BIOFACH 2025

Kaderschmieden aus Sicht der Personalabteilungen

Die Personalentscheider der Deutschland AG hatten lange die Qual der Wahl. Besonders nach dem Platzen der Internetblase am Neuen Markt suchten viele Bewerber Anstellungen bei Großkonzernen. Zwischenzeitlich ist der Kampf um die Besten durch die sich abzeichnende demographische Entwicklung jedoch wieder voll entbrannt. Es studieren zwar immer mehr junge Menschen in Deutschland: Die Zahl der Erstsemester stieg laut Angaben des Statistischen Budesamtes um vier Prozent auf 358.200 StudienanfängerInnen in 2007. Der Peak an Studierenden dürfte aber nach dem jüngsten Report der Hochschulrektorenkonferenz HRK bereits 2015 erreicht sein. Besonders spannend wird deshalb für die Recruiter der Bologna-Prozess werden, der entscheiden wird, welche Universitäten bis 2011 im dann gemeinsamen europäischen Hochschulraum das Rennen machen werden. Aus diesem Grund befragte die Redaktion Personalentscheider nach den bevorzugten Universitäten für die Anwerbung von Absolventen.

Privatuniversitäten schnitten am besten ab
Am besten wurden von der Mehrheit der befragten Chefrecruiter Absolventen von Privathochschulen bewertet. Das erstaunt nicht, denn die Studienbedingungen an den Privatuniversitäten sind im Vergleich zur staatlichen Mangelwirtschaft nahezu paradisisch. Erkauft werden die besseren Chancen allerdings durch hohe Studiengebühren quasi als Wechsel auf die Zukunft. Wer also seinen Abschluss in Wirtschaftswissenschaften an der WHU Otto Beisheim School of Management in Vallendar, der European Business School Östrich-Winkel beziehungsweise Handelshochschule Leipzig oder Europäischen Wirtschaftshochschule Berlin erwirbt, hat nach dem Diplom beinahe eine Jobgarantie. Einen sehr guten Ruf in Jura hat sich die Bucerius Law School erarbeitet und die Recuriter von Bankhäusern nannten besonders häufig die Frankfurt Finance School als Quelle für den TOP-Nachwuchs.

Entscheidend für die Eliteabsolventen spricht aus Sicht der Personaler, dass sie mit Auslands- und Praxiserfahrung, meist hervorragenden Noten und zügigem Studienabschluss glänzen. Hinter vorgehaltener Hand wurde uns von einigen Personalern, die in diesem Kontext nicht genannt werden wollen, allerdings verraten, dass viele Eliteabsolventen einen Job in der Industrie oftmals nur übergangsweise anstreben, wenn es ihnen nicht sofort gelingt, bei Beratungshäusern oder im Investmentbanking anzuheuern.

Zu Höherem berufen

Etliche ambitionierte Kandidaten von Privatuniversitäten fühlen sich schon beim Eintritt in die Firma zu Höherem als künftiger Strategie- oder M&A Beauftragter berufen und streben deshalb ungern eine Position in der Linie an. Nicht ohne Grund muss darum der Kadernachwuchs während des Trainee-Programmes in vielen Unternehmen Linienstationen durchlaufen. "Bei uns im Small-Ticket-Leasing Geschäft ist es nötig, dass man Vertriebserfahrung sammelt und draussen an der Kundenfront ist". "Darum sind uns Bewerber /innen von staatlichen Universitäten oft lieber", bekundet eine Personalerin vom Finanzierungsarm eines Elektrokonzerns freimütig.

Eliteuniversitäten holen auf

Kandidaten mit sozial- und wirtschaftwissen-schaftlichem Backround der Universität Mannheim, Köln oder der Ludwig Maximilians Universität München haben daher bei vielen der von uns befragten Unternehmen gute Karten. Besonders in den Ingenieurdisziplinen behaupteten sich die staatlichen Eliteuniversitäten, wie die Rheinisch Westphälische Hochschule, die Technische Universität München sowie die Technische Hochschule Karlsruhe in der Spitzengruppe.
Häufig genannt wurden als technische Alma Mater ersten Ranges jedoch auch kleine feine Kaderschmieden wie die Universität Clausthal Zellerfeld, die Technische Hochschule Braunschweig, die Technische Hochschule Ilmenau sowie die Bergakademie Freiberg, hier gerade im Fach Wirtschaftsingenieurwesen.
Bei den Pharmazeuten und im Fach Chemie punkteten als Ausbildungsstätten besonders Heidelberg und Darmstadt. Bei den Medizinern traten als Lieblingsuniversitäten der Recruiter Berlin, Heidelberg und die Privatuniversität Witten-Herdecke hervor. In den geisteswissenschaftlichen Fächern sowie in Jura ragten die Universitäten Bonn, Freiburg, Göttingen, Regensburg und Passau besonders heraus. Sehr gut im Rennen lagen auch die Fachhochschulen von Berlin, Köln, Pforzheim, München, Reutlingen und Wiesbaden.

Berufintegrierte Studiengänge und Förderprogramme nehmen zu
Immer mehr Personaler gehen jedoch eigene Wege und initiieren berufsintegrierte Studiengänge mit einer Hochschule ihrer Wahl. Dabei arbeitet der künftige Führungsnachwuchs bereits während der Semesterferien in Projekten als Werkstudent in der Zentrale oder in einer Auslandniederlassung mit. Hervorzuheben sind hier die Initiativen eines Münchner Elektrokonzerns, der mit den Universitäten Bamberg und Nürnberg-Erlangen sowie der FH Ingolstadt kooperiert oder die deutsche Tochter einer italienischen Großbank, die ein maßgeschneidertes Programm mit der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt auflegt. Ausserdem kooperieren viele Finanzhäuser mit der Frankfurt Finance School, an der während dem Bachelorstudium zeitgleich eine Banklehre absolviert werden kann. Gleiches gilt für die Hochschule der Sparkassengruppe in Bonn.
Stark gefragt ist auch das Angebot der "European School of Management und Technology" zur Profilabrundung von "Young Professionals" und "Junior-Executives" genauso wie INSEAD oder die IMD Lausanne.

Auslandsuniversitäten im Focus

Was das deutschsprachige Ausland betrifft, so bevorzugen Personaler besonders im Fach Wirtschaftswissenschaften Kandidaten von der Handelshochschule St. Gallen und der Wirtschaftsuniversität Wien. Bei den Ingenieuren erzielte die Eidgenössische Technische Hochschule eine Spitzenposition.

All Recruiting is local

Bemerkenswert an unserer Befragung ist, dass viele Unternehmen, Hochschulen aus der Region bevorzugen, wie beispielsweise ein Energiekonzern die Universitäten Dortmund und Wuppertal, die oftmals keinen der vordersten Plätze weder im Shanghai Ranking noch im CHE-Hochschulranking belegen.

Career-Services als Pluspunkt

Befragt, was Personaler neben exzellenter Lehre ebenfalls als hoch einschätzen, wurde vor allem der Punkt "Career-Services" genannt. Hochschulen, die Dienstleistungen rund um den Berufseinstieg für Absolventen, die Betreuung von Praktika oder die Weiterbildungsangebote für Unternehmen bieten, hatten damit klar die Nase vorn.


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Quelle:
Wirtschaft | Führung & Personal, 03.01.2008

     
        
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