Der Alnatura Campus
Begegnungsort für die Region
Diesen Beitrag von Jonas Theile, Alnatura Produktions- und Handels GmbH, finden sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2020 - Nachhaltige Stadt. Unternehmen als Akteure im urbanen Raum.
Seit Januar 2019 befindet sich der Alnatura Firmensitz auf dem neu angelegten Alnatura Campus
im Südwesten Darmstadts. Nach fast 30 Jahren im nahe gelegenen Bickenbach, bietet der Standort
genügend Platz für bis zu 500 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Alnatura Arbeitsgemeinschaft.
Für den 55.000 Quadratmeter großen Alnatura Campus wurde das ehemalige US-Kasernengelände
der Kelley-Barracks im Südwesten von Darmstadt umfassend neugestaltet.
Das Gelände ist im Norden, Osten und Süden durch Wohnbebauung und gewerbliche Nutzungen aus
den Bereichen Dienstleistung, Produktion und Entwicklung und im Westen durch Wald beziehungsweise
Baumbestand geprägt. Innerhalb der Konversionsflächen stellt der Alnatura Campus den Übergang
aus dem Naturraum Westwald zur städtischen Bebauung dar. Der Auftrag an das Architektur- und
Planungsteam lautete entsprechend: Die zum Großteil versiegelte Fläche soll renaturiert werden, sodass eine attraktive Arbeitsumgebung und ein Erholungs- und Begegnungsort für die Öffentlichkeit
entstehen.
Begegnungsort für die Region
Die Verwandlung des ehemaligen Militärgeländes in einen Campus versinnbildlicht den Alnatura
Leitgedanken, Sinnvolles für Mensch und Erde zu gestalten. Als verbindendes Element zwischen Wald
und Stadt lädt der Campus dazu ein, Natur und Bio-Landwirtschaft im städtischen Raum zu erleben. Ein großer Teil der Außenflächen des Campus ist öffentlich zugänglich. Ein Entdeckungspfad führt die
Besucherinnen und Besucher entlang eines Naturteichs, vorbei an Flugsanddünen mit dem regionstypischen Magerrasen bis hin zu einem „Marktplatz", der mit einer Gartenküche und einem Außenbackofen Platz für Veranstaltungen wie Brotbackkurse und zahlreiche weitere Seminare bietet. Entlang
des Weges finden sich zudem ein Kräutersinnesgarten und ein kleiner Weinberg, ein Naturtheater, gebaut aus Betonbruchstücken des ehemaligen Panzerübungsplatzes, eine Streuobstwiese und ein
Schulgarten der Montessori-Schule Darmstadt.
Auf einer Fläche von 5.000 Quadratmetern befinden sich 100 Pachtparzellen der „Ackerhelden".
Das junge Unternehmen bepflanzt dort Ackerflächen mit vielseitigen Gemüsesorten und vermietet
diese parzellenweise. Die Ackerheldenfläche ist nach den Richtlinien des Ökoanbauverbands Bioland
zertifiziert. Die Pächter der Gärten – interessierte Menschen aus der Umgebung wie auch Alnatura
Mitarbeitende – werden zu Erzeugern von Bio-Gemüse und entwickeln einen vertieften Bezug zu Natur und Bio-Landwirtschaft. Fast 90 Kinder aus Darmstadt und der näheren Umgebung besuchen den
öffentlichen KinderNaturGarten, der auf der naturnahen Waldorfpädagogik basiert.
Im Erdgeschoss der Alnatura Arbeitswelt befindet sich das vegetarische Restaurant tibits, das fast ausschließlich Bio-Lebensmittel verarbeitet. Ein Teil des Gemüses wird auf Parzellen der Ackerheldenfläche
angebaut. Das Restaurant bietet Platz für 200 Personen sowie eine Außenterrasse mit Sicht auf den
Naturteich. Aus rund 40 hausgemachten, saisonalen Gerichten stellen die Gäste, zu denen auch die
Alnatura Mitarbeitenden zählen, ihr Menü an einem Buffet selbst zusammen. Für eine nachhaltige
Anreise können Leihräder oder -Pkw am Campus zurückgegeben oder ausgeliehen und Elektro-Pkw
während des Besuchs geladen werden.
Die Alnatura Arbeitswelt
Herzstück des Geländes ist die Alnatura Arbeitswelt. Die symbiotische Verbindung mit der umgebenden
Natur, die nachhaltige Nutzung vorhandener Ressourcen und eine schlichte, naturnahe Ästhetik sind
zentrale Momente dieses Baus. Natürliche und nachhaltige Materialien und ein geringer Energiebedarf
über den gesamten Gebäudelebenszyklus zeichnen die neue Alnatura Arbeitswelt aus. Mit 13.500
Quadratmetern ist sie das europaweit größte Bürogebäude mit Wänden aus Stampflehm. Lehm aus
dem Westerwald, Lavaschotter aus der Eifel und Material aus dem Tunnelaushub von Stuttgart 21
wurden zu 3,5 Meter langen, einen Meter hohen und circa 70 Zentimeter breiten Elementen gestampft.
Die Fertigung der 384 Stampflehmblöcke erfolgte in den ehemaligen Panzerhallen auf dem Gelände,
was Transportwege einsparte. Weltweit erstmals im Einsatz: eine in die Wände eingebaute und mittels
Geothermie betriebene Wandheizung, die den Wärmebedarf des Gebäudes deckt. An rund 60 Tagen
im Jahr wird zusätzlich Erdgas bezogen, um die Heizung zu Spitzenlastzeiten zu unterstützen.
Im Gebäude verzichtet Alnatura weitgehend auf ressourcenverbrauchende und wartungsintensive
Klima- und Lüftungsgeräte: Der angrenzende Kiefernwald ist die Quelle für Frischluft. Über Ansaugtürme am Waldrand wird die Luft in einen Erdkanal geleitet, der ins Gebäude führt. Für den Antrieb
des Luftstroms sorgt der Kamineffekt des sich über die komplette Länge des Gebäudes ziehenden
Atriums. 25 Prozent des Strombedarfs deckt eine Photovoltaikanlage auf dem Dach. Der Rest wird über
den Ökostromanbieter Elektrizitätswerke Schönau bezogen. Wasser für die Toilettenspülungen und
die Außenanlagen entstammt einer unterirdischen Zisterne mit einer Million Liter Fassungsvermögen.
Im März 2019 zeichnete die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen die Alnatura Arbeitswelt
mit der Bestnote Platin aus. Besonders erfreulich: In der ökologischen Qualität erreicht das Gebäude 100 Prozent. Im November 2019 wurde sie zusätzlich mit dem Deutschen Nachhaltigkeitspreis
Architektur ausgezeichnet. Sie überzeugte die Jury insbesondere „durch eine außerordentliche
ganzheitliche Qualität, die zukunftsweisend ist und die Möglichkeiten einer nachhaltigen Bauweise
umfassend auslotet."
Jonas Theile arbeitet seit 2014 in der Abteilung Nachhaltigkeit bei dem Bio-Lebensmittelhändler Alnatura
Produktions- und Handels GmbH und ist für die Weiterentwicklung und Umsetzung der Nachhaltigkeit im Unternehmen zuständig. Zudem war er als Referent für die Hochschule Darmstadt tätig.
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Gesellschaft | Green Cities, 01.12.2020
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