Ein klimaneutrales Ministerium?
Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) zeigt den Weg für verantwortliches Regierungshandeln
Groß waren Kritik und Enttäuschung, als die Bundesregierung im September letzten Jahres ihr Klimapaket der Öffentlichkeit vorstellte. Es war ein Dokument des Zauderns und Zögerns, des Kompromisses auf kleinstmöglicher Basis. Jetzt überrascht ein Teil derselben Bundesregierung – das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) – mit der Veröffentlichung eines Berichts, der die Grundlagen, den Prozess und die Ziele der eigenen Klimaneutralität dokumentiert. Bereits mit Datum 28.10.2019 erklärt sich das BMZ darin als klimaneutral. Mit Skepsis, die dieser Bundesregierung gegenüber in Sachen Klimaschutz angebracht ist, liest man den Bericht – und kommt aus dem Staunen nicht heraus.
Mit dem Bericht wird ein Benchmark zur Erlangung der Klimaneutralität vorgelegt, hinter den andere Bundesministerien, oberste oder nachgeordnete Bundesbehörden, Beteiligungsgesellschaften des Bundes und letztlich auch die vielen über Zuwendungen des Bundes geförderten Organisationen nicht mehr zurückfallen können. Ein kleiner Überraschungscoup ist dem BMZ am Rande auch noch gelungen, denn es ist nicht das SPD-geführte Bundesumweltministerium, das als erstes Ministerium Klimaneutralität erreicht und den anderen zeigt, wie es geht. Nein, es ist das CSU-geführte BMZ!
Prozess "Klimaneutrale Bundesverwaltung 2030" mit Paukenschlag eröffnet
Wer den Bericht gelesen hat, fragt sich sofort: Wieso eigentlich erst 2030? Wenn doch ein Ministerium vorführt, dass es möglich ist, Klimaneutralität bereits 2020 zu erreichen: unter konsequenter Anwendung der Regelungen des Greenhouse-Gas-Protokoll (GHG), mit größtmöglicher Transparenz und präzisen, überprüfbaren Indikatoren.
Das BMZ übersetzt die fünf allgemeinen Kriterien des GHG-Protokolls für sich folgendermaßen:
- Relevanz: THG-Emissionsquellen, Daten und Methoden sind individuell auf das BMZ abgestimmt und spiegeln das BMZ realistisch wieder.
- Vollständigkeit: Alle (sic!) für das BMZ relevanten THG-Emissionen werden vollständig erhoben und berichtet.
- Konsistenz: Das BMZ legt geeignete Berechnungsmethoden fest, die eine Vergleichbarkeit der THG-bezogenen Emissionen ermöglichen.
- Genauigkeit: Systematische Unsicherheiten und Abweichungen werden auf ein praktikables Minimum reduziert.
- Transparenz: Das BMZ legt THG-bezogene Informationen offen.
Nun liegt die Frage nahe, wie das BMZ sich den Prozess denn vorstellt. Wie können die mit BMZ-Mitteln ausgestatteten Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit mit in die Betrachtung einbezogen werden – in vorderster Linie die für die Finanzielle Zusammenarbeit zuständige Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) und die für die Technische Zusammenarbeit zuständige Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ)?
THG-Emissionen im Kontext der Entwicklungszusammenarbeit
Auch hier gibt der Bericht eine überzeugende Antwort. Einerseits sind KfW und GIZ in ihrem Inlandsbetrieb bereits seit Jahren klimaneutral. Andererseits erzeugen aber die vielen Programme und Projekte beider Organisationen in den Partnerländern des BMZ in großem Maße THG-Emissionen. Wie lassen sich diese erfassen? Und wie soll und kann man mit den erfassten Emissionen umgehen?
Das BMZ hat entschieden, zunächst einen politischen Zielpfad zu wählen, mit dem gezeigt werden soll, wie mit Mitteln der deutschen Entwicklungszusammenarbeit „ein positiver Beitrag zum weltweiten Klimaschutz und zu den nationalen Klimazielen deutscher Partnerländer" geleistet wird. Übersetzt heißt dies, dass nachgewiesen werden soll, wie durch die durch deutsche Entwicklungszusammenarbeit (EZ) generierten THG-Emissionen und die Schaffung neuer THG-Senken eine positive THG-Bilanzierung erreicht werden kann. „Die Investitionen des BMZ sollen also zur Vermeidung und Minderung mindestens ebenso vieler THG beitragen, wie durch EZ-Vorhaben zusätzlich verursacht werden." (S. 61)
Dabei ist jedoch keine Verrechnung der positiven und negativen Klimawirkungen vorgesehen, und es wird auch keine Kompensation der Emissionen bzw. negativen Klimawirkungen geben, sondern die durch die EZ vermiedenen oder geminderten THG-Emissionen werden als Beiträge zu den nationalen Klimaprogrammen der Partnerländer verstanden. Gleichzeitig sind KfW und GIZ gehalten, die in ihren Programmen generierten Emissionen so präzise wie möglich zu erfassen und darzustellen. Das Stöhnen aus Frankfurt (KfW) und Eschborn/Bonn (GIZ) kann man bis nach Berlin hören. Hier liegt eine Mammutaufgabe vor beiden Organisationen, auch wenn die GIZ mit dem von ihr entwickelten Corporate Sustainability Handprint (CSH) bei der Erfassung der THG-Emissionen bereits relativ weit gekommen ist.
Klimaschutz soll auch bei Dienstreisen Priorität haben
Interessant auch, dass das BMZ gemeinsam mit dem BMU eine Initiative zur Veränderung des Bundesreisekostengesetzes (BRKG) gestartet hat, um dieses an den Klimazielen der Bundesregierung auszurichten. Denn hier gilt nach wie vor das Prinzip der Wirtschaftlichkeit bei der Wahl zwischen Flugzeug und Zug – wobei "wirtschaftlich" immer noch als „am preisgünstigsten" definiert wird. Dies führt dazu, dass häufig ein Flug gewählt werden muss, auch wenn der Dienstreisende gerne den Zug nehmen würde. Angesichts dessen, dass 70,54% der vom BMZ ermittelten eigenen THG-Emissionen auf Dienstreisen zurückzuführen sind, wird die Relevanz dieser Initiative schnell deutlich. Es soll, so das Ziel der gemeinsamen Initiative vom BMZ und BMU, zukünftig grundsätzlich einen Vorzug der Bahn gegenüber dem Flugzeug bei Inlandsdienstreisen geben. Und – besonders wichtig – die Reisezeit im Zug soll zukünftig als Arbeitszeit anerkannt werden. Man kann sicher davon ausgehen, dass – sollte diese Initiative erfolgreich sein – sie zu einem deutlich veränderten Reiseverhalten und damit zu massiven THG-Einsparungen führen wird.
Bundesverwaltung unter Zugzwang
Das BMZ hat sich mit dem Bericht gegenüber der Öffentlichkeit verpflichtet, dem international gültigen Standard der Klimabilanzierung zu folgen und seine THG-Emissionen nach dem Prinzip "vermeiden, reduzieren, kompensieren" zu bearbeiten. Dabei sollen die in der Bilanz 2018 knapp 6000 Tonnen THG-Äquivalente (CO²eq) mit 200 Maßnahmen ausgeglichen werden (Betrachtung von Scope 1-3 gemäß GHG-Protokoll). Letztlich bleibt eine Restgröße von Emissionen, die nicht vermieden werden können. Sie sollen nach dem im Kyoto-Protokoll etablierten Clean Development Mechanism (CDM) durch den Ankauf von Zertifikaten ausgeglichen werden, mit denen THG-Einsparungen in Entwicklungsländern erreicht werden sollen. Nicht nur, dass sich das BMZ verpflichtet, die höchsten Zertzifikatsstandards (Certified Emission Reduction, CER aus dem CDM sowie Gold Standard) zur Grundlage seiner Zertifikatsankäufe zu machen: es wird darüber hinaus auch der 2017 eingeführte „Gold Standard for the Global Goals" angewendet, der fordert, dass mit den Zertifikaten ein Beitrag zu mindestens 3 der 17 Sustainable Development Goals (SDG) der Agenda 2030 geleistet wird. Auch hier wird ein Benchmark gesetzt, der die Bundesverwaltung bei der Definition ihrer jeweiligen THG-Minderungsziele unter Zugzwang setzen wird.
So begrüßt auch der B.A.U.M.-Vorsitzende Prof. Dr. Maximilian Gege die Aktivitäten und Zielsetzungen des BMZ ausdrücklich: "Sie sind konkret, mit zielführender Vorbildfunktion, und sie können so auch zur Nachahmung in weiteren Ministerien und Organisationen sowie Beteiligungen des Bundes anregen. Das B.A.U.M.-Netzwerk ist wie bisher zu jeder Unterstützung unter Einbringung aller fachlichen Kompetenz jederzeit gerne bereit." Gege verweist in diesem Zusammenhang auch auf die entsprechenden Good Practices und die Expertise, die auf der Plattform "Wirtschaft pro Klima" versammelt sind.
Als „Krönchen" seiner THG-Strategie verpflichtet sich das BMZ, bis zum Jahre 2040 komplett klimaneutral zu sein, d. h. ohne eine Kompensation von Rest-THG²eq eine ausgeglichene Klimabilanz vorzulegen. Ein Dokument, das Hoffnung gibt, ein Prozess, der Zuversicht schafft und der das Zeug hat, zur Magna Charta einer klimaneutralen Bundesverwaltung zu werden.
Bernd Schleich ist Mitglied des Gesamtvorstands des Bundesdeutschen Arbeitskreises für umweltbewusstes Management (B.A.U.M.) e. V.
Umwelt | Klima, 27.01.2020
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