Abschied vom Auto
Verkehrswende jetzt!
Allein der Straßenverkehr verursacht heute rund 20 % der deutschen Treibhausgasemissionen – mit
steigender Tendenz. Dazu kommt, dass ein erheblicher Teil unseres Rohstoffverbrauchs, der
chemischen Produktion, etc. auf das Auto als Massenverkehrsmittel zurückzuführen ist. Dem Ausstieg
aus dem motorisierten Individualverkehr kommt deshalb eine Schlüsselrolle für die Klimapolitik
insgesamt zu. Wenn wir den Klimawandel in kontrollierbaren Grenzen halten und in den kommenden
Jahrzehnten CO2-neutral sein wollen, dann müssen wir unsere Vorstellungen vom „Mobilsein"
tiefgreifend verändern.
Das Elektro-Auto beschleunigt den Klimawandel
Die Automobilkonzerne setzen, unterstützt von der Politik, auf ein „Weiter so" mit anderen Mitteln.
Waren es nach der Debatte um das Kyoto-Protokoll noch der Diesel und die Biokraftstoffe, die
angeblich das Klima retten sollten, so soll es heute das Elektroauto sein. Doch erneuerbare Energien
stehen uns nicht in dem Maß zur Verfügung, dass sie auch noch diesen zusätzlichen Verbrauch
abdecken könnten. Es ist schwierig genug, allein den derzeitigen Stromverbrauch (etwa 20 % unserer
Endenergie) aus erneuerbaren Quellen zu bestreiten. Wollte man die gesamte Automobilflotte
Deutschlands auf E-Autos umrüsten, so wäre dafür heute der Großteil des aus Wind- und Solaranlagen
erzeugten Stroms nötig. In Zukunft werden wir zusätzlichen Strom für andere Anwendungen brauchen
(etwa für Wärmepumpen zur Erzeugung von Raumwärme, für die Erzeugung von Wasserstoff, der als
CO2-neutrale Alternative für viele industrielle Verfahren nötig sein wird). Das angeblich
klimaneutrale E-Auto ist schlicht ein Märchen. Unterschlagen werden dabei die bereits mit der
Produktion verbundenen Emissionen, die nicht in unserer Bilanz zu Buche schlagen, weil sie
andernorts anfallen, zum Beispiel dort, wo die Batterien produziert und die Rohstoffe abgebaut
werden. Unterschlagen werden die hohen CO2-Emissionen, die bei der Gewinnung und Verarbeitung
der erforderlichen Rohstoffe (Aluminium, Kobalt, Lithium, seltene Erden ...) sowie der nachfolgenden
E-Autoproduktion inklusive der Batterie anfallen. Allein die Produktion einer Batterie ist je nach
Speicherkapazität für den Ausstoß von etwa 17 Tonnen Kohlendioxid verantwortlich. Die schwere
Batterie wird durch Leichtbauweise, das heißt durch vermehrten Einsatz von Aluminium und
Kohleverbundfasern, kompensiert, was einen zusätzlichen Energiebedarf nach sich zieht. Auch der
Ausbau der entsprechenden Infrastruktur verschlingt erhebliche Ressourcen. Ein E-Auto muss erst
etwa 80.000 km gefahren sein, um den ökologischen Nachteil bei der Produktion gegenüber einem
vergleichbaren Diesel oder Benziner zu kompensieren. Lithium ist zudem ein sehr knapper Rohstoff,
der natürlich bei Weitem nicht reicht, die eine Milliarde PKWs, die heute auf dem Planeten unterwegs
sind, umzurüsten. Es geht allein deshalb um ein imperialistisches Projekt, um eine Alternative für
höchstens eine kleine Elite in den reichen Industrieländern.
Auch andere alternative Antriebe wie E-Fuels oder Brennstoffzellen auf Wasserstoffbasis eignen sich
vor allem aufgrund der schlechten Energiebilanz nicht zur Aufrechterhaltung des motorisierten
Individualverkehrs.
Ausstieg aus dem Wahnsinn des motorisierten Individualverkehrs
Der Ausstieg aus dem motorisierten Individualverkehr ist kein Fernziel, wenn die Erde noch
bewohnbar bleiben soll. Er muss bis spätestens 2050 abgeschlossen sein. Um dies sicherzustellen,
dürfen ab 2035 keine PKWs mehr für den rein privaten Gebrauch zugelassen werden. Eine
geringe Anzahl von Autos wird es weiterhin geben: als Einsatzfahrzeuge, als Betriebsfahrzeuge, als
Taxis, für besondere Transportzwecke. Für diesen Bereich sind alternative Antriebe jenseits des
Verbrennungsmotors natürlich sinnvoll und unvermeidlich. Bis dahin soll der Autoverkehr durch
andere ordnungspolitische Maßnahmen, wie z. B. ein Verbot von SUVs, eingedämmt werden.
Das hat natürlich auch eine drastische Reduktion der Autoproduktion zur Folge. Qualifizierte
Facharbeiter der Automobilbranche werden zunächst dringend für den massiven Ausbau des
öffentlichen Verkehrs benötigt. Mittelfristig ist Arbeitszeitverkürzung die angemessene Antwort auf
den Rückgang der Produktion in diesem und anderen Bereichen.
Grundrecht Mobilität
Als Alternative muss der öffentliche Verkehr flächendeckend ausgebaut, rund um die Uhr gut getaktet
und ticketfrei sein. Abgelegene Orte im ländlichen Raum können durch flexible Sammeltaxi-Systeme
angeschlossen werden (Beispiel Schweiz!), es können kostengünstige Fahrten für Arztbesuche,
Einkäufe oder zu Freizeiteinrichtungen und -events für Jugendliche angeboten werden. Eine zügige
Umsetzung des Nulltarifs für den ÖPNV lässt sich ohne Weiteres gegenfinanzieren, allein durch den
Abbau umweltschädlicher Subventionen. Darüber hinaus können solidarische Finanzierungsmodelle
(Nahverkehrsumlage) erprobt werden.
Wir sind uns aber dessen bewusst, dass das Verkehrsaufkommen, wenn es allein durch öffentliche
Verkehrsmittel bestritten werden soll, insgesamt erheblich reduziert werden muss und dass wir auch
ein anderes Verhältnis zur Mobilität gewinnen müssen. Eine Städte- und Raumplanung, die Distanzen
verkürzt und eine stärkere Verbindung von Arbeiten, Wohnen, Freizeitmöglichkeiten und Konsum
bilden mittelfristig eine große Herausforderung.
Güterverkehr reduzieren und verlagern
Das heutige Güterverkehrsaufkommen kann nicht einfach eins zu eins auf die Schiene verlagert
werden. Es muss insgesamt erheblich reduziert werden. Der Warenverkehr quer über den ganzen
Kontinent hat vor allem seit Schaffung des EU-Binnenmarktes absurde Ausmaße angenommen. Alle
Anstrengungen, regionale Wirtschaftskreisläufe und eine Güterversorgung im Nahbereich zu
verstärken, werden dadurch erheblich erschwert. Dennoch sind jetzt schon alle ordnungspolitischen
Maßnahmen auszuschöpfen, um dieser Entwicklung Einhalt zu gebieten (Nachtfahrverbot für LKWs
und andere Auflagen ...). Für die Verlagerung des Transports auf die Schiene ist eine Ertüchtigung
bestehender, die Reaktivierung stillgelegter und der Ausbau neuer Bahnstrecken nötig.
Technik | Mobilität & Transport, 07.09.2020
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