BIOFACH 2025

Der Alnatura Campus

Begegnungsort für die Region

Diesen Beitrag von Jonas Theile, Alnatura Produktions- und Handels GmbH, finden sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2020 - Nachhaltige Stadt. Unternehmen als Akteure im urbanen Raum.
 
Seit Januar 2019 befindet sich der Alnatura Firmensitz auf dem neu angelegten Alnatura Campus im Südwesten Darmstadts. Nach fast 30 Jahren im nahe gelegenen Bickenbach, bietet der Standort genügend Platz für bis zu 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Alnatura Arbeitsgemeinschaft. Für den 55.000 Quadratmeter großen Alnatura Campus wurde das ehemalige US-Kasernengelände der Kelley-Barracks im Südwesten von Darmstadt umfassend neugestaltet.

Auf einer zuvor größtenteils zubetonierten Fläche, die militärisch genutzt wurde, ist der Alnatura Campus entstanden. Renaturierte Flächen, Pachtparzellen, Schulgärten und ein vegetarisches Restaurant laden zum Verweilen und Mitmachen ein. © Alnatura/ Olaf Wiechers/ Troldtekt
Das Gelände ist im Norden, Osten und Süden durch Wohnbebauung und gewerbliche Nutzungen aus den Bereichen Dienstleistung, Produktion und Entwicklung und im Westen durch Wald beziehungsweise Baumbestand geprägt. Innerhalb der Konversionsflächen stellt der Alnatura Campus den Übergang aus dem Naturraum Westwald zur städtischen Bebauung dar. Der Auftrag an das Architektur- und Planungsteam lautete entsprechend: Die zum Großteil versiegelte Fläche soll renaturiert werden, sodass eine attraktive Arbeitsumgebung und ein Erholungs- und Begegnungsort für die Öffentlichkeit entstehen.
 
Begegnungsort für die Region
Die Verwandlung des ehemaligen Militärgeländes in einen Campus versinnbildlicht den Alnatura Leitgedanken, Sinnvolles für Mensch und Erde zu gestalten. Als verbindendes Element zwischen Wald und Stadt lädt der Campus dazu ein, Natur und Bio-Landwirtschaft im städtischen Raum zu erleben. Ein großer Teil der Außenflächen des Campus ist öffentlich zugänglich. Ein Entdeckungspfad führt die Besucherinnen und Besucher entlang eines Naturteichs, vorbei an Flugsanddünen mit dem regionstypischen Magerrasen bis hin zu einem „Marktplatz", der mit einer Gartenküche und einem Außenbackofen Platz für Veranstaltungen wie Brotbackkurse und zahlreiche weitere Seminare bietet. Entlang des Weges finden sich zudem ein Kräutersinnesgarten und ein kleiner Weinberg, ein Naturtheater, gebaut aus Betonbruchstücken des ehemaligen Panzerübungsplatzes, eine Streuobstwiese und ein Schulgarten der Montessori-Schule Darmstadt.

Die Alnatura Arbeitswelt wurde aus energetischen Gründen mit ihren Längsseiten konsequent nach Nord/ Süd ausgerichtet. Der angrenzende Westwald versorgt das Gebäude mit kühlender und frischer Waldluft. © Alnatura/ Marc Zeitler
Auf einer Fläche von 5.000 Quadratmetern befinden sich 100 Pachtparzellen der „Ackerhelden". Das junge Unternehmen bepflanzt dort Ackerflächen mit vielseitigen Gemüsesorten und vermietet diese parzellenweise. Die Ackerheldenfläche ist nach den Richtlinien des Ökoanbauverbands Bioland zertifiziert. Die Pächter der Gärten – interessierte Menschen aus der Umgebung wie auch Alnatura Mitarbeitende – werden zu Erzeugern von Bio-Gemüse und entwickeln einen vertieften Bezug zu Natur und Bio-Landwirtschaft. Fast 90 Kinder aus Darmstadt und der näheren Umgebung besuchen den öffentlichen KinderNaturGarten, der auf der naturnahen Waldorfpädagogik basiert.

Im Erdgeschoss der Alnatura Arbeitswelt befindet sich das vegetarische Restaurant tibits, das fast ausschließlich Bio-Lebensmittel verarbeitet. Ein Teil des Gemüses wird auf Parzellen der Ackerheldenfläche angebaut. Das Restaurant bietet Platz für 200 Personen sowie eine Außenterrasse mit Sicht auf den Naturteich. Aus rund 40 hausgemachten, saisonalen Gerichten stellen die Gäste, zu denen auch die Alnatura Mitarbeitenden zählen, ihr Menü an einem Buffet selbst zusammen. Für eine nachhaltige Anreise können Leihräder oder -Pkw am Campus zurückgegeben oder ausgeliehen und Elektro-Pkw während des Besuchs geladen werden. 
 
Die Alnatura Arbeitswelt
Tageslicht, Besprechungsinseln und Stillarbeitszonen sowie eine flexible Sitzplatzbelegung prägen die Alnatura Arbeitswelt und fördern Kommunikation, Kreativität und Transparenz. Die Industrielampen an den Decken der Alnatura Arbeitswelt stammen aus den ehemaligen Panzerhallen auf dem Gelände; sie wurden aufbereitet und mit LED Leuchtmitteln ausgestattet. © Alnatura/ Eduardo Perez
Herzstück des Geländes ist die Alnatura Arbeitswelt. Die symbiotische Verbindung mit der umgebenden Natur, die nachhaltige Nutzung vorhandener Ressourcen und eine schlichte, naturnahe Ästhetik sind zentrale Momente dieses Baus. Natürliche und nachhaltige Materialien und ein geringer Energiebedarf über den gesamten Gebäudelebenszyklus zeichnen die neue Alnatura Arbeitswelt aus. Mit 13.500 Quadratmetern ist sie das europaweit größte Bürogebäude mit Wänden aus Stampflehm. Lehm aus dem Westerwald, Lavaschotter aus der Eifel und Material aus dem Tunnelaushub von Stuttgart 21 wurden zu 3,5 Meter langen, einen Meter hohen und circa 70 Zentimeter breiten Elementen gestampft.

Die Fertigung der 384 Stampflehmblöcke erfolgte in den ehemaligen Panzerhallen auf dem Gelände, was Transportwege einsparte. Weltweit erstmals im Einsatz: eine in die Wände eingebaute und mittels Geothermie betriebene Wandheizung, die den Wärmebedarf des Gebäudes deckt. An rund 60 Tagen im Jahr wird zusätzlich Erdgas bezogen, um die Heizung zu Spitzenlastzeiten zu unterstützen. 

Im Gebäude verzichtet Alnatura weitgehend auf ressourcenverbrauchende und wartungsintensive Klima- und Lüftungsgeräte: Der angrenzende Kiefernwald ist die Quelle für Frischluft. Über Ansaugtürme am Waldrand wird die Luft in einen Erdkanal geleitet, der ins Gebäude führt. Für den Antrieb des Luftstroms sorgt der Kamineffekt des sich über die komplette Länge des Gebäudes ziehenden Atriums. 25 Prozent des Strombedarfs deckt eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Der Rest wird über den Ökostromanbieter Elektrizitätswerke Schönau bezogen. Wasser für die Toilettenspülungen und die Außenanlagen entstammt einer unterirdischen Zisterne mit einer Million Liter Fassungsvermögen.

Im März 2019 zeichnete die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen die Alnatura Arbeitswelt mit der Bestnote Platin aus. Besonders erfreulich: In der ökologischen Qualität erreicht das Gebäude 100 Prozent. Im November 2019 wurde sie zusätzlich mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis Architektur ausgezeichnet. Sie überzeugte die Jury insbesondere „durch eine außerordentliche ganzheitliche Qualität, die zukunftsweisend ist und die Möglichkeiten einer nachhaltigen Bauweise umfassend auslotet." 
 
Jonas Theile arbeitet seit 2014 in der Abteilung Nachhaltigkeit bei dem Bio-Lebensmittelhändler Alnatura Produktions- und Handels GmbH und ist für die Weiterentwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeit im Unternehmen zuständig. Zudem war er als Referent für die Hochschule Darmstadt tätig.

Quelle: B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften

Gesellschaft | Green Cities, 01.12.2020

     
        
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