Fortschritt bei Gleichstellung der Geschlechter kommt zum Stillstand

Reykjavik Index for Leadership verzeichnet keine Besserung bei Vorurteilen gegenüber weiblichen Führungskräften

Die Organisation Women Political Leaders und Kantar, Initiatoren des jährlich erscheinenden Index-Reports „The Reykjavik Index for Leadership", kommen zu dem Schluss, dass die Gesellschaft infolge der weltweiten Konfrontation mit den herausfordernden Auswirkungen der COVID-19-Pandemie nicht fortschrittlicher geworden ist, was die vorherrschenden Ansichten zur beruflichen Gleichstellung der Geschlechter in Führungspositionen betrifft. Der Index bewertet die Wahrnehmung der Eignung von Männern und Frauen zu dieser Fragestellung seit 2018. Die weltweiten globalen Bewegungen, die eine größere Gleichberechtigung zwischen Männern und Frauen fordern, scheinen noch keinen erkennbaren Effekt gehabt zu haben.

Der Reykjavik Index for Leadership analysiert, inwieweit sich die Gesellschaft mit Frauen in Führungspositionen im Vergleich zu Männern wohlfühlt. Eine Punktzahl von 100 bedeutet völlige Übereinstimmung damit, dass Männer und Frauen gleichermaßen für Führungspositionen geeignet sind. Jede Punktzahl unter 100 deutet dagegen auf Vorurteile in Bezug auf die Eignung der Geschlechter hin. 

In diesem Jahr wurden Einstellungen in den G7-Ländern sowie in Indien, Kenia und Nigeria untersucht. Unter anderem wurde festgestellt: 
  • Die Bevölkerungen in Großbritannien und Kanada vertreten mit einem Reykjavik-Index von 81 Punkten die fortschrittlichsten Ansichten unter den G7-Ländern.
  • Sowohl Frauen als auch Männer haben Vorurteile gegenüber weiblichen Führungspersönlichkeiten im Vergleich zu Männern in solchen Positionen. Jedoch sind Frauen in allen G7-Ländern eher der Meinung, dass beide Geschlechter gleichermaßen geeignet sind, eine Führungsrolle zu übernehmen.
  • Deutschlands Position hat sich laut Indexwert seit 2019 im Vergleich zu den anderen untersuchten G7-Ländern leicht verschlechtert. 
  • Im Durchschnitt vertreten junge Männer in den G7-Ländern im Vergleich zu ihren weiblichen Altersgenossinnen weniger progressive Ansichten.
  • Britische Frauen weisen im Vergleich die höchsten Indexwerte auf – sie sind damit am ehesten der Meinung, dass Frauen und Männer gleich gut für Führungspositionen geeignet sind.
  • Medien und Unterhaltung (81), Naturwissenschaften (81), Wirtschaft und Politikwissenschaft (81) sowie Banken und Finanzen (80) sind die Bereiche mit den höchsten durchschnittlichen G7-Indexwerten. In diesen Bereichen ist die Bevölkerung also am ehesten der Meinung, dass Männer und Frauen gleich gut für Führungspositionen geeignet sind.
Abbildung 1: Punktzahlen des Reykjavik-Indexes für die G7-Länder im zeitlichen Vergleich © KANTAR
Durch Unterstützung der Bill & Melinda Gates Foundation konnte die Forschung auch in Indien, aufbauend auf den Untersuchungsergebnissen für das Jahr 2019, durchgeführt werden. Auch für Kenia und Nigeria konnten neue Basisdaten erhoben und ausgewertet werden – mit folgenden Ergebnissen:
  • Reykjavik-Index Indien: 68 (+1 gegenüber 2019)
  • Reykjavik-Index Kenia: 53
  • Reykjavik-Index Nigeria: 47
Junge Männer zeigen sich weniger fortschrittlich regressiver
Die Studie stellt eine Diskrepanz bei der Wahrnehmung der Eignung von Männern und Frauen für Führungspositionen fest – die Daten für 2020/2021 zeigen, dass junge Menschen (18-34 Jahre) in den G7-Ländern niedrigere Indexwerte aufweisen als ältere Bevölkerungsgruppen. Junge Männer sind dabei am wenigsten progressiv: Ihre Indexwerte liegen im Durchschnitt der G7-Ländern neun Punkte unter denen ihrer weiblichen Altersgenossinnen (67 gegenüber 76) sowie drei Punkte unter denen älterer Männer im Alter von 35-54 Jahren (71). Dieser Trend zeigt sich in allen G7-Ländern. In Deutschland ist er jedoch mit am stärksten.
Abbildung 2: Die Indexwerte für die Altersgruppe der 18- bis 34-Jährigen sind niedriger als die für ältere Befragte. © KANTAR
 
COVID-19 stellt Frauen an die vorderste Front
Der Reykjavik Index for Leadership untersucht die Wahrnehmung der Eignung von männlichen und weiblichen Führungskräften für 23 Wirtschafts-Sektoren. Der Gesundheitssektor, in dem 75 Prozent der Beschäftigten weiblich sind, liegt mit 71 Punkten in den G7-Ländern auf Platz 18 – hinter anderen Sektoren, die traditionell von Männern geführt werden, wie z. B. das Justizwesen (79), die High-Tech- und KI-Branche (78) oder Luft- und Raumfahrt sowie Maschinenbau (beide 72).

Obwohl Medien und Unterhaltung (81), Naturwissenschaften (81) sowie Bank- und Finanzwesen (80) nach wie vor die Branchen mit den höchsten Indexwerten sind, gibt es auch hier für Frauen weiterhin Barrieren: Frauen besetzen heute weniger als zwei Prozent der CEO-Positionen in Banken und nur 20 Prozent der Aufsichtsratssitze in Banken und Aufsichtsbehörden.

„Wir führen diese Studie jetzt im dritten Jahr durch und es ist auffallend, dass es keine Fortschritte gibt", kommentiert Dr. Michelle Harrison, Global CEO der Kantar Public Division. „2020 war ein Jahr bedeutender sozialer Turbulenzen. Wir setzen uns dafür ein, Erkenntnisse zum besseren Verständnis dafür zu liefern, wo Fortschritte auf dem Weg zur Gleichstellung stattfinden und wo diese, wie wir in diesem Jahr gesehen haben, nicht stattfinden. Solche Nachweise sind ein wesentliches Instrument dafür einzuschätzen, wo Politik und Interventionen des öffentlichen und privaten Sektors Auswirkungen haben könnten."
Der Index wurde heute offiziell auf dem Women Leaders Global Forum, das vom 9. bis 11. November 2020 stattfindet, mit ersten Ergebnissen präsentiert. Der vollständige Index-Report steht ab dem 9. November unter folgenden Link zum Download zur Verfügung: www.kantar.com/reykjavik-index
 
Über Women Political Leaders 
Women Political Leaders (WPL) ist das globale Politikerinnen-Netzwerk. Die Aufgabe des WPLs besteht darin, sowohl die Zahl als auch den Einfluss von Frauen in politischen Führungspositionen zu erhöhen. WPL-Mitglieder sind Frauen in politischen Ämtern – Präsidentinnen, Premierministerinnen, Kabinettsministerinnen, Abgeordnete in Parlamenten. Die Mitgliedschaft ist kostenlos, und die Mitglieder werden durch ihre Teilnahme geehrt. Die WPL ist bei all ihren Aktivitäten bestrebt, den Einfluss von mehr Frauen in politischen Führungspositionen zur Verbesserung der Welt aufzuzeigen.

Über das Globale Forum in Reykjavík – Frauen in Führungspositionen 
Das Reykjavík Global Forum - Women Leaders ist der Ort, an dem weibliche Führungskräfte Ideen und Lösungen diskutieren und sich darüber austauschen, wie sie die Gesellschaft weiter voranbringen können. Das erste Forum wurde im November 2018 in Reykjavík, Island, als Globales Forum für weibliche Führungskräfte ins Leben gerufen. Das Forum wird jährlich gemeinsam von der Organisation Women Political Leaders (WPL) und der isländischen Regierung sowie dem isländischen Parlament unter dem Motto „Power, Together" veranstaltet. Die Aufgabe des Forums besteht darin, eine Plattform zu bieten, auf der weibliche Führungspersönlichkeiten Ideen und Lösungen diskutieren und austauschen können, wie die Gesellschaft weiter vorangebracht, die Gleichstellung der Geschlechter verbessert und die Zahl der Frauen in Führungspositionen gefördert und positiv entwickelt werden kann. Das Forum präsentiert weibliche Keynote-Speakerinnen, die alle international für ihren Beitrag zur Förderung der Gesellschaft anerkannt sind, und versammelt über 450 Gesprächspartnerinnen aus der ganzen Welt, die nur auf Einladung teilnehmen können. Weitere Informationen sind unter https://womenleaders.global/ verfügbar.

Über Kantar
Kantar ist eines der weltweit führenden Unternehmen für Daten, Insights und Beratungsleistungen. Wir verstehen, was Menschen denken, fühlen, einkaufen, wählen, lesen, sehen und teilen. Die mehr als 30.000 Mitarbeiter von Kantar kombinieren Fachwissen über menschliches Verhalten mit fortschrittlichen Technologien und tragen so zum Erfolg und Wachstum von weltweit führenden Unternehmen und Organisationen bei. Weitere Informationen stehen unter www.kantar.com zur Verfügung.
 
Kontakt: AxiCom GmbH, Anne Klein | anne.klein@axicom.com | www.axicom.com

Gesellschaft | Politik, 11.11.2020

     
        
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