Moderne selbstbestimmte Hochkultur
Globales Miteinander mit Zufriedenheit, Gesundheit, Selbstvertrauen und Dankbarkeit
Vor etwa 40 Jahren hatte ich ein unvergessliches Gespräch mit einem sehr gebildeten, kultivierten Griechen, der als internationaler Manager tiefen Einblick ins Marketing hatte. Nach intensiven Diskussionen über die griechischen Götter und deren Mythen kam das Thema Hochkultur zur Sprache. Ich fragte: „Was macht eine Hochkultur überhaupt aus?" „Die unerfüllbaren menschlichen Sehnsüchte wie: unbegrenzter Reichtum, bedingungslose Liebe, garantierte Gesundheit, ewige Schönheit,absolute Freiheit, großartiges Selbstbewusstsein und so weiter. Diese werden in einer Hochkultur integriert und die damit verbundene Energie wird ins Gemeinwohl gesteuert. Dankbarkeit, Bescheidenheit, Zufriedenheit und auch Demut sind Möglichkeiten, mit der begrenzten Erfüllbarkeit dieser Wünsche zurechtzukommen, ohne die Selbstachtung zu verlieren und verbittert zu werden. In unserer modernen Welt ist es umgekehrt: Diese unerfüllbaren Sehnsüchte der Menschen dienen als Aufhänger im Marketing für Produkte, die keine Wunscherfüllung bieten können und auch nicht sollen, denn sie sollen diese Sehnsüchte nur weiter anheizen, um damit die Nachfrage zu steigern. Das klingt unlogisch, trotzdem funktioniert es für die Wirtschaft sehr gewinnbringend. Und das ist die Basis unseres enormen Wirtschaftswachstums und der üppigen Konsumgesellschaft."
So erinnere ich die Antwort. Und ich war fassungslos und entsetzt, dass unser System auf der inneren Zerrissenheit der Menschen aufbaut und es nicht zulässt, sich mit der sehr begrenzten Erfüllbarkeit dieser Sehnsüchte abzufinden. Und das alles nur, um den Konsumüberfluss (Konsumterror?) samt Umweltkatastrophen zu garantieren. Bescheidenheit, Dankbarkeit und Zufriedenheit dürfen keine Tugenden mehr sein, weil sie doch das Wirtschaftswachstum hemmen. Dass Werbung zweifelhafte Methoden nutzt, wusste ich natürlich längst, aber dass es so schlimm ist, wurde mir erst damals klar. Und seitdem erlebe ich es so oft in Einkaufszentren, dass ich so erleichtert an Schaufenstern vorbeigehen kann, weil ich auf den ganzen „Blödsinn" nicht mehr reinfalle und dankbar bin, dass ich den Trick durchschauen kann.
Diese systemrelevante „Nicht-Wunsch-Erfüllung" bei gleichzeitigem Lifestyle-Kult der Promis schlägt beim Konsumenten auf die Stimmung und macht es immer schwerer, sich mit den eigenen Lebensbedingungen abzufinden. Um sich nicht selbst als Versager fühlen zu müssen, bietet es sich an, Sündenböcke zu identifizieren und Frust und Hass dort abzulassen. Welche Auswirkung hat diese Marketingstrategie auf unsere Gesellschaftskultur und die Demokratie? Die Demokratie sollte doch auf authentischen und kompetenten Individuen mit stabilem Selbstvertrauen basieren. Und gleichzeitig werden die Bürger mit vollem Einsatz von Neurowissenschaft und Psychologie in der Werbung maximal manipuliert. Wenn man sich erstmal an Werbemanipulation gewöhnt hat, wie sollte man sich dann gegen Politikmanipulation und Fake News wehren können? Grenzt das nicht schon an Verletzung der Menschenrechte? Sind wir vielleicht in einer (Primi-)Tief-Kultur angekommen? Und wie geht es unserem Planeten dabei?
Ist es jetzt nicht höchste Zeit, Werbung von diesen „fake -Versprechungen" zu reinigen und auf wahrheitsgemäße Produktinformation zu konzentrieren? Das könnte als eine verrückt erscheinende Forderung empfunden werden, aber die Reglementierung der Zigarettenwerbung hat sich doch schon bewährt! Es ist eine dringende Aufgabe der Politik, die Regulierung von Marketing und Werbung so zu gestalten, dass der Konsument mehr informiert als manipuliert wird und damit die Entwicklung einer individuellen „Konsumenten-Würde" ermöglicht und sogar fördert.
Der Corona-Virus mit seinen dramatischen Auswirkungen auf alles und jeden, auch auf die Verringerung der eigenen Kaufkraft sowie das reduzierte Angebot, ist eine Herausforderung für uns, angemessen damit umzugehen. Das macht uns vielleicht bewusst, dass wir unseren Konsum erst mal auf das für uns Wesentliche konzentrieren müssen. Und schon sind wir bei der Kernfrage: Was brauche ich wirklich, um zufrieden, gesund und glücklich mit mir selbst und zusammen mit anderen Menschen friedlich und nachhaltig leben zu können?
So können wir unsere eigene Hochkultur entwickeln.
Aber wie? In Zeiten der Einschränkungen, Ruhe und der erwarteten geringeren Kaufkraft muss jeder mal darüber nachdenken, wie sie/er weiter machen will. Das könnte Anregung dazu sein, sich mal konkret Gedanken zu machen darüber:
- Was sind die Produkte und Dienstleistungen, die für meine Familie und mich wirklich existentiell notwendig sind? Und was sind die Gründe dafür?
- Worauf müssen und wollen wir in Zukunft verzichten? Aus persönlichen Gründen und zu Gunsten der Umwelt?
- Was kann und will ich selbst zu dieser selbstbestimmten Wende in Richtung unserer eigenen selbstbestimmten Hochkultur beitragen?
Diese persönliche Klarheit konsequent umgesetzt, ist die aktuelle Gelegenheit unseren Einfluss als Kunden zum Einsatz zu bringen. Wir können uns auch zivilgesellschaftlich für die Stärkung der Organisationsstrukturen der Gemeinwohl-Ökonomie einsetzen und so dem Profit-Monopol der Wirtschaft eine gerechtere Alternative gegenüber aufbauen. Natürlich ist mir klar, wie unwahrscheinlich die Erfolgsaussichten sind, auch weil die Werbebranche es geschafft hat, starke Einflussfaktoren wie Social Media, Presse, Sport etc. von sich abhängig zu machen. Gar nicht zu reden von dem Unterhaltungswert der Influencer, die auf ihrem eigenen Egotrip von der Werbung sogar sehr profitabel finanziert werden.
Unsere selbstbestimmte Wende zur eigenen Hochkultur im globalen Miteinander kann uns eine Zukunft mit Zufriedenheit, besserer Gesundheit, Selbstvertrauen und Dankbarkeit bringen, und sogar Mutter Natur wird überleben und wir können stolz auf unsere Leistung sein, die wir unseren Kindern und Enkeln hinterlassen.
Amelie Winhard-Stuart hat als Coach und Entwicklerin jahrzehntelang mit dem Change-Management gearbeitet. Auch in der Pensionierung setzt sie sich weiterhin für den Wandel ein, um die Nachhaltigkeit fortlaufend voranzutreiben.
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