebten die UnternehmerPerspektiven selbst den digitalen Wandel und feierten 2016 ihr zehnjähriges Jubiläum. Bevor Alexandra Ferenz zur Commerzbank kam, war sie als Redakteurin für die ÖKO-Test Verlags AG und als leitende Redakteurin für den Hessischen Rundfunk tätig.
Michael Varona ist Bereichsleiter Sales Management der Commerzbank AG. Nach einem Wirtschaftsstudium begann er im Jahr 2000 seine Commerzbank-Karriere. 2014 bis 2015 fungierte er als Bereichsleiter für das Vertriebs- und Kreditmanagement, bevor er 2015 auf seine jetzige Position wechselte.
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Wirtschaft | Führung & Personal, 01.01.2017
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