Energie für den Wandel
Ein Kreativer zeigt, was als Nächstes kommt
Wir befinden uns aufgrund der Corona-Pandemie in der größten Krise des 21. Jahrhunderts. Wie massiv die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Umwälzungen sein werden, ist noch gar nicht abzusehen. Hans Reitz denkt die Zukunft vor und zeigt mit seiner Kreativität, was als Nächstes kommt. Weltweit setzt er sich für die Entwicklung sozialer Projekte ein und verbreitet als Kreativberater von Friedensnobelpreisträger Professor Muhammad Yunus die Idee des Social Business. Als einer von wenigen Experten hat er ein tiefes Verständnis von Unternehmenskultur.
Momentan scheinen viele Menschen aus Angst davor, etwas Falsches zu tun, lieber gar nichts zu machen, erst einmal abzuwarten und sich zurückzuziehen. Wie denkst du darüber?

Wie gehst du mit der überall zu spürenden Verunsicherung und der gesamten Situation um?
Wir wurden alle in das Ereignis des unbekannten Unbekannten gestoßen. Ein Vulkanausbruch ist für die meisten Menschen unbekannt. Wenn er dann stattfindet, erleben wir das unbekannte Unbekannte. So ähnlich ergeht es uns nun mit der Pandemie. Nun sind mir Pandemien nicht ganz unbekannt, da ich in meiner Zeit in Indien unter anderem Cholera-Einsätze in Hospet miterlebt und begleitet habe. Von 2003 bis 2007 habe ich in Deutschland Krisenpläne für den Fall einer Pandemie mitvermittelt. Als am 5. März mein Wiesbadener Taxifahrer positiv getestet wurde, ging ich von heute auf morgen mitsamt meiner Familie in die freiwillige Quarantäne. Von dem Tag an habe ich meine Agenturräume geschlossen und zusammen mit meinem Team aus dem Home-Office weitergeführt. Zum Glück hat sich niemand von uns infiziert.
Weißt du, wie es dem Taxifahrer ergangen ist?
Es ging ihm zeitweise richtig schlecht. Als er das Krankenhaus verlassen durfte, sagt er, dass er den Himmel noch nie so blau gesehen habe wie jetzt.
Viele Geschäftsfelder sind momentan zum Erliegen gekommen. Wie geht so ein kreativer Kopf wie du damit um?
Die Frage ist, wo werden wir gebraucht im Hier und Jetzt. Im Beratungsgeschäft und in der Wissensvermittlung sind wir mehr denn je gefragt, da wir Antworten und Lösungen für die grassierende Verunsicherung anbieten können. Im Bereich Hospitality mussten wir unser Café perfect day notgedrungen vorübergehend schließen. Schwierig sieht es im Eventbereich aus, da nahezu alle Veranstaltungen unserer Kunden abgesagt oder verschoben wurden. Da, wo es möglich war, haben wir sehr erfolgreich hybride Events aus physischem und virtuellem Treffen auf die Beine gestellt – auch international. Aber wir merken es doch alle bei den unzähligen Zoom-Meetings und Skype-Calls: Nach einer Eingewöhnung funktioniert nun zwar alles reibungslos, aber es fehlen so viele, wichtige menschliche Aspekte dabei. Das gilt umso mehr für Veranstaltungen. Ohne den mit allen Sinnen spürbaren Erlebnismoment wird aus einem Ereignis kein inspirierendes Erlebnis. Wir Menschen brauchen die Nähe von Menschen. Deshalb organisieren wir vom 26. bis 28. Juni in der Messe München mit dem „Summer of Purpose" ein hybrides Event unter strengen Hygienevorkehrungen. Für ein gemeinsames Verständnis der neuen Realität müssen wir uns die eine zentrale Frage stellen: Was haben wir in den letzten 100 Tagen gelernt? Wir wollen deshalb voneinander lernen, Wissen teilen und kluge Menschen miteinander verweben. Ich bin davon überzeugt, dass wir nahezu alle Probleme lösen können, wenn wir das jedem von uns innewohnende Sozial- und Gemeinschaftsbewusstsein gewissenhaft aktivieren können. Dieses Ereignis ist eine einzigartige wissenschaftliche und praxisorientierte kreative Konstellation. Wir werden diskutieren, was eine Kultur des Friedens ist. Orientierung geben die UN-Menschenrechte – wir erinnern uns am 26. Juni an 75 Jahre Human Rights – und die von den United Nations formulierten Sustainable Development Goals. Wir diskutieren auch deutlich mit den politischen Kräften über die Bedeutung eines „Honoris Europa" und über eine notwendige Gesellschaftstransformation.
Ein Stichwort dieser Tage ist Solidarität. Du selbst propagierst seit jeher eine stärkere Solidaritätskultur. Was genau meinst du damit?
Professor Yunus würde sagen, eine Super Solidarität brauchen wir jetzt! Es ist eine der wirksamsten Kräfte, um sich gegen die Herausforderungen zu wappnen. Ich komme aus der Donau-Region. Mindestens einmal im Leben ist die Donau so hoch, dass sie dir beinah alles nimmt. Wenn das Wasser weggeht, heißt es nur „pack mas o", und man baut gemeinsam alles wieder auf – damit das Leben im Dorf wieder beginnen kann. Diese Solidarität zeichnet uns Menschen aus. Der Zusammenhalt in der Krise ist jetzt das entscheidende Momentum.
Was ist dir darüber hinaus im Moment wichtig?

So schwierig die Situation für die Unternehmer und jeden Einzelnen in Deutschland auch ist: Es sollte uns mit Demut erfüllen, wie privilegiert wir hier leben. Einfühlungsvermögen, Mitfühlungsvermögen, Achtsamkeit und die Hinführung zur Barmherzigkeit sind mir sehr wichtig. Wir sollten immer schauen, wem es schlechter als uns geht. Für wen kann ich jetzt da sein? Viele Menschen sind aktuell in Not. Menschen, die ihren Job verloren haben und die nicht von einem sozialen Netz aufgefangen werden. Menschen, die nicht mit dem psychischen Stress umgehen können und in Depressionen und Alkohol versinken. Frauen und Kinder, die unter häuslicher Gewalt leiden. Mir ist wichtig, dass jeder, der helfen kann, auch tatsächlich Hilfe leistet und Halt gibt. Großherzigkeit besteht ja nicht darin, dass ich ein kleinwenig abgebe, wenn ich viel habe. Sie zeigt sich vielmehr darin, dass ich etwas abgebe, weil ich die Bedürftigkeit sehe – auch wenn ich nicht im Reichtum schwimme.
Wie setzt du das konkret für dich um?
Ich habe gleich zu Beginn der Pandemie, als von einer Maskenpflicht noch gar keine Rede war, von einer Nachbarin für 500 Euro Masken nähen lassen. Die habe ich dann in meinem Umfeld verschenkt. Zum Beispiel an Oskar, der alkoholabhängig ist und auf der Straße lebt. So komme ich mit den Menschen in persönlichen Kontakt und spüre, dass die Einsamkeit so sehr zunimmt.
Wie sieht die Zeit nach Corona aus deiner Sicht aus?
Die Corona-Pandemie bringt Leidvolles und Wertvolles. Gleichwohl möchte ich betonen, dass eine Krankheit nichts Gutes in sich hat. Wenn die Pandemie eines Tages hinter uns liegt, werden viele dennoch auch positive Erinnerungen an diese Zeit haben. Weil sie die Geschwindigkeit gedrosselt haben. Weil sie wieder mehr die Natur genossen und wertgeschätzt haben. Weil sie mehr Zeit mit ihren Partnern und ihren Kindern verbracht haben. Weil wieder mehr gespielt und gelesen wurde. Weil man wieder einmal mehr gemerkt hat, was gute Nachbarschaft bedeutet und warum wir auch unsere liebgewonnenen Cafés, Bars, Restaurants und Boutiquen für unser Wohlbefinden und ein gutes Lebensgefühl nicht missen möchten. Wir haben gemerkt, dass uns das Leben kein Recht auf Planbarkeit gibt. Wir sind alle Beginner. Es gilt immer wieder neu, unsere Talente zu aktivieren und unsere Fähigkeiten zu nutzen. Außerdem müssen wir alle permanent dazu lernen. So haben wir soeben gelernt, dass wir mehr Gemeinschaftsbewusstsein benötigen.
Bei allem, was du tust: Was ist die Quelle für deine scheinbar unerschöpfliche Energie?
Ich bin ein Mensch. Der Mensch interessiert sich am meisten für den Menschen, also die Neugier. Persönlichkeiten wie Mahatma Gandhi, Professor Muhammad Yunus und Jane Goodall führen mich zu einer inspirativen Ebene. Ich gestalte gerne als Gastgeber die Zeit und möchte sie schön machen. Die Zeit möchte ich immer mit dem Bewusstsein der Schönheit und der Liebe widmen. Ein Menschenfreund halt.
Zur Person: Geboren in Niederbayern, wohnt und arbeitet Hans Reitz in Wiesbaden und ist doch in der ganzen Welt zu Hause. Ständig in Bewegung, kreiert er Erlebnisse, steht im engen Austausch mit Politikern, Unternehmenslenkern und Einmischern und en passant erfindet er sich und andere neu. Nach dem Studium von klassisch südindischer Musik organisierte er Zirkus-, Theater- und Kulturprojekte, bis er vor 26 Jahren die Agentur circ für Live Communication und Creative Consulting gründete, die mehrmals als kreativste Agentur Deutschlands ausgezeichnet wurde. Außerdem betreibt er mit perfect day ganz auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Kaffee-Franchise-Oasen mit Waldkaffee aus den eigenen Plantagen in Südindien. Seit 2007 ist er Kreativberater von Friedensnobelpreisträger Professor Muhammad Yunus mit dem er 2009 das „Grameen Creative Lab" zur Verbreitung von Social Business gründete.
Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 10.06.2020
Dieser Artikel ist in forum 02/2020 - die Corona-Sonderausgabe - Einfach zum Nachdenken... und Handeln erschienen.

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