Berater gesucht
Digitale Tools der SOS-Initiative bringen Nachhaltigkeit in Unternehmen
Nachhaltigkeit ist in aller Munde, doch wirkliche Veränderung findet noch immer viel zu selten statt. Warum? Meist fehlt es an Know-how. Das betrifft auch die Firmen und Konzerne. Dabei nehmen Unternehmen eine Schlüsselrolle ein, wenn es um den ökologischen Systemwandel geht. Wie dieser Wandel gelingen kann, beschreiben Günther Reifer und Evelyn Oberleiter, die beiden Gründer des Terra Institutes, im Interview mit forum Nachhaltig Wirtschaften.
Herr Reifer, warum sind Unternehmen so wichtig für den Wandel?
Wir glauben nicht, dass die Politik den Wandel gestalten wird. Die Politik verfolgt eine Agenda, die nicht auf Langfristigkeit ausgelegt ist, da sie letztlich die Interessen der Wähler im Fokus hat. Wir sehen deshalb Unternehmen als große Treiber eines echten Wandels in Sachen Nachhaltigkeit. Ändern sie ihre Ausrichtung, setzen sie zum einen in der Lieferkette neue Impulse bei den Lieferanten und bestimmen durch ihr Angebot, was der Konsument beziehungsweise Kunde letztlich kauft. Zum anderen hat jedes Unternehmen eine starke Wirkung auf seine Mitarbeiter. Diese wiederum tragen die auf der Arbeit verinnerlichten Werte in ihre Familien weiter. So gelangt der Kulturwandel in die gesamte Bevölkerung. Mit den Wertmaßstäben, die ein Unternehmen vertritt, kann es starke Wirkungen erzeugen und neue Schwerpunkte in der gesamten Region setzen. Wir sehen Unternehmen daher als Werte-Allianzen, die viel verändern können. Um Firmen dabei zu unterstützen, haben wir das Terra Institute gegründet.
Frau Oberleiter, was genau hat Sie dazu inspiriert, das Institut zu gründen?
Die Idee, das Terra Institute zu gründen, kam uns vor etwas mehr als zehn Jahren auf einer Reise nach Ägypten. Dort hatten wir die Gelegenheit, mehrere Tage bei dem Träger des Alternativen Nobelpreises und Gründer der Sekem-Initiative, Ibrahim Abouleish, zu verbringen. Sekem ist eine Unternehmensgruppe, die biologisch-dynamische Landwirtschaft, Wüstenbegrünung, Textilindustrie, Lebensmittelproduktion und Arzneimittelherstellung miteinander verbindet. Ein Schwerpunkt liegt darauf, sich um die gesundheitliche Versorgung und die intensive persönliche wie kulturelle Weiterentwicklung der Mitarbeitenden und ihrer Familienmitglieder zu kümmern. Dort haben wir erlebt, dass es möglich ist, wirtschaftlichen Erfolg mit ökologischer Nachhaltigkeit und sozialer Gerechtigkeit zu verbinden. Wir haben gesehen, dass eine andere Wirtschaft nicht nur sinnvoll ist, sondern auch erfolgreich sein kann, und dass es nicht stimmt, dass wir immer entweder Menschen in anderen Ländern oder die Natur ausbeuten müssen, um wirtschaftlich signifikante Resultate zu erzielen. Als wir wieder zurück in Südtirol waren, sind wir beide aus unseren „klassischen" Karrieren ausgestiegen. Wir haben das Terra Institute gegründet, um Unternehmen auf dem Weg in ein zirkuläres Wirtschaften zu begleiten, das in die Kreisläufe der Natur eingebunden ist.
Herr Reifer, Sie waren damals Vorstand einer internationalen Möbelfirma – sicher ein großer Schritt, oder?
Ja, damals haben uns viele gefragt, was das soll. Einige haben auch den Kopf geschüttelt. Wir haben zu zweit begonnen und mussten erst einmal für uns verstehen, was wir wirklich wollen. Anfangs gab es viele Anfragen zu klassischen Beratungsthemen. Die haben wir jedoch alle abgelehnt. Wir wollten von Beginn an unserer Mission – der Unterstützung der globalen Systemveränderung – treu bleiben und keine Kompromisse eingehen.
Heute haben wir ein sehr klares Angebot und zehn Jahre Erfahrung in unterschiedlichsten Branchen. Wir sind rund 25 Leute – ein interdisziplinäres Team aus Natur-, Geistes- und Wirtschaftswissenschaftlern – und wurden bereits 2012 von den Vereinten Nationen als Kompetenzzentrum für nachhaltige Entwicklung anerkannt. Deshalb sind wir auch mit vielen ähnlichen Initiativen weltweit vernetzt. Neben Brixen haben wir weitere Büros in Wien, Berlin und Rovereto.
Frau Oberleiter, wer sind Ihre Kunden, wie generieren Sie Einkünfte?
Unsere Kunden sind Unternehmen aus verschiedensten Sektoren: Logistik, Lebensmittelproduktion, Pharma, Bankwesen, Handel, Industrie. Unternehmen, denen bewusst ist, dass sie nur dann verantwortungsvoll und zukunftsfähig handeln, wenn sie ihr wirtschaftliches Tun an den Prinzipien der lebendigen Welt ausrichten. Unsere Einkünfte generieren wir durch maßgeschneiderte Beratungsprojekte, durch Executive Coachings oder den Verkauf unserer digitalen Tools, wie zum Beispiel dem CO2-Berechner, dem digitalen Zukunftsstrategie-Assistenten, der Online-Materialitätsmatrix als Basis der Nachhaltigkeitsberichtserstattung oder dem Global Sustainable Enterprise System. Dabei handelt es sich um ein Bewertungstool für die Nachhaltigkeit von Unternehmen oder Produkten. Diese Smart Online Solutions stellen wir anderen Beratern und Instituten zur Verfügung und erweitern damit sukzessive eine Berater-Community weltweit, die mit Terra-Tools arbeitet.
„Mit der SOS-Initiative stellt das Terra Institut breitenwirksame Instrumente für eine ganzheitliche Unternehmensberatung vor, die nun auch für weitere Berater zugänglich sind. Ein großes Netzwerk an Beratern soll die Transformation der Unternehmen beschleunigen."
SOS – Smart Online Solutions…
… sind Tools für Unternehmen, die sich im Bereich Nachhaltigkeit beziehungsweise neues Wirtschaften engagieren und auf diese Weise ihre Zukunftsfähigkeit sichern wollen. Beratern bietet es die Möglichkeit, ein komplettes Wertangebot in Sachen Nachhaltigkeit zu nutzen. Es beinhaltet derzeit sechs Produkte, die das Unternehmen auf unterschiedlichen Ebenen in Bewegung bringen können:
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Herr Reifer, wie kamen Sie auf die Idee, diese Online-Tools zu entwickeln? Und was haben Sie damit vor?
Bereits vor drei Jahren haben wir uns die Frage gestellt, wo es mit uns allen und mit der Erde enden wird, wenn wir so weiter machen wie bisher. Wir als Terra Institute waren zwar erfolgreich und sind kontinuierlich gewachsen, dennoch sagten wir uns, dass es so zu langsam, zu träge und zu mühsam vorangeht. Wir haben mit unserer Arbeit zwar etwas beigetragen, aber das wird wohl nicht den Unterschied machen.
Mir kam damals die Vision von einem großen Netzwerk von Beratern, die für Unternehmen wirklich eine Unterstützung sind, sobald diese erkennen, dass der alte Weg in eine Sackgasse führt. Das war der Startpunkt unserer SOS-Idee. Wir wollten für Beraterkollegen ein attraktives Angebot entwickeln, mit dem sie ihre Kunden in die neue Wirtschaftslogik einführen können. Unser Angebot sollte einfach, agil, partizipativ, online-basiert, hochprofessionell und nutzenstiftend für Unternehmen aller Art sein. So wurde die Idee der Terra-Partner-Community geboren, die wir jetzt einführen.
Was heißt das konkret?
Wir suchen Berater, die sich für unsere Themen interessieren oder ein ähnliches Mindset haben. Berater, die Teil der Veränderung sein und ihren Unternehmenskunden neue Impulse geben möchten. Diesen Beratern bieten wir ein Set an Produkten und (Online-)Tools, mit denen sie auf unterschiedlichen Ebenen Unternehmen abholen und langfristig begleiten können. Wir möchten ein globales Netzwerk, eine aktive Community von Beratern aufbauen, die diese verschiedenen Welten verbinden und damit starke und glaubwürdige Alternativen für Unternehmen vorstellen.
Wir sehen, dass immer mehr Unternehmen sich wandeln möchten, aber viele einfach nicht wissen, wie sie es anstellen sollen, weil ein vertrauenswürdiges und professionelles Angebot fehlt. Deshalb schulen wir interessierte Berater – persönlich und in „Blended Learning Sessions" – und erklären ihnen die Herausforderungen, Anwendungen und Prozesse im Detail. Wir möchten damit unsere zehnjährige Erfahrung weitergeben und sind umgekehrt offen, von jedem einzelnen dieser neuen Partner zu lernen. Der Berater kann dabei seine Eigenständigkeit behalten, sich jedoch mit uns verbinden. Es geht uns um den großen Systemwandel – denn es ist jetzt einfach Zeit, in die Breite zu gehen. Das ist unsere Vision, unser Bestreben und unsere Leidenschaft.
Frau Oberleiter, schaffen Sie sich da nicht selbst Konkurrenz?
SOS-Schulungen
In Deutschland: 08.-09. April, 27.-28. April, 06.-07. Mai, 11. September. Aufgrund der großen Nachfrage sind weitere Sommer- und Herbstsessions sowohl in Deutschland als auch in Österreich (Wien/Salzburg) in Planung. Das Webinar zum Geschäftsmodell der SOS - Smart Online Solutions finden Sie online. |
Das könnte man annehmen, so sehen wir es aber nicht. Um wirklich etwas bewegen zu können, müssen wir viele sein, müssen uns vernetzen und voneinander lernen. Es geht uns um eine Kooperation auf Augenhöhe, in der Geben und Nehmen und weitere Systemprinzipien die Basis für eine gute Entwicklung sind. Wir möchten selbst Modell für diesen Wandel, für diese neue Art des Wirtschaftens sein. Und ja, es soll auch als Geschäftsmodell funktionieren – sowohl für unsere Community-Partner als auch für uns. Auch das ist uns wichtig und gehört zu einer gesunden Kooperation. Wir sehen, dass das Interesse sehr groß und das Feedback bisher äußerst positiv ist. Selbst in Großbritannien und den USA, wo derzeit viele andere Themen die Aufmerksamkeit beherrschen, gibt es eine starke Nachfrage. Auch dies wird den Wandel und das Netzwerk weiter stärken.
Herr Reifer, wer kann bei dieser Community mitmachen?
Unser Ziel ist es, unsere Erfahrungen an andere Beraterkollegen weiterzugeben und eine neue Lerngemeinschaft zu starten. Die Basis bildet unser SOS-Angebot. Berater, die Interesse haben, werden von uns geschult. Hierzu gibt es ein Programm, bestehend aus drei Modulen à 1,5 Tage (mit Abendeinheit) und ein Modul à ein Tag. Zwischen diesen Präsenztagen, an denen wir uns auch miteinander vernetzen und kennenlernen wollen, gibt es Blended Learning Sessions. Uns ist dies sehr wichtig, da wir den Unternehmen hohe Qualität und Professionalität liefern wollen. Die Terra-Beraterkollegen stehen in der Folge unterstützend zur Seite. Ziel ist es, dass jeder Berater unabhängig und eigenständig die angebotenen Produkte und Prozesse nutzen und somit einen interessanten Zusatzumsatz generieren kann. Es soll den Berater nicht nur inhaltlich, sondern auch ökonomisch voranbringen.
Frau Oberleitner, Herr Reifer, wir danken für das Gespräch und wünschen Terra sowie der SOS-Initiative viel Erfolg.
Wirtschaft | Branchen & Verbände, 12.02.2020
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