Euer “Normal” zerstört unsere Zukunft - ein Plädoyer der jungen Generation

Zukunft im Ausverkauf?!

Covid-19 hat unsere Gesellschaft in vielerlei Hinsicht erschüttert. Die Wirtschaft, die Schnelligkeit politischer Entscheidungen, unser Berufs- und Alltagsleben: Vom einen auf den anderen Tag hat sich all das verändert. Die Corona-Pandemie hat unserem gesellschaftlichen Normalzustand die Maske weggerissen und viele Krisen, die sich dahinter verbergen, sichtbarer gemacht. Und im Zuge dessen wurden auch die mahnenden Aussagen, wir müssten nach dieser Krise vieles anders machen, häufiger. Wir müssten Krisen frühzeitig und konsequent angehen, hieß es. Unsere Systeme müssten widerstandsfähiger werden, damit sie zukunftsfähig seien. Wir müssten aufhören, Menschen zurückzulassen und die Folgen unseres Handelns zu verdrängen.
 

© Generationen Stiftung gGmbH Mittlerweile haben wir uns vom ersten Schock erholt und die Krisenbewältigung in Angriff genommen. Die Bundesregierung erklärte, sie werde alles daran setzen, so schnell wie möglich wieder zum Normalzustand zurückzukehren. Und so gut es ist, dass sie sich mit aller Kraft darum bemüht, die Verbreitung des Corona-Virus einzudämmen, so problematisch ist es, dass ihre Rettungsmaßnahmen für Corona andere Krisen weiter zu verschärfen drohen - nicht obwohl, sondern gerade weil das erklärte Ziel ist, den alten Normalzustand wiederherzustellen. 

Unser "Normal” hat eine katastrophale Bilanz.
Sprechen wir es aus: Unser "Normal” hat eine katastrophale Bilanz. Der Normalzustand unserer Wirtschafts- und Lebensweise ist zerstörerisch und gefährlich. Sie erzeugt eine Krise nach der anderen. Die Wirtschaft wächst und wächst, während die Verteilung des Wohlstands immer ungerechter wird und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen droht unzähligen Menschen ihre Lebensgrundlage zu nehmen Menschen, die auch aufgrund deutscher und europäischer Politik auf der Flucht sind, werden unter unmenschlichen Bedingungen in Lagern zusammengepfercht, während Sonntagsreden zu Menschlichkeit und Zusammenhalt gehalten werden. Die Corona-Pandemie verdeutlicht, wie viele Menschen von unserer gegenwärtigen Politik tagtäglich zurückgelassen und ignoriert werden - als wäre ihre Existenz einfach nicht wichtig genug für uns als Gesellschaft.

Kurz: Unser Normalzustand ist ein explosives Gemisch aus sozialen, ökologischen und humanitären Krisen. Indem wir sie vertagen, verschärfen wir sie und machen sie unberechenbarer. Wir wissen, dass wir mit einem "weiter so” unsere gemeinsame Zukunft aufs Spiel setzen. Gerade bei der Klimakrise läuft uns die Zeit davon, mit einem radikalen Umsteuern das Schlimmste zu verhindern. Und wir sehen mit großer Sorge, dass unser Versuch das "Normal” zu retten möglicherweise darin endet, dass wir in der Welt nach Corona vor einem sozialen und ökologischen Trümmerhaufen stehen. 

Zukunft im Ausverkauf?! Höchste Zeit einzuschreiten. 
Wollen wir das verhindern, sollten wir uns beeilen - denn uns läuft die Zeit davon. Gerade werden in beeindruckender Geschwindigkeit Krisenhilfen für die Wirtschaft verabschiedet, die ein "weiter so” manifestieren. Die mahnenden Stimmen der anfänglichen Erschütterung? Vergessen. Jetzt nutzt die Lobby vieler Industrie- und Großkonzerne die Gelegenheit, um umfassende, bedingungslose Rettungsschirme für die Wirtschaft durchzusetzen. Weiterhin profitable Großkonzerne fordern Hilfszahlungen und wollen gleichzeitig Dividenden auszuschütten. Krisensubventionen sollen ohne soziale und ökologische Bedingungen auskommen. Zukunft im Ausverkauf?! Höchste Zeit einzuschreiten. 

Wollen wir zukunftsfähig leben, können wir nicht zum zerstörerischen Normalzustand zurück. Wir müssen jetzt gesellschaftlich maximalen Druck aufbauen, damit vieles anders wird. In großer Schnelligkeit und aller Konsequenz. Wir brauchen einen politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Paradigmenwechsel hin zu einer generationengerechten Welt, die sich nicht in ständiger Krisenbewältigung versuchen muss, sondern allen eine Zukunft sichert. 

Wir brauchen keine weiteren Rettungsschirme für ein "weiter so” der Industrie. Stattdessen müssen wir jetzt einen Rettungsschirm für Menschen aufspannen, indem wir die existentiellen Krisen angehen und anfangen, eine Welt nach Corona zu gestalten. Die Maxime ist ganz einfach: Nichts retten, das zerstört. Statt weiter einen Trümmerhaufen zu riskieren, haben wir jetzt die Gelegenheit, ein Fundament für die Welt von morgen zu bauen. 

Rettungsschirm für die Menschen
Das Aufspannen eines Rettungsschirms für die Menschen beginnt damit, dass wir Krisenhilfen für Unternehmen an strenge, messbare soziale und ökologische Bedingungen koppeln. Unternehmen, die weiter Dividenden ausschütten oder ihr Geld in Steueroasen verschieben, dürfen keine Hilfsgelder erhalten und Krisensubventionen müssen von zukünftigen Gewinnen zurückgezahlt werden. Es ist nicht tragbar, dass große Konzerne die Risiken ihres Unternehmenshandelns allen Bürger*innen aufbürden, die im Krisenfall für ihr Bestehen zahlen sollen, aber umgekehrt alle Gewinne privatisieren. 

Wir müssen unsere Anstrengungen zur Eindämmung der Klimakatastrophe erhöhen und bei den aktuellen Rettungsmaßnahmen alles für die Bewahrung unserer ökologischen Lebensgrundlage tun. Wir müssen der sozialen Spaltung ein Ende setzen und hochgehaltene Werte wie Fairness, Nachhaltigkeit, Solidarität und Verteilungsgerechtigkeit endlich auch umsetzen. Die Krise darf nicht zulasten der einkommensschwachen Menschen gehen, sondern Vermögende müssen in die Pflicht genommen werden, ihren gerechten Beitrag zur Krisenbewältigung zu leisten - auch, damit die gerade entstehenden Kosten nicht zulasten der kommenden Generationen gehen.  

Unser Vorhaben ist, gemeinschaftlich den Rettungsschirm aufspannen, der unsere Gesellschaft tatsächlich auffangen wird. Ohne lebensbedrohliche Kollateralschäden. 

Aufbruch zum Paradigmenwechsel
Damit können wir die Krise zur Gelegenheit nehmen, uns von irreführenden Indikatoren für die Zukunfts- und Widerstandsfähigkeit unserer Wirtschaft und Gesellschaft zu lösen. Sei es das Bruttoinlandsprodukt, seien es DAX-Kurse, Finanzgewinne oder Dividenden. Lasst sie uns ergänzen durch Kenngrößen, die Aussagen über wirklich Überlebenswichtiges in unserer Gesellschaft treffen. Lasst uns das Gemeinwohl in den Vordergrund allen wirtschaftlichen, politischen und gesellschaftlichen Handelns stellen und wenn nötig, alles anders machen. Im Klartext: Lasst uns einen Paradigmenwechsel schaffen, der das Ende des Zeitalters des Neoliberalismus einleitet und erste Schritte in eine generationengerechte Welt geht. 

Mit unserem Wirtschaftssystem werden wir auch unser Bildungssystem revolutionieren. Denn darin müssen Werte vermittelt werden, die wirklich die Zukunft unseres Zusammenlebens prägen sollen. Wir brauchen neue Fähigkeiten, Kreativität und zeitgemäßes Wissen statt alten Glaubenssätzen, Kompetenz-Wirrwarr und dem homo oeconomicus als Vorbild für junge Menschen. Das wird nicht einfach - und auch die jungen Menschen schaffen es bislang zu selten, unsere Scheuklappen abzunehmen und aus dem Leistungsdruck auszubrechen. Aber wir sind fest entschlossen, uns auf den Weg dorthin zu begeben. Das heißt, dass wir in den Schulen, an den Universitäten, in den Medien und in allen anderen gesellschaftlichen Denkräumen Alternativen zum "weiter so” Raum geben müssen. Dass wir bereit sein müssen, nach vorne in Richtung eines neuen Normals zu schauen. Dass wir in den Klassenräumen und Hörsälen neue Diskurse führen müssen, die unsere Glaubenssätze in Frage stellen. Und dass wir anfangen müssen, andere Wege nicht nur hypothetisch zu diskutieren, sondern als reale Möglichkeiten zu sehen. 

Lasst uns miteinander verbünden!
Das sind nur einige Punkte, die wir angehen müssen, wenn wir unsere Zukunft retten wollen. Und uns ist klar, wie viel uns das als Gesellschaft zumutet. Aber es geht hier um unsere gemeinsame Zukunft. Was sollte uns mehr wert sein als das? 

Wir können versichern: Menschen in der jungen Generation sind bereit, in der ersten Reihe zu stehen, wenn wir die Grundfesten unseres vemeintlichen "Normals” verrücken. Wenn wir unsere Glaubenssätze infrage stellen, die mahnenden Stimmen hören und ein Fundament für morgen bauen.  Und sie sagen den Alten: "Wir brauchen euch. Macht mit.” Lasst uns jetzt eine Allianz aus Jung und Alt zu schmieden - füreinander, für die Zukunft. 
 
Kontakt: Franziska Heinisch, Generationen Stiftung gGmbH
fh@generationenstiftung.com | www.generationenstiftung.com

Wirtschaft | Verantwortung jetzt!, 04.06.2020

     
        
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