Pfadfinder der Nachhaltigkeit

Setzt die Outdoor-Bekleidungsbranche Meilensteine in Sachen CSR?

Für die Outdoor-Industrie sollte Nachhaltigkeit von jeher einen besonderen Stellenwert haben. Dieser ­ergibt sich aus der produktspezifischen Abhängigkeit zur unversehrten und ursprünglichen Natur. Darüber hinaus wurden viele Unternehmen von Outdoor-Enthusiasten gegründet, die aufgrund ihrer sportlichen Leidenschaft und der Verbindung zur Natur schon früh erkannten, wie wichtig Nachhaltigkeit ist. Die ­Branche sieht sich deshalb als Zugpferd für die Textil- und Modeindustrie.
 
Setzt die Outdoor-Bekleidungsbranche Meilensteine in Sachen CSR? © PPR, Mammut Auch heute sind viele Produktentwickler, Designer und Techniker in Outdoor-Unternehmen von ihrer Idee getrieben, das perfekte Produkt für ihren Sport in freier Natur zu entwickeln. Die meisten bringen durch ihre eigene Affinität zum Outdoor-Sport das nötige (Eigen-)Interesse an Nachhaltigkeit mit. Dadurch werden bereits im Entwicklungsprozess verschiedene Schwerpunkte wie das optimale Design, Widerstandsfähigkeit auch bei extremen Bedingungen, Langlebigkeit der Produkte, Multifunktionsnutzen aber auch die Auswahl möglichst nachhaltiger Materialien in den Fokus gestellt. Ein weiterer Faktor, der die nachhaltige Entwicklung in der Outdoor-Branche begünstigt, sind Produkte, die auf längere Lebenszyklen angelegt sind, sowie die weitaus geringere Anzahl an Kollektionen pro Jahr gegenüber der Modebranche. Üblicherweise sind nur eine Sommer- sowie eine Winter- Kollektion erhältlich. In einigen Unternehmen gibt es darüber hinaus zwei kleinere Zwischenkollektionen, die die speziellen Bedürfnisse für die Übergangszeiten in Frühjahr und Herbst berücksichtigen.
 
Zudem steht die technische Entwicklung der Stoffe wesentlich mehr im Fokus als in der Modeindustrie um sicherzustellen, dass sowohl die Materialperformance als auch chemische Eigenschaften dem Anforderungsprofil des Produktes entsprechen. Allein dafür ist eine genaue Kenntnis der Lieferkette und der erforderlichen Prozesse von herausragender Bedeutung. Die Stoffentwickler sind daher stark in die einzelnen Prozesse von Gewebekonstruktion bis zu Färbeprozessen und Ausrüstungsapplikationen eingebunden. Es findet – anders als in der schnelllebigen Modeindustrie – eine detaillierte Auseinandersetzung mit den verwendeten Materialien statt, was wiederum die Auswahl nachhaltigerer Optionen begünstigt.
 
Nachhaltigkeit als Innovationsmotor
Auch wenn im Laden ein reger Wettbewerb der Marken herrscht, einen positiven Einfluss auf Arbeitsbedingungen und Umweltschutz erzielt die Branche gemeinsam am besten. © GlobetrotterNachhaltigkeit ist nach dem Verständnis der Outdoor-Industrie ein Anliegen, das alle betrifft und bei dem an einem Strang gezogen wird. So haben sich die meisten der europäischen Outdoor-Unternehmen der Fair Wear Foundation (FWF) als eine der striktesten und gleichzeitig glaubwürdigsten Non-Profit-Organisationen angeschlossen, um für nachhaltige, faire und sichere Arbeitsbedingungen einzustehen. Dieser Teamgeist macht Sinn, denn die meisten Lieferanten produzieren Aufträge diverser Outdoor-, Sport- oder Modeunternehmen unter einem Dach. Um gemeinsam mit den Produktionsbetrieben positiven Einfluss auf die Arbeitsbedingungen zu nehmen, ist es vorteilhaft, die gleichen Verhaltenskodizes/Standards zu verfolgen, gemeinsame Sozialaudits zu beauftragen und ebenfalls gemeinsam an den Verbesserungsmaßnahmen zu arbeiten. Mit dieser Herangehensweise werden Doppelauditierungen vermieden und das Risiko unterschiedlicher Zielsetzungen minimiert. Darüber hinaus bemüht sich die Branche, die Hersteller bei der Erreichung der Nachhaltigkeitsziele aktiv zu unterstützen. Eine enge Zusammenarbeit ist dabei ebenso wichtig für die Produktionsbetriebe wie die in der Outdoor-Industrie üblichen, langfristigen Lieferantenbeziehungen. Nur dann besteht eine Einflussmöglichkeit die Arbeitsbedingungen in den Fabriken zu verbessern.
 
Wettbewerb mit Fairplay und Teamgeist
Selbstverständlich beeinträchtigt die in einigen Bereichen gemeinsame Vorgehensweise nicht den Wettbewerb zwischen den Markenunternehmen. Dennoch wird die Auffassung vertreten, dass die Unterstützung sozialer Arbeitsbedingungen nicht Teil der Wettbewerbsfähigkeit sein sollte, sondern Grundvoraussetzung für die Zusammenarbeit mit einem Lieferanten. Anders sieht es bei der Entwicklung nachhaltiger Materialkonzepte aus. Hier herrscht reger Wettbewerb zwischen den Unternehmen, um sich mit möglichst nachhaltigen Ideen von anderen abzusetzen. Nachhaltigkeitsaspekte sind mittlerweile zu einem Innovationsmotor geworden.
 
Wann ist ein Produkt nachhaltig? Eine Frage der ­Definition und Ansicht
In Sachen Nachhaltigkeit sind, je nach Ansicht und Definition, die Erwartungen verschiedener Menschen ebenso unterschiedlich wie die ­Lösungsansätze der Hersteller. © PPR, Mammut, Andy McCandlishDie Textilindustrie stand in den letzten Jahren immer wieder in der Kritik, nicht verantwortungsvoll zu handeln. Das ist eine echte Herausforderung, da die Lieferkette komplex ist und nur selten Klarheit darüber besteht, wo die einzelnen Komponenten eines Produkts hergestellt werden. Unternehmen der Modeindustrie beziehen ihre Produkte häufig im Vollkauf, was bedeutet: Sie kaufen von einem Agenten ein fertiges Bekleidungsteil ein, von dem sie zwar noch wissen, welcher Lieferant es genäht hat, nicht aber, woher die Stoffe, Reißverschlüsse und Knöpfe stammen oder wo die einzelnen Komponenten gefärbt, gewaschen und ausgerüstet wurden. Es ist somit schwer, ein komplexes Produkt wie ein Bekleidungsteil nachhaltig zu gestalten. Nicht nur weil die Lieferkette so divers ist, sondern auch weil es in Bezug auf Nachhaltigkeit viele verschiedene „Glaubensrichtungen" gibt, die oft nicht zu vereinbaren sind. Häufig hört man dagegen: „Was soll so schwer an nachhaltiger Kleidung sein, nachhaltigen Kaffee gibt es schon lange an jeder Ecke." Doch Aufgrund der unterschiedlichen Komplexität ist es aus unserer Sicht nicht möglich, ein Kleidungsstück mit einem einfachen Agrarprodukt wie Kaffee zu vergleichen. Echte Nachhaltigkeit in der Bekleidungsindustrie ist vieldimensional und kann bei verschiedenen Menschen mit verschiedenen Schwerpunktthemen komplett unterschiedliche Erwartungen hervorrufen.
 
Ein Beispiel: Bei nachhaltigem Kaffee wird darauf geachtet, dass die Bohnen nicht genetisch manipuliert sind, der Kaffee ökologisch angebaut wird und die Bauern faire Löhne bzw. einen fairen Preis für ihr Produkt erhalten. Bei besonderer Aufmerksamkeit kann noch auf nachhaltigen Transport, die energiesparende Röstung oder eine umweltfreundliche Verpackung geachtet werden, allerdings ist das bereits bei den meisten nachhaltigen Kaffees nicht mehr Teil des Anforderungsprofils. Ein nachhaltiges Bekleidungsstück – beispielsweise eine Outdoor-Jacke – besteht schnell aus 20 und mehr Einzelkomponenten. Jedes Teil hat eine eigene Lieferkette, die aus 3 bis 5 Stufen besteht und jeweils sowohl sozialen Aspekten als auch ökologischen Anforderungen entsprechen muss, um nachhaltig zu sein. Daneben kann es durch unterschiedliche persönliche Schwerpunkte in der Definition von Nachhaltigkeit zu signifikanten Wahrnehmungsunterschieden kommen:
  • Eine Person, die Naturfasern Chemiefasern vorzieht, lehnt eine Jacke mit Kunstfasern eventuell komplett ab, obwohl sie von der Langlebigkeit und der Pflegeintensität eindeutig bessere Werte aufweist.
  • Eine Person, für die der Schutz von Gewässern und Agrarflächen höchste Priorität hat, wird vermutlich Baumwolle (egal ob ökologisch oder nicht) als nicht akzeptabel empfinden, weil beim Anbau in den trockensten Gebieten der Welt wertvolles Süßwasser eingesetzt wird.
  • Ein Veganer dagegen lehnt eine Jacke mit Daunenfüllung ab, weil anstelle einer Kunstfaserfüllung Daunen von Gänsen verarbeitet wurden. Und das, obwohl Daunen allgemein als äußerst nachhaltig gelten, weil sie ein Naturprodukt sind, das bei der Lebensmittelproduktion als Abfall anfällt. Auch wird der Veganer eine Jacke aus Polyester dem Wollmantel vorziehen.
Die Liste ließe sich unendlich weiterführen…
 
Ein Blick hinter die Kulissen
Als Unternehmen muss man sich immer ehrgeizige Ziele setzen. Wir sind besonders stolz auf unsere Texapore Ecosphere-Linie. Hier ist es gelungen, wasserdichte Jacken herzustellen, die ausschließlich aus recycelten Materialien hergestellt werden. Die Membrane der Jacken besteht beispielsweise aus sogenanntem Pre-Consumer-Waste, also aus Produktionsabfällen, die bei der Herstellung der Membrane angefallen sind. Durch lange Tüftelei, die wir zusammen mit unserem Lieferanten vorangetrieben haben, ist es uns gelungen, eine recycelte Membrane herzustellen, die in ihren Leistungseigenschaften einer herkömmlichen Membrane in Nichts nachsteht. Diese innovative Membrane haben wir mit recycelten Ober- und Futterstoffen aus Post-Consumer-Waste, also alten Plastikflaschen sowie mit recycelten Trimmings und Füllmaterialien kombiniert und damit ein nachhaltiges und innovatives Produkt entwickelt, das selbstverständlich auch mit einer PFC-freien, wasserabweisenden Außenbeschichtung auskommt und dabei dennoch höchsten Wetterschutz garantiert. Das sind Highlights im Leben einer CSR Managerin, doch im Grunde sind es die vielen kleinen Dinge, die eine konsequente Nachhaltigkeitsstrategie ausmachen und die ein Unternehmen letztlich glaubwürdig machen. Aus der Nähe betrachtet, sind das bei uns der ausschließliche Einsatz von Bio-Baumwolle, der Verzicht auf PVC, Phthalate etc., die Einhaltung von Schadstoffanforderungen für Produkte und Produktionsschritte, die Zertifizierungen einzelner Produkte wie Daunen oder recycelte Materialien, der schrittweise Ausschluss von PFCs, die Umsetzung von Sozialstandards in Zusammenhang mit externer Verifizierung durch eine Multi-Stakeholder-Organisation und vieles mehr. Alle Aktivitäten sind kleine Bestandteile eines großen Konzepts. Nur als Ganzes betrachtet, ergeben die vielen Einzelmaßnahmen in ihrem Zusammenspiel Sinn und zeichnen die Nachhaltigkeitsstrategie von verantwortungsbewussten Unternehmen aus. Es gilt einfach jeden Tag ein bisschen besser zu werden.
 
Von Melanie Kuntnawitz
 
Dies ist ein überarbeiteter Auszug aus dem Fachbuch „CSR und Fashion. Nachhaltiges Management in der Bekleidungs- und Textilbranche" von Peter Heinrich, erschienen im Springer Gabler Verlag.
 
Melanie Kuntnawitz studierte an der Hochschule Reutlingen Textiltechnologie/ Textilmanagement und startete ihre Karriere in der Qualitätssicherung eines weltweit agierenden Modekonzerns. 2008 wechselte sie zu Jack Wolfskin und baute dort den Bereich Corporate Responsibility federführend auf. Seither beschäftigt sie sich mit ökologischen und sozialen Nachhaltigkeitsthemen in der textilen Lieferkette und ist in diversen Organisationen und Multi Stakeholder-Gremien aktiv.

Lifestyle | Mode & Kosmetik, 01.06.2019
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2019 - Afrika – Kontinent der Entscheidung erschienen.
     
        
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