Durch nachhaltiges Investieren nachhaltige Entwicklung fördern
Nachhaltiges Investieren ist ein wirksamer Hebel zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung
Dieses Interview mit Prof. Dr. Maximilian Gege, B.A.U.M. e.V., finden Sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2018 – Nachhaltiges Investieren.
Prof. Dr. Maximilian Gege ist Gründungsmitglied und Vorsitzender von B.A.U.M. e.V. Er bekleidet zahlreiche Funktionen in Beiräten und Jurys und ist Begründer des B.A.U.M.-Zukunftsfonds. Professor Gege erhielt zahlreiche nationale und internationale Auszeichnungen. Seit 2001 ist er Honorarprofessor der Leuphana Universität Lüneburg.
Herr Professor Gege, warum ist nachhaltiges Investieren wichtig und welches Ziel verfolgen Sie mit Ihrem Engagement?

Der Anleger hat es tatsächlich in der Hand, welchen Unternehmen Kapital zur Verfügung gestellt wird und welche Kosten und Provisionen (Transparenzgebot) die Bank bzw. der Finanzdienstleister dafür berechnet, denn diese kommen der Investition nicht zugute. Investitionen können Nachhaltigkeitsaspekte befördern oder – gewiss unwillentlich – ethisch problematische Geschäftsmodelle unterstützen. Sie können Großkonzerne stärken oder innovative Mittelständler, die dem Gebot der Nachhaltigkeit folgen, fördern.
Mit Anlegergeldern können z.B. der Klimaschutz durch erneuerbare Energien und Energieeffizienz vorangetrieben, Gesundheits- oder Bildungsprojekte gefördert, nachhaltige Mobilität forciert oder Ressourceneffizienz intensiviert werden. In Deutschland sind jedoch erst ca. 3 Prozent des Vermögens nachhaltig angelegt. Hier muss es dringend mehr Information und Orientierung für private wie institutionelle Anleger, die oftmals alten Strukturen verhaftet sind, im Sinne einer ganzheitlichen Transparenz geben. Nachhaltig-ethisch orientierte Investoren müssen auch von der Anbieterseite aus umfassender und gezielter über Alternativen informiert werden.
Was macht für Sie ein nachhaltiges Investment aus?
Bestimmte Branchen und Produkte lassen sich mit Nachhaltigkeit gar nicht vereinbaren. Dazu gehören Kohleförderung, Ölindustrie, Rüstung, Alkohol und andere Suchtmittel. Außerdem müssen natürlich alle Unternehmen ausgeschlossen werden, die mit Hilfe von Kinderarbeit produzieren oder sonst gegen die Menschenrechte verstoßen.
Auch die Geschäftsfelder müssen kritischer als bisher auf konkrete Beiträge zur Erreichung der 17 Sustainable Developement Goals (SDG) der Vereinten Nationen bewertet werden. Was nützt es, wenn Apple Solarkollektoren installiert, aber permanent neue Modelle – mit immensen Rohstoff-, Energieund Wasserverbräuchen – entwickelt, produziert und auf die internationalen Märkte bringt? Wenn das Unternehmen jährlich Milliarden Dollar-Gewinne erwirtschaftet, diese aber durch geschickte steuerliche Optimierungskonzepte nicht ordentlich versteuert, chinesischen Arbeitern Hungerlöhne bezahlt und sie mit hohen Arbeitszeiten belastet?
Was nützt eine Nachhaltigkeitsstrategie bei Nestlé, wenn gleichzeitig Palmöl aus Urwaldzerstörung oder gentechnisch veränderte Zutaten in Schokoriegeln genutzt oder Müllberge aus Nespresso-Kaffee- Kapseln produziert werden? Oder wenn Nestlé Mineralwasser zum Milliardengeschäft entwickelt, sich in den USA, Pakistan, Nigeria u.a. Ländern die Wasserrechte sichert, aber die PET-Flaschen durch Produktion und Vertrieb dreimal mehr Wasser verschlingen, als die Flasche selbst enthält? Und Nestle verlautbart, dieses lukrative Geschäft weiter zu intensivieren, und sichert sich immer weitere Wasserrechte. Dabei weiß man dort ganz genau, dass schon 2025 ein Drittel unserer Welt von Frischwasserknappheit betroffen sein wird. Experten prognostizieren, dass die Situation sich weiter verschärfen wird und ab 2050 katastrophale Verhältnisse eintreten.
Mir ist aber auch besonders wichtig, dass neben Ausschlusskriterien Positivkriterien ins Spiel kommen. Ein guter Bezugspunkt sind hier die SDG. Ein nachhaltiges Investment sollte mindestens zu einem der 17 SDG aktiv beitragen, also Armut bekämpfen, zum Klimaschutz beitragen, Biodiversität fördern usw.
Warum investieren generell so wenige Menschen an der Börse ihr Geld in Aktien oder Anleihen?
Nun, unsere Aktienkultur, d.h. das Bewusstsein, mit Aktien seriös Geld verdienen zu können, ist leider nicht besonders ausgeprägt. Es fehlt an grundsätzlichem Wissen, wie die Aktienmärkte funktionieren und was es bedeutet, durch Aktien am Produktivkapital direkt beteiligt zu werden. Unbekannt ist wohl auch, dass zahlreiche gut wirtschaftende Unternehmen Jahr für Jahr hohe Dividenden ausschütten und damit unabhängig von der Kursentwicklung je nach unternehmerischem Erfolg Erträge bis ca. 4 Prozent p.a. möglich sind.
Zudem steckt der Börsencrash von 2008 vielen Anlegern noch in den Knochen. Viele Menschen haben in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen mit Aktien oder Anleihen gemacht. Sie wurden leider auch oft nicht optimal beraten. Meiner Ansicht nach ist der Verlust des Vertrauens der Anleger zu ihren Bankberatern ein großes Problem. Zuverlässige, glaubwürdige Information und Orientierung kann hier Abhilfe schaffen und würde auch den Banken selbst helfen, Imagekrisen zu überwinden.
Auch 2016 flossen wieder zwei Drittel des frischen Spargeldes den Banken zu: ein paradoxes Anlegerverhalten. In Nordamerika resultieren drei Viertel des Vermögenszuwachses aus Wertveränderungen, in Europa immerhin noch gut die Hälfte, aber in Deutschland nur ein Viertel. Das heißt, wir Deutschen erarbeiten unser Vermögenswachstum durch hartes Sparen, andere lassen besser ihr Geld für sich mitarbeiten!
Muss man bei einem Fonds, der vor allem in nachhaltige Unternehmen investiert, nicht mit einer schlechteren Performance rechnen?
Nein, ganz und gar nicht. Zahlreiche Studien haben gezeigt, dass dies nicht der Fall ist (vgl. auch den Beitrag von Professor Bassen im vorliegenden Jahrbuch auf S. 8ff). Nachhaltige Aktienwerte haben sich in der Vergangenheit besser oder mindestens gleich gut entwickelt wie Werte, die keine Nachhaltigkeitsgesichtspunkte beachten. Auch die sogenannten Nebenwerte weisen in vielen Fällen eine hervorragende Performance auf. Eine langfristige Bewertung über einen Zeitraum von 100 Jahren zeigt, dass Anleger mit Aktien eine durchschnittliche Rendite von 6-8 Prozent jährlich erzielen konnten. Heute liegen aber 2.300 Mrd. Euro zu Nullzins auf Sparbüchern, Tagesgeldkonten usw., so dass viele Anleger, vor allem jüngere, geradezu in die Altersarmut getrieben werden. Ihr Kapital reduziert sich durch Inflation und Nullzins, statt sich zu verdoppeln oder zu verdreifachen, was in 30 Jahren absolut realistisch wäre, besonders auch durch ein nachhaltig ausgerichtetes Aktiendepot und so gegebene Beteiligung an exzellenten Sachwerten bzw. Produktivkapital.
Es gibt schon viele Nachhaltigkeits-Fonds auf dem Markt. Warum planen Sie ein nachhaltiges Aktivdepot?

Auf der Basis unserer kritischen Analysen haben wir deshalb ein nachhaltiges Aktivdepot entwickelt, das primär auf mittelständischen, nachhaltig erfolgreichen Unternehmen beruht. Dabei handelt es sich oft um familiengeführte Unternehmen, oft um Hidden Champions, aber immer um Unternehmen, die einen konkreten Beitrag zu einer etwas bessere Welt leisten: in den Bereichen Klimaschutz, erneuerbare Energien/Energieeffizienz, nachhaltige Mobilität, Ressourcenschutz, Wasser, Biodiversität, Armutsbekämpfung oder Gesundheit. Wir legen die Kriterien des DNK zugrunde und praktizieren ein klares 100-prozentiges Ausschlussverfahren, also nicht wie bei zahlreichen Fonds mit fragwürdigen Beimischungen, etwa mit Werten aus der Rüstungs-, Kohle- oder Ölindustrie etc.
Die Wertentwicklung der letzten 10 Jahre zeigt, dass die von uns bewerteten Unternehmen eine hervorragende Performance erzielen konnten und wesentlich besser abschneiden als zahlreiche Fonds, die auf dem Markt angeboten werden. Gerne stellen wir unsere Bewertung unseren Leserinnen und Lesern – ohne Obligo, wir sind keine Finanzberater – zur Verfügung. Die Erkenntnisse sind überraschend positiv.
Wie kann es gelingen, Anlegern die Potenziale des nachhaltigen Investierens deutlicher zu machen?
Unser Jahrbuch ist schon ein Beitrag dazu! Zusätzlich geht es jetzt darum, dieses Konzept in eine breite Öffentlichkeit zu kommunizieren und die enormen Vorteile zu verdeutlichen. Viele NGOs wie z.B. WWF, NABU und BUND, aber auch Oxfam, Urgewald u.a. – auch B.A.U.M. – leisten bereits wichtige Aufklärungsarbeit, ebenso Vertreter von Kirchen, Stiftungen, Verbänden, aber auch Ökobanken wie unsere langjährigen Mitglieder GLS Bank, UmweltBank oder Steyler Bank sowie Vermögensverwaltungen wie unser Mitglied Rhotham. Es ist wie bei anderen nachhaltigen Produkten auch: Steigt die Nachfrage der Kunden nach solchen Investments, wird auch das Angebot steigen. Bankberater, Family Offices, Vermögensverwaltungen, Stiftungen, Sozialpartner, aber auch die Bundesländer und der Staat sind letztendlich in der Pflicht, viel mehr als bisher nachhaltige Investments mit in ihr Portfolio aufzunehmen.
Was fordern Sie von der Politik, um nachhaltiges Investment zu stärken?
Anlässlich von Deutschlands G20-Präsidentschaft hat B.A.U.M. einen offenen Brief mit unterzeichnet, den das Forum Nachhaltige Geldanlagen gemeinsam mit den Verbänden CRIC, ÖGUT und oekofinanz- 21 initiiert hatte. Der Brief an den damaligen Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble und Bundesbankpräsident Dr. Jens Weidmann forderte dazu auf, die Finanzwirtschaft für die SDG fit zu machen, hierfür eine internationale Strategie zu initiieren und zeitnah konkrete Maßnahmen umzusetzen. Dies sind nach wie vor wichtige Forderungen. Ich hoffe, die Bundesregierung geht dieses Thema in der 19. Legislaturperiode an.
Wir werden uns dazu weiter sehr aktiv engagieren und Unternehmen auf erfolgreiche nachhaltige Entwicklungen hin analysieren und bewerten.
Disclaimer
Hinweise auf Unternehmen sind beispielhaft, plakativ, nicht vergleichend gemeint und journalistischer Natur. Sie erfolgen nicht aus eingehender Bewertung, die im Detail offenstehend ist, sondern dienen reinen redaktionellen Darstellungen und Zusammenhängen im Rahmen des Interviews.
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Lifestyle | Geld & Investment, 01.01.2018

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