Lebendigkeit zelebrieren, Gegenseitigkeit ermöglichen – so dem Natürlichen Raum geben
Auf Corona antworten: Vom 19. bis 21. Juni 2020 finden zum dritten Mal "Erdfeste" statt
"Dem Lebendigen Lebendigkeit zurück schenken – bewusst sein. Eine Antwort geben auf den Zustand der Welt" – angesichts der Corona-Krise erlebt die Vision der "ERDFEST"-Initiative auf berührende Weise Zuspruch. Das, was die Pandemie gegenwärtig von uns allen fordert, uns zurückzunehmen, Gegenseitigkeit zu ermöglichen, Lebensräume zu schützen und dem Natürlichen Raum zu geben, spricht auch die tiefere Verbundenheit an, aus der heraus die Erdfeste leben. 2017 von uns ins Leben gerufen, zielt diese Initiative darauf, mit den an vielen Orten zeitgleich gefeierten Erdfesten eine neue kulturelle Allmende zu schaffen: ein Gemeingut für Nachhaltige Entwicklung und für den Schutz biologischer Vielfalt. Erdfeste stellen dem politischen Engagement für den notwendigen Wandel eine zusätzliche Ressource an die Seite, nämlich das gemeinschaftliche Zelebrieren unserer Existenz auf und mit der lebendigen Erde – woraus Inspiration für eine echte, partnerschaftliche Beziehung zur lebendigen Mitwelt erwächst. Es ist eine Vision, die verbindet und gedeiht – im Sommer 2019 fanden deutschlandweit etwa 180 Erdfeste statt, bei denen schätzungsweise 5.500 Menschen in lebendigen Beziehungen mit unserer Um- und Mitwelt zusammenkamen.
Ist Corona auch eine Krise unserer Beziehung zum Lebendigen?
Nach zwei Dürresommern und einem bereits viel zu trockenen Frühling, in Anbetracht der unübersehbar gewordenen Vermüllung der Weltmeere und des drastischen Artensterbens in unseren Landschaften, wird die Corona-Pandemie zu einem weiteren Fingerzeig, wie sehr unsere Sensitivität für ökologische Fragen hier und jetzt gefragt ist. Und es scheint geboten, den Ausbruch des Corona-Virus nicht allein als eine medizinische Krise zu behandeln, sondern anzuerkennen, dass in ihr auch die Folgen unserer schon lange brüchigen Beziehung zum Lebendigen einen weiteren und erschreckenden Ausdruck finden.
Die Corona-Pandemie ist für uns Menschen eine medizinische Katastrophe. Diese medizinische Katastrophe ist aber vor allem, und das gilt es klar zu sehen, ein ökologisches Desaster. Die Corona-Pandemie ist die erste große ökologische Katastrophe, von der die ganze Menschheit befallen wird. Ihre Konsequenzen sind unbekannt, die Auswirkungen nicht absehbar. Das neue Corona-Virus vermehrte sich bisher – wie hunderte oder tausende anderer noch unbekannter Viren – in wildlebenden Tieren, die daran nicht erkrankten. Es ist auf den Menschen höchstwahrscheinlich auf einem Markt übergesprungen, wo Massen solcher oft vom Aussterben bedrohter Tiere – Zibetkatzen, Affen, Fledermäuse, Schuppentiere – in engen Käfigen gehalten, verkauft und geschlachtet werden. Der Ausbruch der Krankheit beruht also darauf – und hier sind sich Virologen und Ökologen weltweit einig–, dass wir Menschen in die Lebensräume der Tiere eindringen, sie zerstören, die Arten ausdünnen, in denen die Viren versteckt existieren, und dass durch die Klimakatastrophe Artengefüge wegbrechen. Wenn Viren einen neuen Wirt suchen, finden sie zunehmend uns – wie ebenfalls schon bei SARS, bei Ebola, beim Hendra- und Marburg-Virus.
Gegenseitigkeit ermöglichen, Lebensräume schützen
Das ökologisch richtige Verhalten wäre, all diesen Wesen, die durch den zerstörerischen Kontakt mit dem Menschen ausgerottet werden und dabei ihre Erregerlast freisetzen, den Raum wieder zu geben, der ihnen gebührt. Das ökologisch richtige Verhalten wäre, Gegenseitigkeit zu ermöglichen, indem wir aufhören, Lebensräume zu zerstören. Das Richtige wäre somit, sich zurückzunehmen, still zu sein, an seinem Platz zu bleiben, um den anderen (also die anderen Wesen) zu schützen.
Das Berührende an der Corona-Pandemie ist, dass genau das gerade jetzt von uns gefordert ist – in Form von Kontaktbeschränkungen, verordnet von unseren Regierungen. Wir nehmen uns zurück, stoppen die Rastlosigkeit, werden still – und hören in dieser Stille die Frühlingslieder der Vögel. Wir nehmen uns zurück, um die anderen zu schützen. Das ist die Idee. Wir tun gezwungenermaßen das, was wir – auf ökologischer Ebene, planetarisch – ohnehin tun müssen, um die Gegenseitigkeit wieder herzustellen, ohne die wir uns zerstören. Das ist die Idee des Virus’. Das ist, aus dieser Perspektive betrachtet, auch eine Geste von "ERDFEST": Der andere zuerst. Das Leben zuerst. Das Virus gibt uns genau das, was wir geben müssen.
Leben ermöglichen durch wirkliche Verbindung
Die Idee des Virus’ zu verstehen heißt akzeptieren, dass wir unsere unmittelbare Bedürfnisbefriedigung aussetzen müssen um der Anderen willen. So stellt sich plötzlich heraus, dass die Ausgehbeschränkungen, die von vielen als eine bittere Verminderung von Verbindung erfahren werden, in Wahrheit die Möglichkeit schenken, wirklich verbunden zu sein. Denn wirklich verbunden sein heißt nicht, jederzeitigen Kontakt zum erwünschten Objekt herstellen können, auch innerhalb von Stunden auf der anderen Seite des Globus. Wirkliche Verbindung heißt, den anderen so zu behandeln, dass er den Raum hat, in dem er gesund bleiben und sich entfalten kann. Wirkliche Verbindung heißt, dem anderen Leben zu ermöglichen.
Die epidemiologisch notwendige Reaktion auf die Pandemie zwingt uns also zu etwas, was wir ohnehin zu tun aufgefordert waren: zu horchen, sein zu lassen, still zu werden. Der Ökologe Stephan Harding meint, Corona sei "eine letzte Chance, das Lokale zu lieben und schätzen zu lernen, klein zu sein, uns zu verlangsamen und weniger zu konsumieren, demütig zu sein und wieder schön zu werden, als eine Art unter vielen im riesigen blühenden irdischen Körper". Auch Harding beschreibt damit die Idee des Virus. Und diese Idee ist nichts Abstraktes. Viren denken nicht. Sie sind. Sie sind Akteure. Die Idee von Vovid-19 ist entsprechend das, was derzeit unser konkretes Handeln bestimmt. Die Idee ist das, was gerade geschieht – wenn wir wirklich auf das blicken, was geschieht. Die Idee ist also mehr als ein Angebot zu denken, sie ist eine Not, etwas, das wir nicht vermeiden können, und damit ein Aufruf zum Tun: Den anderen schützen, indem wir ihn nicht bedrängen. Wir haben die Möglichkeit, das zu verstehen und zur Maxime unseres Handelns zu machen: Der andere zuerst, die Erde zuerst. Genau das aber ist von Anfang an die Geste von "ERDFEST" gewesen.
"ERDFEST" ist alles, was die innere Konzentration und Dankbarkeit auf ein anderes, nichtmenschliches Wesen richtet, oder auf alle. Wir wissen schon:
"ERDFEST" kann immer sein, auch jetzt. Morgens, als erste Handlung, beim Waschen des Gesichts das Wasser zu sehen, bewusst wahrzunehmen beim Kontakt auf der Haut, es (wenn auch nur innerlich) anzusprechen ist ein "ERDFEST". Die kleinen Mücken – weniger als einst, und doch noch gegenwärtig – wieder im Gegenlicht des Abends tanzen sehen, sie wirklich sehen, einen Moment innehaltend, ist ein "ERDFEST". "ERDFEST" kann allein oder mit der Familie im Garten stattfinden, auf dem Balkon, im Zimmer.
Erdfeste 2020 – auch angesichts der Corona-Pandemie möglich und vor allem dienlich
Und so finden auch in diesem Jahr wieder Erdfeste statt, vom 19. bis 21. Juni 2020. Erdfeste leben von innerer Haltung und In-Verbindung-Sein und sind nicht darauf angewiesen, als Publikumsevent geplant zu werden. Das bedeutet, sie können auf jeden Fall stattfinden. Das Erdfest begehen bedeutet NICHT, eine Veranstaltung organisieren zu müssen. Stattdessen können die Erdfest-Tage ein Anlass werden, bewusst inne zu halten. Aus dem Modus des Machens herauszugehen. Etwa gemeinsam einen Ort draußen aufzusuchen, der einen ruft. Dort still zu verweilen, um wahrzunehmen. Einen Baum, eine Wiese, einen Bach oder auch eine Industriebrache fragen: Was erfahre ich von dir? Und anschließend miteinander teilen, was dabei geschehen ist … Wie spannend das wäre! Ein Erdfest vom feinsten!
Unter den Gegebenheiten der Corona-Krise kann "ein Ort draußen" der Balkon, der eigene Garten sein, "gemeinsam" kann mit Menschen aus dem engsten Umkreis bedeuten. Kein solches Erdfest ist zu klein. Und jedes ist das schönste – weil es seine Stimmigkeit jeweils ganz aus sich schöpft, während sämtliche Erdfeste in geteilter Haltung miteinander verbunden sind. Und indem all diese kreativen, subtilen Aktivitäten auf der ERDFEST-Webplattform geteilt werden, entsteht eine Sichtbarkeit, die dann auch politisch wirksam werden dann.
Zur Mitwirkung eingeladen sind Organisationen jedweder Art wie auch Einzelpersonen, die Wege hin zu einer lebensfördernden Gesellschaft suchen und ebnen. Indem die Erdfeste in all ihrer Vielfalt zeitlich auf drei Tage gebündelt sind und auf der Webplattform www.erdfest.org publik gemacht werden, entsteht eine Wahrnehmbarkeit, die vereinzelt nicht möglich wäre. Dies stärkt auch die politische Wirksamkeit.
Informationen für am Mitwirken Interessierte: www.erdfest.org/de/mitwirken
Träger der "ERDFEST"-Initiative ist das und.Institut für Kunst, Kultur und Zukunftsfähigkeit e.V. (und.Institut) in Berlin mit Unterstützung von COCREATIO – Stiftung für Kooperation und kollektive Entwicklung. In den Jahren 2018 und 2019 wurde die "ERDFEST"-Initiative vom Bundesamt für Naturschutz gefördert und im März 2019 im Sonderwettbewerb "Soziale Natur – Natur für alle" der UN-Dekade Biologische Vielfalt ausgezeichnet, was die politische und gesellschaftliche Bedeutsamkeit dieses lebendigen Erfahrungsfeldes unterstreicht.
Ein Beitrag von Hildegard Kurt und Andreas Weber
Kontakt:
Dr. Nadja Rosmann, content + creation + consulting | nadja.rosmann@zenpop.de |www.erdfest.org
Lifestyle | LOHAS & Ethischer Konsum, 03.05.2020
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