Keinen Millimeter Abweichung
Porsche will in Sachen Nachhaltigkeit eine Vorreiterrolle einnehmen
Albrecht Reimold, Vorstand Produktion und Logistik der Porsche AG, spricht im Interview mit forum über die Strategie des Unternehmens, Corona und die Digitalisierung.
Herr Reimold, welchen Stellenwert hat Nachhaltigkeit in der Zukunftsstrategie von Porsche?
Nachhaltigkeit
steht im Mittelpunkt unseres unternehmerischen Handelns. Wir denken
ganzheitlich: ökologisch, ökonomisch und sozial. Dazu gehört, dass wir schonend
mit Ressourcen umgehen und zum Beispiel kontinuierlich unseren Wasser- und
Energieverbrauch reduzieren, um die Umweltauswirkungen unserer
Geschäftstätigkeit nachhaltig zu verringern. In diesem Bestreben lassen wir
nicht nach, sondern entwickeln das Unternehmen kontinuierlich in Richtung
unserer Vision weiter: Porsche soll die nachhaltigste Marke für exklusive und
sportliche Mobilität werden.
Wie werden diese Strategie und das Unternehmen als Ganzes
von der Corona-Krise beeinflusst?
Wir konnten im März und April vergangenen Jahres
sechs Wochen lang nicht produzieren, das war ein harter Schlag. Anfang Mai war
es dann möglich, die Produktion Schritt für Schritt wieder hochzufahren. Trotz
der Einschränkungen haben wir unsere Strategie und alle Zukunftsprojekte
konsequent weiter vorangetrieben. In den nächsten fünf Jahren investieren wir
15 Milliarden Euro in die Elektromobilität, nachhaltige Produktion und digitale
Transformation. Wir machen hier keine Abstriche, sondern stehen zu den CO2-Zielen
und weichen keinen Millimeter von unserer Nachhaltigkeitsstrategie ab.
Teile der "alten Wirtschaft" fordern ja die
Klima- und Nachhaltigkeitsthemen zurückzufahren und sich voll auf einen
klassischen Wiederaufbau zu konzentrieren. Wie steht Porsche dazu?
Porsche bekennt sich zu den 2015 in Paris vereinbarten
Klimazielen und übernimmt Verantwortung. Seit 2015 haben wir den CO2-Ausstoß
in der Produktion pro produziertem Fahrzeug um mehr als 75 Prozent gesenkt.
Seit 2020 fertigen wir alle Fahrzeuge in der Produktion am Standort
Zuffenhausen sogar CO2-neutral. Auf dem Erreichten ruhen wir uns
nicht aus, es ist Ansporn, die Emissionen weiter zu reduzieren. Wichtig ist uns
eine Betrachtung über die gesamte Wertschöpfungskette: Konkret bewerten wir
nicht nur die Emissionen der eigenen Produktion, sondern des gesamten
Lebenszyklus der Fahrzeuge – von der Materialgewinnung bis hin zum Recycling.
Welche Rolle spielt dabei die Digitalisierung?
Innovationskraft und
nachhaltiges Handeln bedingen einander. Nur durch konsequente und schnelle
technologische Innovationen lassen sich die vor uns liegenden Herausforderungen
bewältigen. Bei uns hat Zukunft Tradition: Wir haben schon immer auf die
Verbindung unserer Ingenieurswurzeln mit den Technologien von morgen gesetzt. Innovationen
sind der Schlüssel für die Zukunft. Vor diesem Hintergrund investieren wir in
die digitale Transformation und bauen zugleich unsere Kompetenzen weiter aus –
mit dem Ziel, der führende Anbieter für digitale Mobilitätslösungen im
automobilen Premiumsegment zu werden.
Geben Sie dafür bitte mal ein konkretes Beispiel: Wie
wird die Verbindung von Digitalisierung und Nachhaltigkeit etwa in der
Lieferkette umgesetzt?
Die Corona-Krise hat gezeigt, wie wichtig die Widerstandsfähigkeit
von Versorgungssystemen bei plötzlich auftretenden Krisen ist. Wir möchten aber
auch die volle Transparenz der Lieferketten, um in Bezug auf deren
Nachhaltigkeit, jederzeit über mögliche Risiken informiert zu sein. Dafür
erproben wir Technologien wie Blockchain und künstliche Intelligenz.
Beispielsweise haben wir ein Pilotprojekt zur Rückverfolgbarkeit der
vollumfänglichen Lieferkette bei Lederhäuten mit einer Blockchain-Lösung
gestartet, denn uns interessiert
auch die Herkunft und Verarbeitung in den Vorstufen dieses
Naturprodukts.
Vor welchen Herausforderungen stehen Sie im Zusammenspiel
mit den Zulieferern?
Die Lieferketten im
Automobilsektor sind grundsätzlich komplex und dynamisch. Künftig kommt es noch
stärker darauf an, ein gemeinsames Verständnis für Nachhaltigkeit zu erarbeiten
und die Lieferketten möglichst transparent und nachvollziehbar zu machen. Vor
diesem Hintergrund hat Porsche vor mehr als einem Jahr das sogenannte S-Rating
eingeführt. S steht für Sustainability. Damit heben wir die Bedeutung des
Themas in der Beschaffung auf das gleiche Level wie die Faktoren Qualität,
Kosten und pünktliche Logistik. Neben Fragen zu Umweltauswirkungen und Sozialem
beinhaltet das S-Rating auch Compliance-Anforderungen. Damit erhalten wir
verbindliche Aussagen über die Umwelt- und Energiemanagementsysteme sowie die
Arbeitsbedingungen bei unseren Partnern.
Porsche ist Partner des Gemeinschaftsprojektes "nachhaltig.digital" von B.A.U.M. und der Deutschen Bundesstiftung Umwelt.
Worin sehen Sie die besondere Bedeutung dieses Projektes?
Als
Kompetenzplattform vernetzt "nachhaltig.digital" Fachexperten aus
unterschiedlichen Branchen miteinander. Das Ergebnis sind neue, kreative Ideen.
Gemäß unserer Strategie sind die Bereiche Nachhaltigkeit und Digitalisierung
von zentraler Bedeutung. In dem Zusammenschluss dieser beiden Themen sehen wir
hohes Potenzial für frische Impulse und dafür, dass bisherige Denkblockaden
aufgebrochen werden.
Wie werden sich die gesellschaftlichen Veränderungen
durch Corona auf das zukünftige Mobilitätsverhalten auswirken? Welche
Veränderungen erwarten Sie und welche Rolle spielt der PKW dabei?
Jeder überlegt sich nun, was wirklich wichtig ist im Leben.
Etablierte Verhaltensweisen werden hinterfragt und man besinnt sich auf das
Wesentliche. Das Leben wird bewusster, davon können wir alle profitieren. Im Bereich der Mobilität glaube ich, dass insbesondere die
Elektromobilität noch einmal einen deutlichen Schub erhält. Wichtig wird in
Zukunft aber auch weiterhin eine Vielfalt an Mobilitätssystemen sein, die
individuelle Präferenzen und Bedürfnisse berücksichtigt. Bei
Porsche haben wir bereits vor Jahren eine klare, nachhaltige Produktstrategie
beschlossen. Sie beruht auf einem Dreiklang aus effizienten Verbrennungsmotoren,
emissionsarmen Hybridmodellen und rein elektrischen Fahrzeugen. Diese Strategie
treiben wir weiter voran. Mehr denn je rücken dabei emissionsarme Technologien
in den Vordergrund. Bereits 2025 wird jeder zweite Porsche einen Elektromotor
haben – als Hybridfahrzeug oder reiner Elektrosportwagen. Damit möchten wir
eine technologische Vorreiterrolle übernehmen. Die Weltregionen entwickeln sich
in Bezug auf die Elektromobilität und ihren infrastrukturellen Ausbau aber
stark unterschiedlich. Daher befassen wir uns zusätzlich mit synthetischen
Kraftstoffen, bei denen wir auch Möglichkeiten für alle Bestandsfahrzeuge
sehen. Experten zufolge hätten sogenannte eFuels großes Potenzial und könnten
mehrere Millionen Tonnen CO2 im Jahr einsparen.
Herr Reimold, wir bedanken uns für das Gespräch.
Albrecht Reimold absolvierte eine Ausbildung zum Werkzeugmacher und erwarb anschließend einen Abschluss als Diplom-Ingenieur Produktionstechnik. Nach diversen Stationen in der Automobilindustrie wurde er 2016 Mitglied des Vorstandes Produktion und Logistik der Dr. Ing. h.c.F. Porsche AG, Stuttgart.
Technik | Mobilität & Transport, 20.01.2021
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