Labor statt Wal-Darm
Duftstoff Ambrein erstmals natürlich erzeugt
ForscherInnen des Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) und der Technischen Universität Graz haben zusammen mit Firmenpartner ACS International den Duftstoff Ambrein erstmals biosynthetisch hergestellt. Ambrein kommt im weltweit seltensten und teuersten tierischen Duftstoff namens Ambra vor, der im Verdauungstrakt von Pottwalen gebildet wird. Der neue Prozess könnte herkömmliche, umweltschädliche und ineffizientere Synthesewege ersetzen und zukünftig eine umweltfreundliche Kehrtwende in der Parfumherstellung einleiten.
Ambra – auch Amber, Ambrox oder Ambergris genannt – gilt als seltenster und teuerster tierischer Duftstoff; je nach Qualität bis zu 50.000€ pro kg. Aufgrund seines besonderen, als aphrodisierend, holzig und balsamisch beschriebenen Aromas und der Fähigkeit, Düfte länger haltbar zu machen, wird er von der Parfumindustrie heiß begehrt. „Als Hauptquelle von Ambra dient Ambrein.
Dieser Triterpenalkohol wird als Stoffwechselprodukt im Darm von weniger als fünf Prozent der Pottwale gebildet", erklärt Harald Pichler, acib-Forscher und Professor am Institut für Molekulare Biotechnologie an der TU Graz.
Diese meist graue, wachsähnliche Substanz gelangt vermutlich durch Erbrechen aus den „Untiefen" der Säugetiere ins Meer, wo sie nicht selten Jahrzehnte treibt, bevor sie als Strandgut an Land gespült wird. Erst durch den Kontakt mit Salzwasser, Sonnenlicht und Luft entstehen aus Ambrein durch Oxidation die Geruchsstoffe Ambrox und Ambrinol, die für den ausgewogenen Duft verantwortlich sind. Aufgrund der natürlichen Limitierung von Ambra, der hohen industriellen Nachfrage und dem Washingtoner Artenschutzabkommen (WA), das Handel mit Pottwalprodukten verbietet, wird Ambra seit den späten 1930er Jahren synthetisch erzeugt.
Bisherige Synthese ineffizient, teuer und umweltschädlich
Die meisten chemischen Synthesewege verwenden aus Pflanzen gewonnene Diterpenoide als Ausgangsstoffe, wie etwa Sclareol aus S. sclarea, auch Muskatellersalbei genannt. Diese Methode hat zwei Nachteile: Zum einen ist die korrekte Synthese dieser komplexen Moleküle bisher äußerst teuer und aufwändig. „Viele einzelne, aufwändige Maßnahmen sind notwendig, um lediglich ca. 4% Ausbeute zu erzielen. Außerdem benötigen die meisten Produktionsschritte den umstrittenen Einsatz umweltschädlicher Chemikalien und hohe Umsetzungstemperaturen sowie -drücke", erklärt Sandra Moser, die in ihrer Dissertation an dem Thema forscht. Zum anderen fehlt dem synthetischen Duft die natürliche, komplexe und reichhaltige Duftmischung – weshalb in qualitativ hochwertigen Parfums nicht selten nach wie vor auf natürlichen Ambra zurückgegriffen wird.
Natürlich effizient
Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) hat in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität Graz und Industriepartner ACS International erstmals einen zur Gänze natürlichen Biosyntheseweg entwickelt, welcher der herkömmlichen, industriellen Herstellung eine Nasenlänge voraus ist: „Wir haben einen Weg gefunden, Ambrein, den natürlichen Vorläuferstoff von Ambra, biosynthetisch durch einen neuen Stoffwechselweg in der Hefe Pichia pastorisherzustellen. Das bedeutet, dass wir zum ersten Mal das gesamte Duftspektrum, wie es auch im Pottwal natürlich vorkommt, auf biosynthetischem Wege abbilden können", so Pichler. Und das preisgünstig, in bisher ungeahnter Qualität und in größeren Mengen: „Wir können aus einer einfachen Kohlenstoffquelle wie Glycerol oder Zucker mithilfe eines optimierten Enzyms eine siebenfach höhere Ausbeute erzielen, verglichen mit bisherigen enzymatischen Prozessen", freut sich Moser.
Die zum Patent angemeldete Innovation wird in nächster Zukunft auf Industriegröße und damit Marktrelevanz gebracht. Wann es soweit ist, lässt sich noch nicht abschätzen. Wenn es jedoch soweit ist, besäße der Prozess das Potenzial, eine umweltfreundliche Kehrtwende in der weltweiten Parfumherstellung einzuleiten und sogar Alltagsprodukten "olfaktorische Komplexizität" zu verleihen.
Über acib
Das Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) entwickelt neue, umweltfreundlichere und ökonomischere Prozesse für die Industrie (Biotech, Chemie, Pharma) und verwendet dafür die Methoden der Natur als Vorbild und die Werkzeuge der Natur als Hilfsmittel. Das acib, eine Non-Profit-Organisation, ist ein internationales Forschungszentrum für industrielle Biotechnologie mit Standorten in Graz, Innsbruck, Tulln, Wien (A), Bielefeld, Heidelberg und Hamburg (D) sowie Pavia (I), Canterbury (AUS), Neuseeland (NZL) und Taiwan und versteht sich als Partnerschaft von 150+ Universitäten und Unternehmen. Darunter bekannte Namen wie BASF, DSM, Sandoz, Boehringer Ingelheim RCV, Jungbunzlauer oder VTU Technology.
Am acib forschen und arbeiten derzeit 250+ Beschäftigte an mehr als 175 Forschungsprojekten.
Eigentümer des acib sind die Universitäten Innsbruck und Graz, die TU Graz, die Universität für Bodenkultur Wien sowie Joanneum Research. Gefördert wird das K2-Zentrum im Rahmen von COMET – Competence Centers for Excellent Technologies durch das BMVIT, BMWFW sowie die Länder Steiermark, Wien, Niederösterreich und Tirol. Das COMET-Programm wird durch die FFG abgewickelt.
Kontakt:
Martin Walpot, Austrian Centre of Industrial Biotechnology (acib) | martinwalpot@acib.at | www.acib.at
Technik | Wissenschaft & Forschung, 19.08.2019
Pioniere der Hoffnung
forum 01/2025 ist erschienen
- Bodendegradation
- ESG-Ratings
- Nachhaltige Awards
- Next-Gen Materialien
Kaufen...
Abonnieren...
22
DEZ
2024
DEZ
2024
Ein leuchtendes Zeichen für Demokratie und Gemeinschaft
Tollwood Winterfestival unter dem Motto "Wir braucht Dich!", bis 23. Dezember
80336 München
Tollwood Winterfestival unter dem Motto "Wir braucht Dich!", bis 23. Dezember
80336 München
03
JAN
2025
JAN
2025
48. Naturschutztage am Bodensee
Vorträge, Diskussionen, Exkursionen mit Fokus: Arten-, Klima- und Naturschutz
78315 Radolfzell
Vorträge, Diskussionen, Exkursionen mit Fokus: Arten-, Klima- und Naturschutz
78315 Radolfzell
17
JAN
2025
JAN
2025
Systemische Aufstellungen von Familienunternehmen und Unternehmerfamilien
Constellations machen Dynamiken sichtbar - Ticketrabatt für forum-Leser*innen!
online
Constellations machen Dynamiken sichtbar - Ticketrabatt für forum-Leser*innen!
online
Professionelle Klimabilanz, einfach selbst gemacht
Einfache Klimabilanzierung und glaubhafte Nachhaltigkeitskommunikation gemäß GHG-Protocol
Politik
Ohne Vertrauen ist alles nichtsChristoph Quarch wirft einen besorgten Blick auf den Zustand der politischen Kultur
Jetzt auf forum:
Fotoausstellung Klimagerecht leben
Ohne Vertrauen ist alles nichts
The Custodian Plastic Race 2025
Hacker vs. Host: Wie man Angreifer überlistet
Auf der Überholspur: Förderpolitik hat E-Busse wettbewerbsfähig gemacht.
TARGOBANK spendet 200.000 Euro für Herzensprojekte von Mitarbeitenden