Hauptversammlungen in Corona-Zeiten
Kritische Aktionäre und urgewald warnen vor Beschneidungen von Aktionärsrechten
Der Dachverband der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre und seine Mitgliedsorganisation urgewald begrüßen die Entscheidung vieler Unternehmen, die Hauptversammlungen wegen der Corona-Krise zu verschieben. Auch sorgfältig abgewogene Sonderregelungen für die Zeit der Krise sind vorstellbar. Die laut Medienberichten für heute geplante Eiländerung des Aktiengesetzes, nach der auch virtuelle Hauptversammlungen ohne Präsenzpflicht und richtige Aussprache möglich werden sollen, geht aber zu weit. Die Pandemie darf nicht als Vorwand dienen, Aktionärsrechte mehr als notwendig einzuschränken.
„Die aktuelle Situation stellt Unternehmen vor große Herausforderungen. Sie darf jedoch nicht zu überstürzten Reaktionen und grundsätzlichen Gesetzesänderungen führen", warnt Markus Dufner, Geschäftsführer des Dachverbands der Kritischen Aktionärinnen und Aktionäre: „Sonderregelungen für die laufende Hauptversammlungssaison sollten mit Bedacht gewählt werden. Die Unternehmen sollten ihre Hauptversammlungen lieber zunächst verschieben als direkt auf komplette virtuelle Hauptversammlungen ohne jede Präsenzmöglichkeit für Aktionäre zu setzen."
Da die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie für die Unternehmen noch in keiner Weise abzuschätzen seien, sollten die Unternehmen auch die geplante Höhe der Dividenden noch einmal überdenken. „Es darf nicht passieren, dass jetzt vor allem Großaktionäre Kasse machen und hinterher die Allgemeinheit in Form von Staatshilfen für kriselnde Unternehmen die Kosten trägt", so Dufner.
Darüber hinaus warnen der Dachverband und urgewald vor grundsätzlichen umfassenden Beschneidungen der Frage- und Rederechte von Aktionär*innen. Barbara Happe, Vorstandsmitglied des Dachverbands und Finanz-Campaignerin bei urgewald, sagt: „Sonderregelungen für die Hauptversammlungssaison 2020 sind sicherlich notwendig. Das heißt jedoch nicht, dass Aktionärsrechte jetzt per Eilantrag komplett ausgehebelt werden dürfen. Sie müssen auf dieses Jahr begrenzt bleiben."
„Denkbar ist eine vorübergehende Fristverlängerungen für die Abhaltung von Hauptversammlungen", so Happe. Bisher müssen Hauptversammlungen innerhalb von acht Monaten nach dem Ende des Geschäftsjahres abgehalten werden. „Diese Frist könnte zum Beispiel zunächst auf zwölf Monate, im Fall der Fälle noch weiter verlängert werden", sagt Happe. Sie betont: „Wenn es virtuelle Hauptversammlungen gibt, dann müssen diese zumindest das Fragerecht von Aktionären gewährleisten, zum Beispiel indem diese ihre Fragen vorher schriftlich einreichen können."
Dufner ergänzt mit Blick auf Sonderregeln für dieses Jahr: „Vorstellbar ist auch die Entscheidung zu Dividenden vorzuziehen, damit die Aktionäre zumindest Planungssicherheit für ihre Altersvorsorge erhalten und die eigentliche Hauptversammlung samt Reden und Nachfragen nachzuholen."
Lifestyle | Geld & Investment, 23.03.2020
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