Besser gerüstet gegen Waldbrände
So können gefährdete Flächen erkannt, das Risiko für Brände reduziert und verbrannte Wälder nachhaltig aufgeforstet werden
Mit langanhaltender Trockenheit steigt die Waldbrandgefahr. In den vergangenen beiden Jahren entstanden in Deutschland besonders viele, mitunter großflächige Feuer. Im Umgang mit Waldbränden haben Forstwirtschaft und Feuerwehren jedoch noch viele Wissenslücken. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Karlsruher Instituts für Technologie (KIT) erforschen jetzt, wie gefährdete Flächen erkannt, das Risiko für Brände reduziert und verbrannte Wälder nachhaltig aufgeforstet werden können. Die Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe fördert das Projekt mit rund 1,5 Millionen Euro.
2018 verbrannten in Deutschland 2 349 Hektar Wald. Mit einer Fläche von fast 3 300 Fußballfeldern entstand nach der Waldbrandstatistik der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung der größte durch Feuer verursachte Forstschaden seit 26 Jahren. Dr. Fabian Faßnacht vom Institut für Geographie und Geoökologie (IFGG) des KIT will mit dem interdisziplinären Projekt „Erweiterung des ökologischen, waldbaulichen und technischen Wissens zu Waldbränden (ErWiN)" dazu beitragen, der Gefahr in Zukunft besser begegnen zu können. Denn wenn es nach aktuellen Klimaprognosen in den kommenden Jahren immer häufiger Dürreperioden gibt, könnte auch die Zahl von Waldbränden weiter zunehmen.
Simulationen zum Verständnis von Branddynamiken
Im ersten Teil des im Juni 2020 startenden Projekts übertragen die Forscherinnen und Forscher bereits vorhandene Feuerausbreitungsmodelle auf deutsche Verhältnisse. Als Vorbild dienen Simulationen von Waldbränden aus den USA oder dem Mittelmeerraum. „Da mitteleuropäische Wälder früher seltener von Bränden betroffen waren, wurde die Ausbreitung von Feuer in diesen Regionen bisher kaum systematisch analysiert", sagt Faßnacht. Für die Branddynamik spielen beispielsweise die Bodenbeschaffenheit, die Lichtdurchlässigkeit der Baumkronen sowie Wetter und Witterung eine Rolle. Zusätzlich entwickelt das Team einen Klassifikationsschlüssel für hierzulande vorkommende Brennmaterialtypen. „Ein dicker Baumstamm fängt beispielsweise nicht so schnell an zu brennen, wie trockene Laubblätter", erklärt Faßnacht. Die Datengrundlage dafür erhalten die Wissenschaftler vom kooperierenden Thünen-Institut für Waldökosysteme.
Anhand von Szenarien betrachtet Faßnacht anschließend mit seiner Forschungsgruppe, mit welchen Maßnahmen das Brandrisiko effizient reduziert werden kann. Dazu gehört etwa das Anlegen von Feuerschneisen oder das Anpflanzen bestimmter Baumarten. „Auch wenn kein Brandexperte vor Ort ist, sollen es unsere Ergebnisse ermöglichen, die Situation auf wissenschaftlicher Grundlage einschätzen und entsprechend handeln zu können", sagt Faßnacht. Das Institut der Feuerwehr Nordrhein-Westfalen beispielsweise will unter anderem anhand der Arbeit der Forscher des KIT einen Leitfaden für Einsatzstrategien bei Waldbränden und Listen für die notwendige Ausrüstung der Feuerwehren erstellen.
Unterschiedliche Baumarten machen Wald widerstandsfähiger
Im zweiten Teil des Projekts sammeln die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Daten auf verbrannten Waldflächen in Brandenburg. Das Bundesland ist in Deutschland am stärksten von Waldbränden betroffen. Dr. Somidh Saha vom Institut für Technikfolgenabschätzung und Systemanalyse (ITAS) des KIT will an verschiedenen Stellen untersuchen, wie sich unterschiedliche Baumarten nach einem Brand regenerieren. „Wir wollen herausfinden, ob und nach welcher Zeit die Bäume neue Triebe bilden und wie leistungsfähig sie insgesamt noch sind", erklärt Saha.
Der Forscher sammelt vor Ort zudem Samen auf den Brandflächen ein und wird zusammen mit Dr. Nadine Rühr vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung – Atmosphärische Umweltforschung (IMK-IFU) des KIT den Keimungserfolg in einem hochtechnisierten Gewächshaus am Campus Alpin in Garmisch-Partenkirchen testen. In einem zweiten Versuch werden unversehrte Samen der zehn häufigsten Baumarten Deutschlands simulierten Bränden ausgesetzt. „Nachdem wir die Samen in der Erde vergraben haben, setzen wir sie Hitze mit unterschiedlichen Temperaturen aus, wie sie auch bei einem leichten oder mittelschweren Brand entstehen", so Saha. „Unser Ziel ist es herauszufinden, welche Samen nach der Hitzebehandlung noch auskeimen können." Da Brachflächen im Wald nach einem Feuer durch die nun fehlende Beschattung stärkerer Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind und sich der dunkle, verkohlte Untergrund infolgedessen stark aufheizen kann, wird zudem die Widerstandsfähigkeit der Keimlinge gegenüber Hitze- und Trockenstress bestimmt.
Zusammen mit den Ergebnissen aus der Feldstudie will das Team aufklären, wie sich die verschiedenen Baumarten nach einem Brand wieder erholen und fortpflanzen können. Dieses Grundlagenwissen kann die Forstwirtschaft für das zukünftige Waldmanagement nutzen, um den Wald insgesamt widerstandsfähiger zu machen: „Es ist allgemein bekannt, dass Mischwälder ein Feuer besser als Monokulturen überstehen", sagt Saha. Welche Kombination von in Deutschland vorkommenden Baumarten am geeignetsten ist, um das Risiko für großflächige Brände zu reduzieren, ist daher ein wesentlicher Erkenntnisgewinn.
Als „Die Forschungsuniversität in der Helmholtz-Gemeinschaft" schafft und vermittelt das KIT Wissen für Gesellschaft und Umwelt. Ziel ist es, zu den globalen Herausforderungen maßgebliche Beiträge in den Feldern Energie, Mobilität und Information zu leisten. Dazu arbeiten rund 9.300 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auf einer breiten disziplinären Basis in Natur-, Ingenieur-, Wirtschafts- sowie Geistes- und Sozialwissenschaften zusammen. Seine 24.400 Studierenden bereitet das KIT durch ein forschungsorientiertes universitäres Studium auf verantwortungsvolle Aufgaben in Gesellschaft, Wirtschaft und Wissenschaft vor. Die Innovationstätigkeit am KIT schlägt die Brücke zwischen Erkenntnis und Anwendung zum gesellschaftlichen Nutzen, wirtschaftlichen Wohlstand und Erhalt unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das KIT ist eine der deutschen Exzellenzuniversitäten.
Umwelt | Naturschutz, 09.06.2020
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