Die Solarguerilla

Strom vom Balkon und Eis für den Mojito

Im letzten Sommer gab es Sonnenenergie im Überfluss: Die Besitzer von Photovoltaik-Anlagen konnten sich die Hände reiben und auch dieses Jahr hat die Sonne schon wieder jede Menge Energie vom Himmel geliefert. Doch was kann ein Mieter tun, der keine eigenen Dachflächen zur Verfügung hat? Bisher nichts! Doch neue Balkonanlagen und eine geänderte Rechtslage geben jetzt auch Mietern die Chance für ein Minikraftwerk auf dem Balkon. Das macht Spaß und es lohnt sich.
 
 
Egal ob als Vordach über dem Hauseingang, senkrecht montiert auf dem Balkon oder am Balkongeländer: Jedes zur Sonne gerichtete Photovoltaikmodul hilft Ihnen bei der Sonnenernte. © indielux
Auch der Sommer 2019 verspricht Hitzerekorde. Was gibt es da Schöneres, als ein Bier aus dem Kühlschrank oder einen coolen Drink mit Eis auf der Terrasse oder dem Balkon. Und noch schöner ist es, wenn man als Mieter den dafür benötigten Strom selber produzieren kann.
 
Und das ist ganz einfach. Man kauft sich ein Solarpaneel, verbindet es mit einem Wechselrichter und steckt diesen an die Steckdose. Schon fließt der Strom in die eigene Wohnung. Doch die Frage ist nicht nur, wohin mit den Photovoltaik-Paneelen? Auch die Energieversorger und der Gesetzgeber hatten bisher einen Riegel bzw. umständliche Installations- und Anmeldeprozeduren vor das eigene Minikraftwerk auf Balkon oder Terrasse geschoben. Das ist nun vorbei.
 
Echte Stromguerilleros haben zwar schon immer die Sonne angezapft und den Ertrag in ihre Steckdose geleitet, doch nun ist es nach langem Kampf durchgesetzt: Ein Minikraftwerk bis 600 Watt kann legal und ganz einfach selber angeschlossen, angemeldet und betrieben werden. (Siehe den Beitrag Brüder zur Freiheit zur Sonne). Doch bevor Sie sich nun gleich eine Anlage besorgen, geben wir Ihnen eine kleine Einführung ins Thema.
 
Das Mini-Kraftwerk für die Wohnung
Mit der eigenen Guerillaanlage lernen Sie viel über Ihren Strom­verbrauch und Ihr Verbrauchsverhalten. © Energieagentur Kreis KonstanzWer in seiner Wohnung in Eigenregie Strom produzieren will, braucht dafür nicht viel an Technik und Ausstattung: Ein Solarpaneel und ein Wechselrichter genügen. Das Solarpaneel – auch Photovoltaik-Modul (PV) genannt – erzeugt zunächst Gleichstrom. Das ist Strom, so wie Sie ihn z.B. von Ihrer Autobatterie kennen. Für die Nutzung der allermeisten Haushaltsgeräte benötigt man jedoch 230 V Wechselstrom.
 
Diese Umwandlung auf 230 Volt für den Verbrauch in der Wohnung besorgt der Wechselrichter, der den Wechselstrom dann auch einfach über eine Steckdose in das Hausnetz einspeisen kann. Und schon steht diese Energie für den Betrieb Ihrer Haushaltsgeräte wie Kühlschrank, Telefon, Musikanlage, Kaffeemaschine, Licht, TV etc. zur Verfügung.
 
Wie wirkt sich eine Kleinanlage auf Ihren Stromverbrauch aus?
Die Stromerzeugung oder genauer die Leistung aus PV ist von der Modulgröße abhängig und schwankt mit der Sonneneinstrahlung. Maximal dürfen auf die beschriebene Art und Weise 600 Watt eingespeist werden. Viele Verbraucher, wie z.B. ein Wasserkocher oder ein Föhn, haben eine höhere Stromaufnahme als die Anlage gerade liefert. Daher ist zusätzliche Energie nötig, mit der die fehlende Leistung ausgeglichen werden kann. Dieser Strom wird vom Stromnetz Ihres Energieversorgers immer in der benötigten Menge ergänzt. Es entsteht also ein Energiemix aus eigenproduzierter Sonnenenergie und dem Netzstrom des Versorgungsunternehmens. Natürlich werden Sie sagen: „Gerne möchte ich doch so viel Strom wie möglich selber produzieren und kaufe einfach noch mehr Platten". Dagegen spricht jedoch nicht nur, dass bei Wohnungen meist nicht genügend Fläche zur Modulmontage zur Verfügung steht, sondern auch die bereits erwähnten gesetzlichen Regelungen, mit denen diese Anlagen auf 600 W begrenzt werden. Die Begründung des Gesetzgebers: Wenn Klein-und Balkonanlagen ans Netz angeschlossen werden, darf die eingespeiste Strommenge nicht die Netze der Versorgungsunternehmen stören.
 
Schutz vor Gefahr oder nur Schutz des Energiemonopols der Lieferanten?
Eine Mini-PV-Anlage stellt für den Netzbetreiber allerdings – wenn überhaupt – lediglich eine Störung in seiner Abrechnung dar, denn er verkauft weniger Strom. Und wenn sie beispielsweise nicht zu Hause sind, wird auch schon von einer kleinen Anlage mit ca. 300 W mehr Energie erzeugt, als im Haushalt verbraucht wird (z.B. vom Kühlschrank und Stand-by-Geräten). In diesem Fall speist die PV die Leistung in das Versorgungsnetz ein und der Stromzähler läuft rückwärts. Die Energieversorger müssen dies noch nicht akzeptieren und können zu ihrem Abrechnungsschutz einen Zähler mit Rücklaufsperre fordern. Aber seit April 2019 müssen sie auf alle Fälle ihren Kunden Mini-PVs im vereinfachten Anmeldeverfahren erlauben. Nach eigener Recherche und Erfahrungen anderer Mini- PV-Betreiber sind oft schon vorbereitete Regularien zur Anzeige auf deren Webseiten zu finden. Die Lechwerke beispielsweise haben eine komplette Internetseite zur Anmeldung geschaltet und erwarten demzufolge regen Gebrauch der neuen Technik. Manchmal reicht sogar schon ein Telefonanruf.
 
Die Strombilanz und Ihre Anschaffungskosten
Der eigenerzeugte und eingespeiste Strom aus Mini-PV-Anlagen wird im Gegensatz zu den großen EEG-Anlagen nicht abgerechnet oder bezuschusst. Die Energie der PV-Anlage reduziert einfach den vom Zähler erfassten Verbrauch, so dass dieser abzurechnende Wert und damit die Stromrechnung geringer ausfällt. Eine Rechnung soll Ihnen das verdeutlichen. Für eine komplette Anlage mit einer Nennleistung von 300 W werden derzeit Preise von 250-400 € verlangt. Die Bandbreite ergibt sich aus der Güte der verarbeiteten Komponenten, der unterschiedlichen Aufhängung und eventueller Mengenrabatte durch genossenschaftlichen Einkauf. Jetzt gilt es nur noch die Komponenten windsicher zu montieren und schon kann Ihre Mini-PV angemeldet werden und für Sie beginnt die Zeit der Ernte. Jede kWh, die von Ihrem Modul erzeugt und in Ihrem Haushalt auch gleich verbraucht wird, ist dem Versorger nicht zu bezahlen. Durchschnittlich sind das derzeit ca. 30 €ct/kWh. Doch wieviel Strom kann so eine kleine Anlage übers Jahr betrachtet liefern? Aus Erfahrung mit Anlagen, die nach dem EEG erstellt wurden, darf mit jährlich 1.000 h unter Nennleistung gerechnet werden. Für unsere angenommene Kleinanlage mit z.B. 300 W ergeben sich 300 kWh, die der Zähler am Jahresende weniger anzeigt. Ihre Stromrechnung wird also um ca. 100 € geringer ausfallen. Vorausgesetzt, die Photovoltaik-Module, mit denen die Sonnenenergie gesammelt wird, sind gut zur Sonne ausgerichtet.
 
Aufstellung und Ausrichtung für maximalen Ertrag
Ihr Balkon oder die Hausfassade wird in seltenen Fällen alle Bedingungen für die optimale Ausrichtung der Module zur Sonne erfüllen. Solche Bedingungen sind die großflächige – also senkrechte – Orientierung der Plattenoberfläche zum Sonnenhöchststand. Im Verlauf des Tages soll es auch keine Abschattung durch Bäume oder Bauwerke geben. Eine senkrechte Montage der PV-Platte an einem Südbalkon oder der Fassade stellt schon eine gute Standortwahl dar. Eine erste Optimierung ist eine schräge, zur Sonne geneigte Anbringung. Weiteres Optimierungspotenzial der Anlage tragen Sie als Nutzer selber bei. Wenn die Sonne scheint und damit viel solare Energie bereitsteht, sollten Verbraucher eingeschaltet werden. Für den Akku des Notebooks oder auch des E-Bikes bis hin zu Waschmaschine oder Boiler liefert die Sonne nun einen günstigen Zusatzenergiebeitrag. Ähnlich verhält es sich, wenn der Timer den Küchenherd aktiviert und ein vorbereiteter Auflauf oder Kuchen mit den Mittags-Energiespitzen fertiggebacken wird. Sicherlich wird Sie interessieren, wieviel Ihrer privat erzeugten Energie im Tages-, Wochen- und Jahresverlauf entstanden ist und eventuell auch, wieviel davon von Ihnen selber verbraucht wurde. Mit einem Energiemessgerät lässt sich bereits ein grober Überblick gewinnen. Manche Mini-PV-Anlagen verfügen sogar über Daten-Anschlüsse, die mit dem Computer ausgewertet werden können. Mit diesen Informationen können sie dann weitere Verbrauchsoptimierungen vornehmen. Neben dem rein monetären Nutzen lernen Sie viel über den Verbrauch Ihrer Geräte und Ihren privaten Energiemix. Auf alle Fälle verringern sie Ihren CO2-Anteil und durch die lokal erzeugte Energie werden die überregionalen Stromnetze entlastet. Worauf warten Sie also noch: „Let‘s Guerilla – kämpfen wir mit Kleinkraftwerken gemeinsam für einen nachhaltigeren Strom-Mix.
 
 
Stefan Huber hat Elektroniker gelernt und später technische Informatik als Dipl. Ing. abgeschlossen. Schon während seiner Jugendzeit bastelte er sich aus Dioden ein erstes Solarpaneel. Die Vorlesung „Ökologie und Umweltschutz" verstärkte seine Aufmerksamkeit zu Themen der Nachhaltigkeit. Heute arbeitet er in der Fahrzeugweiterentwicklung und steht in seiner Freizeit für eine Kultur des Reparierens und schonenden Umgang mit den Ressourcen.

Technik | Energie, 01.06.2019
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2019 - Afrika – Kontinent der Entscheidung erschienen.
     
        
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