E-Mobilität
Scheitert sie an den Batterierohstoffen?
Die Elektromobilitätsoffensive wird weltweit angekündigt. Aber reichen überhaupt die benötigten Rohstoffe für die vielen Batterien aus? Das Öko-Institut hat den Bedarf errechnet. Recycling wird einen wesentlichen Beitrag zur Bedarfsbefriedigung leisten.
In immer höherer Frequenz erscheinen Pressemeldungen von Automobilherstellern, in denen neue Elektromodelle angekündigt werden oder gar die gesamte Konzernstrategie auf batteriebetriebene Antriebe ausgelegt wird. Erst kürzlich hat VW seine Elektromobilitätsstrategie präsentiert, die sich klar auf batteriebetriebene Fahrzeuge stützt. In den nächsten Jahren soll der Massenmarkt erschlossen werden und zahlreiche, neue elektrische Modelle auf den Markt kommen. Neben VW positionieren sich auch andere große Hersteller im E-Mobilitätssegment. Die Europäische Kommission geht von einem rasanten Wachstum im Sektor aus und prognostiziert ab 2025 einen jährlichen Batteriemarkt in der EU von bis zu 250 Milliarden Euro. Schon jetzt werden steigende Absatzzahlen elektrischer Fahrzeuge verzeichnet. 2018 sind global bereits mehr als zwei Millionen Elektrofahrzeuge verkauft worden. Der Markt wuchs damit laut McKinsey in Europa um etwa 40 Prozent in China sogar um 85 Prozent.
Trend zu E-Fahrzeugen?
Die Fortsetzung dieser Entwicklungsdynamik und deren Implikationen auf den Rohstoffbedarf für Batterien berechnete das Öko-Institut in einer Kurzstudie. Basierend auf modellierten Fahrzeugbestandszahlen der International Energy Agency bis zum Jahr 2050 berechnete das Institut Verkaufszahlen für PKW, LKW, Busse, Krafträder und Pedelecs und berücksichtigte dabei Verbrenner, Hybride, Plug-Ins, Brennstoffzellen und nicht zuletzt batterieelektrische Antriebe. Die Kurzstudie betrachtet unter anderem ein Szenario, welches die Pariser Klimaziele berücksichtigt und damit eine sehr rasche Dekarbonisierung des Straßenverkehrs annimmt.
Im Startjahr 2016 der Szenario-Betrachtung stehen global gesehen 70 Millionen verkauften Verbrenner-PKW gerade einmal 750.000 batterieelektrische Fahrzeuge (BEV) und Plug-In Hybride (PHEV) gegenüber, sowie weitere 2 Millionen Hybride (HEV). Im Jahr 2030 macht sich bereits ein deutlicher Shift bemerkbar, sodass die Verbrennerverkäufe auf 50 Millionen sinken, während ca. 17 Millionen batterieelektrische PKW, 13 Millionen Plug-ins und rund 10 Millionen Hybride hinzukommen. 2050 werden global keine PKW mit Verbrennungsmotor mehr verkauft, die Gesamtverkäufe steigen auf knapp 135 Millionen Einheiten, von denen fast zwei Drittel batterieelektrisch angetrieben werden. Hinzu kommen etwa 36 Millionen Plug-ins, 10 Millionen Hybride und knapp 4 Millionen Brennstoffzellenfahrzeuge (FCEV).
Der Bedarf an Batterien steigt rasant
Doch nicht nur im PKW-Segment ist ein rasanter Anstieg zu erwarten. Schon heute zeichnet sich insbesondere im Bereich elektrischer Krafträder in China und Südostasien ein starker Zuwachs ab; in Europa und Nordamerika spielt der Verkauf von Pedelecs eine wichtige Rolle. Im Jahr 2050 könnten weltweit 86 Millionen Pedelcs und fast 140 Millionen elektrischer Krafträder verkauft werden.
Der Trend beschränkt sich nicht nur auf Kleinfahrzeuge, auch Busse und LKW stehen zunehmend im Fokus der Dekarbonisierung. So werden in Deutschland gegenwärtig drei Teststrecken für Oberleitungs-LKW erprobt. 2030 könnten 5 Prozent der weltweit 5,8 Millionen LKW über Oberleitungen mit Energie versorgt und geladen werden, bis 2050 steigt der Wert bis auf fast 50 Prozent der 7,3 Millionen prognostizierten Verkäufe. Elektrische Busse spielen schon heute, insbesondere in China eine wesentliche Rolle bei der Verbesserung des Stadtklimas. 2030 könnten fast ein Viertel der 900.000 Busse batterieelektrisch angetrieben sein, 2050 sogar zwei Drittel der prognostizierten 1,9 Millionen Verkäufe.
Bei welchen Rohstoffen steigt die Nachfrage?
Das Herz elektrisch angetriebener Fahrzeuge ist die Batterie. Die oben vorgestellten Prognosen lassen erahnen, dass deutliche Nachfragezuwächse für Batterierohstoffe zu erwarten sind. Die im Szenario angenommenen Batterien sind Varianten der Lithium-Ionen-Batterie, die im mittelfristigen Zeithorizont das Speichermedium der Wahl bleiben wird.
Veränderungen sind nur im Hinblick auf die Zellchemie zu erwarten. Aktuell ist vor allem ein Trend hin zu kobaltärmerem und damit nickelreicherem Kathodenmaterial zu beobachten. Zudem ist davon auszugehen, dass künftig eingesetzte Anoden neben Graphit zunehmend mehr Silizium enthalten werden. Unterschiede bei den verschiedenen Fahrzeugsegmenten sind vor allem bei der Batteriekapazität, aber auch bei der Zellchemie berücksichtigt. Übersetzt man die Annahmen zur Batteriezusammensetzung und die E-Fahrzeugverkäufe in Rohstoffbedarfe, ergibt sich ein bedeutsamer Nachfragezuwachs. Insbesondere Lithium, Kobalt und Nickel sind von herausragender Bedeutung bei der Batteriezellherstellung und erfordern deshalb eine genaue Betrachtung.
Bestand und prognostizierter Bedarf
Die aktuelle Jahresprimärförderung von Lithium beträgt 69.000 Tonnen (2017), die Reserven belaufen sich auf 14 Millionen Tonnen, demgegenüber steht ein Bedarf von ca. 250.000 Tonnen Lithium im Jahr 2030 und über 1.000.000 Tonnen im Jahr 2050. Bei Kobalt sieht die Situation ähnlich aus, der bergbaulichen Produktion von 120.000 Tonnen Kobalt und 6,9 Millionen Tonnen Reserven steht ein Bedarf von ca. 400.000 Tonnen im Jahr 2030 und 850.000 Tonnen im Jahr 2050 gegenüber. Bei Nickel sind die Batterien zwar auch eine an Bedeutung zunehmende Anwendung, aber mittelfristig spielt nach wie vor die Stahlindustrie eine wesentliche Rolle. Der aktuellen bergbaulichen Produktion von 2,1 Millionen Tonnen und Reserven von 89 Millionen Tonnen steht ein Bedarf von ca. 1,4 Millionen Tonnen im Jahr 2030 und 7,1 Millionen Tonnen Nickel im Jahr 2050 gegenüber. Die weltweiten Ressourcen für alle drei Metalle sind noch erheblich größer als die Reserven. Man beachte hier zur Unterscheidung: Reserven stellen Rohstoffvorkommen dar, die zur Zeit der Erhebung wirtschaftlich abgebaut werden könnten. Die Daten zu den Reserven können sich deshalb von Jahr zu Jahr ändern, da zum Beispiel steigende Rohstoffpreise dazu führen, dass früher unrentable Lagerstätten dann wirtschaftlich abgebaut werden können oder im Zuge von Explorationsanstrengungen neue entdeckt werden. Ressourcen sind der Teil eines natürlichen Vorkommens (fest, flüssig oder gasförmig) eines Rohstoffs in der Erdkruste, welcher heute oder potenziell zukünftig abgebaut werden könnte.
Die Förderung wird deutlich ansteigen
Betrachtet man das Wachstumsniveau des Bedarfs im Vergleich mit der Primärförderung, wird deutlich, dass das Fördervolumen signifikant zunehmen muss. Während Traktionsbatterien (Lithium-Ionen-Anwendungen im portablen Bereich wurden nicht betrachtet) im Jahr 2016 gerade einmal 14 Prozent der Lithium-, 16 Prozent der Kobalt-, und 1 Prozent der Nickelförderung beanspruchen, ist bis ins Jahr 2030 ein signifikanter Anstieg absehbar. Batterien für E-Fahrzeuge könnten dann bis zu vier Mal so viel Lithium benötigen, wie heute gefördert wird, bei Kobalt drei Mal so viel. Im Jahr 2050 könnten diese Werte noch erheblich steigen, sodass ca. 15 Mal mehr Lithium, ca. 7 Mal mehr Kobalt und ca. 3 Mal mehr Nickel benötigt werden, als 2017 gefördert wurden (vgl. Abb. 2). Es gilt zudem zu beachten, dass andere Anwendungen auch einem Wachstum unterliegen, sodass der tatsächliche Bedarf aus primären Quellen noch höher ausfallen könnte.
Recycling – Entlastung primärer Rohstoffförderung
Der oben beschriebene Nachfragezuwachs nach primären Batterierohstoffen fällt signifikant kleiner aus, wenn Altbatterien konsequent recycelt und die wiedergewonnenen Rohstoffe für die Produktion neuer Batterien verwendet werden. Dies könnte neben Einsparungen bei der bergbaulichen Produktion auch eine Stabilisierung der Rohstoffpreise begünstigen. Vor allem bei Rohstoffen, die eine starke Länderkonzentration aufweisen, wie beispielsweise Kobalt, welches zu wesentlichen Teilen in der Demokratischen Republik Kongo gefördert wird, kann sich Recycling dämpfend auf die Preise auswirken. Voraussetzung für das Recycling sind zwei Dinge – zum einen wirtschaftliche Recyclingverfahren und zum anderen die flächendeckende Sammlung von Altbatterien.
Kreislaufwirtschaft ist das Gebot der Stunde
Recyclingverfahren werden heute bereits angewendet, die vor allem Nickel und Kobalt zu über 90 Prozent zurückgewinnen, aber auch die Rückgewinnung von Lithium etabliert sich langsam. Lithium landet beim Recycling in der Regel in der Schlacke. Manche Recycler führen diese einem primären Erzaufbereitungsprozess zu, andere verwenden die Schlacke als Baustoff. Viele Recyclingunternehmen wenden sich allerdings verstärkt der direkten Rückgewinnung des Lithiums zu.
Aufgrund ihrer Größe und hoher Volumenströme versprechen Traktionsbatterien sehr bald hohe Sammelquoten. Weiterhin ist aufgrund der Brandgefahr von Lithium-Ionen-Batterien im Sinne der Gefahrenabwehr ein professionelles Recycling der wachsenden Batteriemengen alternativlos. Aufgrund der bereits heute etablierten Recyclingverfahren und hohen anzunehmenden Sammelquoten werden daher in den Szenarien Sekundärrohstoffbeiträge von 10 Prozent für Lithium und Kobalt sowie 7 Prozent für Nickel im Jahr 2030 angenommen. Im Jahr 2050 ist aufgrund größerer End-of-Life-Fahrzeugströme mit jeweils 40 Prozent Sekundärrohstoffbeitrag für die betrachteten Rohstoffe zu rechnen.
Die steigende Nachfrage erfordert strengere Richtlinien
Aus den obigen Prognosen wird deutlich, dass ein deutlicher Anstieg des Rohstoffbedarfs zu erwarten ist, der Herausforderungen sowohl auf wirtschaftlicher, aber vor allem auch auf ökologischer und sozialer Ebene mit sich bringt.
Die wirtschaftliche Betrachtung setzt auf einen massiven Anstieg bergbaulicher Projekte um die Nachfrage abdecken zu können, denn nur durch Recycling wird der Bedarf nicht gedeckt werden können. Eine der Hauptherausforderungen aus ökologischer Sicht ist deshalb die globale und flächendeckende Anwendung von best-practice-Standards, um ökologische Impacts des Bergbaus so weit wie möglich zu reduzieren und Wettbewerbsvorteile für Unternehmen mit schlechter Umweltperformance auszuschließen. Soziale Herausforderungen betreffen insbesondere Aspekte von Lieferkettentransparenz und Unternehmensverantwortung, welche die Arbeitssicherheit gewährleisten und Kinderarbeit im Kleinbergbau ausschließen.
Fazit: Recycling muss ein wesentlicher Schlüssel zur Entlastung der Umwelt und der Nachfrage nach Primärrohstoffen werden. Als ein wichtiger Pfeiler auf diesem Weg sollte die Europäische Kommission die Batterierichtlinie schnellstmöglich anpassen, um sicherzustellen, dass ambitionierte Sammel- und Recyclingquoten in Europa erreicht werden.
Peter Dolega hat Geographie studiert und ist beim Darmstädter Öko-Institut wissenschaftlicher Mitarbeiter im Fachbereich Ressourcen & Mobilität.
Technik | Mobilität & Transport, 01.06.2019
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2019 - Afrika – Kontinent der Entscheidung erschienen.
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