Reformation zum Genug?

Kirchliches Netzwerk für Nachhaltigkeit jetzt mit Sitz in Lutherstadt Wittenberg

Katholisches Hilfswerk Misereor & Evangelische Akademie finanzieren neue Stelle
 
 
Was können wir Menschen tun, damit die Erde für Menschen bewohnbar bleibt? Welchen Beitrag können die christlichen Kirchen dabei leisten? Und welches Wissen brauchen sie dazu?
 
Plastic Pollution, India. © John CameronFür diese Fragen hat die Evangelische Akademie Sachsen-Anhalt eine neue Stelle eingerichtet: Die Politikwissenschaftlerin (M. A.) Constanze H. Latussek wird ab sofort von Wittenberg aus ein bundesweites, kirchliches Netzwerk koordinieren: den Ökumenischen Prozess "Umkehr zum Leben - den Wandel gestalten".
 
Finanziert wird die neue Stelle vom katholischen Bischöflichen Hilfswerk Misereor und der Evangelischen Akademie Sachsen-Anhalt. Dass die Stelle in Wittenberg, am Ursprungsort der Reformation angesiedelt ist, hält Akademiedirektor Friedrich Kramer für ein Zeichen der Hoffnung: "Um die Erde bewohnbar zu halten, brauchen wir einen grundlegenden Wandel - vielleicht sogar eine neue, eine ökumenisch-ökologische Reformation, eine planetare Reformation zum Genug."
 
Die Bedeutung dieser Fragen für die christlichen Kirchen unterstreicht Dr. Georg Stoll, der bei Misereor für Globale Zukunftsfragen zuständig ist: "Die Kehrseiten der Wohlstands- und Fortschrittsgeschichten der sogenannten entwickelten Länder sind inzwischen für alle sichtbar, die sehen wollen. Die Frage drängt sich auf: Wie wollen und können wir in unserem gemeinsamen Zuhause, auf diesem Planeten leben? Sie berührt die christlichen Kirchen im Innersten ihres Selbstverständnisses und ihres Auftrags. Deshalb ist die Arbeit dieses kirchlichen Netzwerks für Nachhaltigkeit so wichtig."
 
Begriff "Anthropozän": Das Zeitalter des Menschen
Da der Mensch als erste Art überhaupt dabei ist, die Erde unumkehrbar zu verändern, wird die aktuelle Epoche zunehmend auch als Anthropozän bezeichnet - das Zeitalter, das von Menschen gemacht wird. "Erdgeschichtlich könnte es ein sehr kurzes Zeitalter sein, denn der Mensch entzieht sich in atemberaubender Geschwindigkeit die eigenen Lebensgrundlagen wie saubere Atemluft, Trinkwasser oder überlebensfreundliches Klima," so Latussek.
 
Planetare Grenzen
Visuelle Darstellung der ökologischen Belastungsgrenzen 'planetary boundaries' nach Johan Rockström et al. 2009 © CC-BY-SA-4.0, Felix MüllerDer Mensch bedroht sein eigenes Überleben derzeit in neun Bereichen, so zum Beispiel durch die menschengemachte Klimaveränderung, die Überdüngung der Böden mit Stickstoff, die Versauerung der Meere oder das Aussterben von Arten wie zum Beispiel das Bienensterben. "Damit die Erde auch künftig bewohnbar bleibt, müssen wir globale Stoppschilder aufstellen. Wissenschaftler nennen diese Stoppschilder planetare Grenzen", beschreibt Latussek. Ein einfaches Ampelmodell (s. Abb.) zeige, wo die Menschheit gerade steht: "Rot bedeutet höchstes Risiko, grün steht für einen (noch) sicheren Handlungsraum." 
 
Große Transformation
Um die Erde auch im Anthropozän bewohnbar zu erhalten, braucht es eine "Große Transformation" - so die Forderung des Wissenschaftlichen Beirats der Bundesregierung Globale Umweltveränderungen (WBGU) aus dem Jahr 2011. Dabei kommen in den vergangenen Jahren die Kirchen wieder verstärkt ins Blickfeld von Wissenschaft und Politik. "Kirchen haben große Erfahrungen mit tiefgreifenden Transformationen", so Latussek. "Zudem bieten die Kirchen mit ihren Wertemodellen Gegenentwürfe zum Streben nach Wachstum und Status an. Wenn mir bewusst wird, dass mich ein großes Auto und ein volles Konto weniger glücklich machen, als anderen zu helfen und Teil einer Gemeinschaft zu sein, kann das ein Anfang sein. Wenn das immer mehr Menschen erleben, kann das vielleicht sogar eine gesellschaftliche Revolution auslösen. Hier bieten die Kirchen ein Riesenpotenzial an Geschichten, Traditionen und Ideen."
 
"Positive Kultur statt Untergangsszenarios und Gängelei" Dabei ist sie überzeugt, dass ein Umdenken nur über eine "positive Kultur der Nachhaltigkeit" gelingen kann. "Untergangs-Szenarios und Gängelei führen meines Erachtens zu Angst, Abwehr oder gar Resignation; sie sind keine guten Ratgeber. In unserem christlichen Glauben finden wir dagegen eine lebensbejahende, freudige Kraft für eine spirituelle Erneuerung und Umkehr."
 
Umkehr zum Leben - den Wandel gestalten
Doch wie schaffen wir Menschen eine solche Umkehr oder eben auch große Transformation, wie können Kirchen dabei mitgestalten und wie kann die Theologie dabei mithelfen? Um diese Frage zu klären, fördert und fordert der Ökumenische Prozess seit 2013 vor allem offene Such- und Konsultationsprozesse, erschließt Forschungsergebnisse und bringt Veröffentlichungen auf den Weg. Künftig sollen verstärkt auch konkrete Schritte der Umkehr und Transformation gesucht werden.
 
Kurzvorstellung: Constanze H. Latussek
Constanze H. LatussekDie gebürtige Leipzigerin studierte Politikwissenschaften mit Schwerpunkt Umwelt- und Internationale Politik in Berlin, Münster und Leeds und arbeitete als Journalistin und Chefredakteurin bei Zeitungen, Radio- und Multimedia-Formaten im In- und Ausland, u. a. im Deutschen Bundestag. Später war sie als Marketingdirektorin & Pressesprecherin der Sparkasse Leipzig tätig. Mit ihrer 2011 gegründeten PR-Agentur Korax Kommunikation betreut sie gemeinnützige Kunden wie z. B. Diakonische Werke und Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe, aber auch Dax-Konzerne. Als Koordinatorin und Sprecherin des Ökumenischen Pilgerwegs für Klimagerechtigkeit (Bonn-Katowice) war sie bereits für die Organisation, Vernetzung und Öffentlichkeitsarbeit eines großen länderübergreifenden ökumenischen Projektes zuständig. Auch privat spielen für die Mutter von zwei Kindern Nachhaltigkeit, Umweltpolitik und christliches Engagement eine elementare Rolle. So hat sie eine Bürgerinitiative für umweltfreundliche Mobilität mitgegründet, autofreie Aktionstage durchgeführt, engagiert sich ehrenamtlich in ihrer Heimatgemeinde und hat das Leipziger "Südcafé" für Geflüchtete mitgegründet. Beim Ökumenischen Prozess reizt sie die Suche nach konkreten Schritten der Umkehr. 
 
Der Ökumenische Prozess "Aufbruch zum Leben - den Wandel gestalten"
Welchen Beitrag können kirchliche Akteure, lokal oder national, zur Gestaltung einer nachhaltigen, sozial gerechten und klimagerechten Wirtschaft leisten? Wie können sie zu relevanten Akteuren des Wandels werden? Auf welchen Wegen können Gemeinden zu einer "Ethik des Genug" finden? Diesen und ähnlichen Fragen widmet sich seit 2013 der bundesweite Ökumenische Prozess "Umkehr zum Leben - den Wandel gestalten", getragen von aktuell 25 kirchlichen Trägern wie Landeskirchen, dem Bischöflichen Hilfswerk Misereor, Brot für die Welt, Bistümern, Akademien, Diensten, Vereinen, Instituten und Stiftungen (Stand 7/2019). Aktuelle Sprecher des Prozesses sind Christoph Fuhrbach (Bistum Speyer) und Christine Gühne (Brot für die Welt). Mehr Informationen, Publikationen und Kampagnenmaterial unter www.umkehr-zum-leben.de
 
Kontakt: Constanze H. Latussek, Ev. Akademie Sachsen-Anhalt e.V.
latussek@ev-akademie-wittenberg.de | www.umkehr-zum-leben.de

Umwelt | Klima, 15.08.2019

     
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