BIOFACH 2025

Ökologisch Verpacken

Stoffkreisläufe als Schlüssel für eine nachhaltige Zukunft

In den Weltmeeren wird es nach Angaben der Ellen MacArthur Foundation bis Mitte des Jahrhunderts mehr Plastik als Fische geben. Hauptverursacher: Asien und Afrika. Die deutschsprachigen Länder gehören in Sachen Müll zur europäischen Spitze und die Bequemlichkeit beim Einkaufen verschärft die Probleme…
 
Für die Herstellung von Wellpappenrohpapieren wird Bruch- und Durchforstungsholz eingesetzt, das bei der Pflege nachhaltig bewirtschafteter Wälder anfällt. © FÖV
Technische Ansätze zur Lösung des Marine Littering-Problems, wie das Ocean Cleanup-Projekt des jungen niederländischen Tüftlers Boyan Slat, haben gerade herbe Rückschläge zu verkraften. Andere Konzepte sind also gefragter denn je. Dabei lenkt die Vermüllung der Meere den Blick auf einen wesentlichen Aspekt der Abfallfrage: den Verbleib von Verpackungen nach der Nutzung.
 
Was geschieht eigentlich mit Faltschachteln für Müsli, Folien für Käseaufschnitt, PET-Flaschen für Mineralwasser und Kartons von Online-Bestellungen, nachdem die Ware ausgepackt wurde? Egal welche Verpackungen: Diese dürfen nicht in Flüssen und Meeren enden, sondern müssen in Recyclinganlagen münden, und als Rohstoffe für die Herstellung neuer Verpackungen bereitstehen. Circular Economy, wie sie auch der Rat für Nachhaltige Entwicklung empfiehlt, gilt deshalb als das Wirtschaftsmodell der Zukunft – auch im Bereich Verpackungen. Möglichst geschlossene Stoffkreisläufe sind Dreh- und Angelpunkt für nachhaltiges Wirtschaften.
 
Vom Müll zum Wertstoff
In Deutschland, Österreich und der Schweiz gibt es etablierte Sammel- und Recyclingsysteme, die gebrauchte Verpackungen weitgehend vollständig erfassen und einer erneuten Verwendung (bei Mehrwegsystemen), der stofflichen Wiederverwertung (wie beim Papierrecycling) oder der thermischen Verwertung (also Verbrennung) zuführen. Zum 1. Januar 2019 ist in Deutschland ein neues Verpackungsgesetz in Kraft getreten, das das Umweltbundesamt (UBA) als wichtigen Fortschritt für die Umwelt preist. „Das Gesetz wird helfen, mehr wertvolle Ressourcen im Kreislauf zu führen", sagt Maria Krautzberger, Präsidentin des UBA. „Zusätzlich gibt es finanzielle Anreize für Hersteller, Verpackungen recyclinggerechter und ressourcenschonender zu gestalten und bei der Produktion verstärkt Rezyklate einzusetzen." Mehr Recycling, mehr Stoffkreisläufe – im Sinne eines möglichst ökologischen Verpackens ist das genau der richtige Ansatz.
 
Vollständig recyclen
Hier läuft es rund: Die Wellpappe im Material- und Ressourcenkreislauf. © FÖV
Ein Beispiel für die nahezu vollständige stoffliche Wiederverwertung von Verpackungsmaterial bietet Wellpappe. Da sie zu über 90 Prozent im Warenverkehr zwischen Unternehmen anfallen, werden Verpackungen aus Wellpappe in Deutschland, Österreich und der Schweiz fast vollständig erfasst und dem Recycling zugeführt. Transport- oder Versandverpackungen, die in diesen drei Ländern hergestellt werden, bestehen im Durchschnitt zu 80 Prozent aus Recyclingmaterial. Durch den anhaltenden Boom des Online-Shoppings fallen immer mehr Versandverpackungen aus Wellpappe in den Haushalten an. Doch auch hier ist die Zurückführung in den Stoffkreislauf für die Verbraucher relativ einfach: Pappen und Kartonagen landen im Altpapier.
 
Ohne Frischfaser geht es nicht
Zugegeben: Der Stoffkreislauf des Papiers ist auf die Zuführung von Frischfasern angewiesen, um am Ende leistungsfähige und anforderungsgerechte Verpackungen für Maschinenteile, Joghurttrays und Smartphones produzieren zu können. Aber dieser Rohstoff wächst nach. Für die Herstellung von Wellpappenrohpapieren wird Bruch- und Durchforstungsholz eingesetzt, das bei der Pflege nachhaltig bewirtschafteter Wälder anfällt. Häufig verlangen die Abnehmer von Wellpappenverpackungen inzwischen eine entsprechende Zertifizierung des Papiers nach FSC- oder PEFC-Standard. Und auch andere Rohmaterialien – wie etwas Gras oder Hanf – finden Verwendung in der Papierherstellung.
 
Ökologisch verpacken bedeutet nicht zuletzt Verzicht auf den Einsatz fossiler Rohstoffe, wo immer es geht. In vielen Bereichen können faserbasierte Verpackungen echte Alternativen zu herkömmlichen Kunststoffverpackungen bieten und damit die Umweltbilanz des Warentransports verbessern. Beispiel Versandhandel: Neben der an das Versandgut angepassten Größe des Wellpappenkartons, die natürlich einen wichtigen Faktor darstellt, ist auch die Polsterung mit ökologischen Materialien entscheidend für die Umweltauswirkungen der Verpackung. An Stelle von Luftpolsterfolien oder Styropor können Online-Shops vielfältige Inneneinrichtungen aus Naturmaterialien oder Polsterelemente aus Stroh oder Wellpappe einsetzen.
 
Initiative ergreifen
Wellpappenverpackungen, die in Haushalten anfallen, können problemlos dem Recycling zugeführt werden. © FÖVEin Drittel des produzierten Kunststoffs wird für Verpackungen eingesetzt, aber der durchschnittliche Rezyklat-Anteil beträgt nur etwa neun Prozent. Daher ist die Entwicklung und Stärkung von Stoffkreisläufen von Plastikverpackungen ein wichtiger Nachhaltigkeitsansatz. Ein Beispiel ist die Rezyklat-Initiative von Werner & Mertz (mit der Marke FROSCH), REWE, Grüner Punkt, NABU und anderen Beteiligten. Ihr gemeinsames Ziel ist es, nachhaltige Materialkreisläufe zu entwickeln und dafür die Rohstoffe aus der haushaltsnahen Wertstoffsammlung zu nutzen. Die begrüßenswerte Initiative hat inzwischen beachtliche Fortschritte erzielt. So gelang es Werner & Mertz zusammen mit dem Flaschenhersteller Alpla-Werke Alwin Lehner und dem Grünen Punkt, neuartige Flaschen für Reinigungsmittel zu entwickeln, die zu 100 Prozent aus PE-Recyclat aus der Quelle „Gelber Sack" bestehen.
 
Verpackungen vermeiden
Natürlich ist die Vermeidung unnötiger Verpackungen, die oft von Umweltschützern gefordert wird, sinnvoll. Jedoch muss gewährleistet sein, unsere Gesellschaft auch künftig mit qualitativ hochwertigen Produkten zu versorgen, wie Alexander Liedke, Manager Sustainable Business & Markets beim WWF meint. „Die ökologischste Verpackung ist die, die wir nicht brauchen", sagte der Umweltexperte auf der weltgrößten Ernährungsmesse anuga, schränkte aber auch ein: „Dass das nicht immer funktioniert, ist vollkommen klar." Das Unverpackt-Konzept etwa mag in einigen großstädtischen Nischen für ein beschränktes Warensortiment funktionieren, ist allein aber kein tragfähiges Zukunftsmodell für die Versorgung der breiten Bevölkerung mit Lebensmitteln oder mit sonstigen Dingen des täglichen Bedarfs – wie beispielsweise den erwähnten Reinigungsmitteln. Dennoch gilt es hier offensiv weitere Lösungen zu entwickeln.
 
Verpackungen als Rohstoff nutzen
Ob Kunststoff, Papier oder andere Materialien: Um unsere Wirtschaft in Richtung Kreislauf voranzutreiben, benötigen wir eine andere Sichtweise auf gebrauchte Verpackungen. In der angestrebten Circular Economy sind sie kein Müll, sondern wertvolle Rohstoffe für die Herstellung neuer Verpackungen. Hier hat es der Rohstoff Papier besonders einfach: Ob Obstschälchen im Supermarkt oder Transportverpackung für Autotüren – Karton und Wellpappe sind leicht zu verwerten und werden auf dem freien Markt ge- und verkauft wie andere Produkte. Damit trägt Verpackungsmaterial auf Papierbasis maßgeblich zum Funktionieren des Stoffkreislaufs des Altpapiers bei. Solange die Faser physikalisch und biologisch intakt ist, kann sie wiederholt für die Papierherstellung verwendet werden. Ist sie dafür nicht mehr geeignet, wird sie direkt in der Papierfabrik für die Energiegewinnung genutzt.
 
Dr. Oliver Wolfrum studierte Wirtschaftswissenschaften, ist Generalbevollmächtigter des Forum Ökologisch Verpacken (FÖV), Geschäftsführer des Verbandes der Wellpappen-Industrie e. V. und Geschäftsführer der RESY Organisation für Wertstoffentsorgung GmbH.

Umwelt | Ressourcen, 01.03.2019
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 01/2019 - Time to eat the dog erschienen.
     
        
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