Inventi Honoris Europa
Plädoyer für ein erneuertes und ehrenwertes Europa
Radikale Umbrüche, die direkte Auswirkungen auf unser Leben mit sich bringen, fördern persönliche Erkenntnisse. Sie wiederum können uns zur größtmöglichen Entfaltung unserer Potenziale motivieren. Denn das Lernen, das geprägt ist durch eigene Erfahrungen, birgt eine wertvolle, durchaus auch emotionale Quelle für bahnbrechende Kreativität.
Gegenwärtig erfahren wir in kürzester Zeit Veränderungen, die noch vor wenigen Wochen unvorstellbar gewesen wären. Und zwar in allen Lebensbereichen! Unsere Generation wurde in den vergangenen Monaten in einer nie dargewesenen Geschwindigkeit in eine neue Welt katapultiert, in der wir alle unseren Weg, oder besser: unsere Wege finden müssen. Dieses globale Momentum schärft unsere Wahrnehmung und das Interesse an einer nachhaltigen Neugestaltung. Auf der Tagesordnung steht die Überprüfung alles Bisherigen; und das Ziel unseres Denkens, Handelns und Wirtschaftens muss überdacht werden. Wie können wir aus dieser Situation das Beste bewahren und aus den Verlusten lernen? Wird sich unsere Weltgemeinschaft auf tiefgehende Art und Weise verändern müssen? Wie sieht diese Neugestaltung aus? Die Antwort: Unsere Chancen für eine bessere Zukunft liegen vor uns, in dieser globalen Krise, die uns die Ganzheitlichkeit zwischen der uns anvertrauten Schöpfung, der Weltwirtschaft und uns Menschen verstehen lässt.
Neues Denken und neue Gesellschaften
Es gilt jedoch loszulassen vom bisherigen Denken und von alten Lösungsansätzen, wollen wir die Chance nutzen, völlig Neues zu denken, zu wagen und zu entwickeln. Gefordert sind neue Antworten zu Fragestellungen der Klimapolitik, des demografischen Wandels, der Überbevölkerung und der Nachhaltigkeit im Sinne des Gemeinwohles, denn es geht um die Zukunftswirkung heutiger Entscheidungen! Wir sind uns sicher, dass eine neue Realität durch ein Gemeinschaftsbewusstsein angetrieben werden muss. Daraus entspringt eine neue, menschlichere Gesellschaft. Eine wichtige Voraussetzung für diese Form des Miteinanders ist eine wirtschaftliche Kraft, die dem Gemeinwohl dient. Im ursprünglichen Sinne der Aktiengesellschaft, die den Nachweis der Gemeinnützigkeit erbringen musste, haben wir das Konzept der „Inventi Honoris Europa" Aktiengesellschaft entwickelt. Mithilfe dieses neuen, kreativen Wirtschaftsmodells können wir ein erneuertes und ehrwürdiges Europa der Zukunft bilden.
Unser Verständnis als Weltgemeinschaft
Das Ausnahmejahr 2020 birgt eine einzigartige gesellschaftliche und politische Chance. Wir feiern das 75. Jahr nach Ende des 2. Weltkrieges; wir feiern die daraus entstandene UN-Charta. Sie war ein gesellschaftliches Manifest, das zu seiner Entstehungszeit ebenfalls unvorstellbar gewesen war und von Weisheit, Weitsicht und, auch dies, von Barmherzigkeit zeugt. Ihre Beständigkeit unterstreicht ihre Bedeutung. Die UN-Charta hat stets die Entwicklung der Menschrechte gefördert, die Sustainable Development Goals und die Kultur des Friedens hervorgebracht! Sie bildet somit einen entscheidenden Grundstein für das gemeinsame Leben auf diesem Planeten. Unser Gedenken heute, 75 Jahre nach Kriegsende, 75 Jahre nach der Befreiung Deutschlands von der Naziherrschaft, sollte daher geprägt sein von Menschlichkeit und der Wahrung dieser Geschenke!
Nach dem Zweiten Weltkrieg, im Jahr 1951, begann auch die Geschichte der Europäischen Union. 1957 unterzeichneten sechs Staaten – Deutschland, Frankreich, Italien, Belgien, Luxemburg und die Niederlande – die Römischen Verträge. Sie gelten als das Gründungsdokument. Ziel war von Anfang an, Frieden und Wohlstand auf dem von zwei Weltkriegen gezeichneten Kontinent zu fördern und zu bewahren.
„Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch."
Friedrich Hölderlin, Patmos-Hymne
Koordinaten für den Wandel
Die Grundwerte Europas – die Wahrung der Menschenrechte, die Menschenwürde, die Freiheit, die Demokratie, die Gleichheit und die Rechtsstaatlichkeit sind jetzt so wichtig wie sie es damals waren, vielleicht heute noch wichtiger denn je. Sie können uns als Koordinaten der anstehenden Trans- formationen dienen. Denn mit seinen Werten und seiner Lebensform ist Europa weltweit Vorbild für Veränderungen und demokratischen Wandel.
In diesem historischen Jahr wird Deutschland eine besondere Rolle für die Ausrichtung der europäischen Gemeinschaft zuteil: Mit Ursula von der Leyen als Präsidentin in der Europäischen Kommission und dem Amt der EU-Ratspräsidentschaft vom 1. Juli 2020 an trägt Deutschland eine bedeutende Verantwortung. Es wird sich als Zukunftsgestalter beweisen können und müssen. Mit dieser besonderen Herausforderung, können wir im übergreifenden Dialog mit der europäischen Gesellschaft gemeinsam entdecken, wie unser neuer Lebensentwurf aussehen kann. Dieser außergewöhnliche Augenblick der Weichenstellung ermöglicht Zukunftweisendes: Aus der Gemeinschaft kann ein neues Miteinander in unserer Gesellschaft entstehen.
Ziele für eine neue Welt
Dafür, für diese Neugestaltung, benötigen wir Menschen ein Ziel, das wir zu erstreben versuchen. Wir werden es nur erreichen können, wenn wir alle es zu unserem individuellen Ziel erklären. Wir müssen uns mit ihm identifizieren. Das wird nur gelingen durch Motivation, Mut und Zuversicht: Inventi Honoris Europa.
Orientiert an diesem Ziel kann das Neue erfahren, gelernt und gestaltet werden. Menschen und Innovation brauchen Freiraum. Für diesen zu gestaltenden Freiraum benötigen Menschen Freiheit für selbstverantwortliches Handeln, für Orientierung und Balance. Kurz: Wir brauchen eine neue Aufklärung! Europa steht ein für die Grundwerte: Freiheit, Fortschritt, Gleichheit, Brüderlichkeit und Schutz des Erreichten. Grenzüberschreitend dürfen wir jetzt lernen, einander zuzuhören, gemeinsam Erfahrungen zu sammeln und Empathie zu entwickeln, um die verschiedenen Erlebnisse und Gefühle der letzten Wochen zu reflektieren, zu analysieren und daraus Schlüsse zu ziehen. Während in den USA immer noch der Glaube vorherrscht, dass der Markt schon alles richten wird, während in China alles vom Staat gelenkt/bestimmt wird, worauf auch Ursula von der Leyen schon in ihrem „Spiegel"-Interview am 28.12.2019 hinwies, bietet die Corona-Krise eine Chance: Die Menschen in der europäischen Gesellschaft können ihren gemeinschaftlichen und gemeinsamen Lebensentwurf gestalten – dabei immer das Ziel der Aufklärung bedenkend.
Mit Offenheit und Mut eröffnet uns der übergreifende Dialog ein gemeinsames Kulturverständnis. Dieses sollte geprägt sein von den Werten Respekt, Toleranz, Fairness, Fürsorglichkeit und Empathie. Sie können und sollten uns leiten bei der Gestaltung unserer gemeinsamen Zukunft! Inventi Honoris Europa will nichts Geringeres ermöglichen als die Entdeckung eines erneuerten und ehrenwerten Europas. Eines Europas, das sich am Menschen orientiert, eine langfristige sowie nachhaltige Politik verfolgt und regionale Unterschiede respektiert und fördert.
Hans Reitz, inspiriert von Menschen die Verantwortung übernehmen und Zukunft gestalten, wie dem Friedensnobelpreisträger Prof. Muhammad Yunus
Gesellschaft | Politik, 10.06.2020
Dieser Artikel ist in forum 02/2020 - die Corona-Sonderausgabe - Einfach zum Nachdenken... und Handeln erschienen.
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