Das Gewerbe- und Industriegebiet der Zukunft
Im Einklang mit Ökologie und Ökonomie
Diesen Beitrag von Annette Schimmel, Bremerhavener Gesellschaft für Investitionsförderung und Stadtentwicklung mbH, finden sie im B.A.U.M.-Jahrbuch 2020 - Nachhaltige Stadt. Unternehmen als Akteure im urbanen Raum.
Bremen ist mit seinen zwei Städten Bremen und Bremerhaven das kleinste unter den deutschen
Bundesländern. Allerdings konnte Bremerhaven sein Stadtgebiet im Jahr 2010 um fast ein Fünftel durch
Gebietsübertragung aus dem angrenzenden Land Niedersachsen vergrößern. Das hatte zwar seinen Preis,
war aber erforderlich, um ökologische Ausgleichsflächen für die Erweiterung des Containerterminals CT
4a ausweisen zu können. Im Ergebnis ist durch die Gebietsübertragung das größte Naturschutzgebiet
des Landes Bremen auf einer Fläche von rund 1.400 Hektar entstanden – die Luneplate.
Ein Teilbereich aus der Gebietsübertragung der Luneplate war von Beginn an für die gewerbliche
Nutzung vorgesehen und wurde deshalb der stadteigenen Bremerhavener Entwicklungsgesellschaft
Alter/Neuer Hafen (BEAN) übertragen. Diese lässt das ca. 150 ha große Gebiet im Stadtsüden Bremerhavens jetzt von der BIS Wirtschaftsförderung „nachhaltig" entwickeln, denn in Zeiten eines
zunehmenden Umweltbewusstseins sollen künftigen Ansiedlern optimale Rahmenbedingungen für
zukunftsfähiges Wirtschaften zur Verfügung gestellt werden. Von daher wurden für die Entwicklung
des städtebaulichen Konzeptes des Plangebietes schon in der Leistungsbeschreibung folgende grundlegende Prämissen formuliert:
• Mit dem benachbarten Naturschutzgebiet soll behutsam umgegangen werden.
• Die Energieversorgung soll zu 100 Prozent regenerativ erfolgen.
• Das Gebiet soll zukunftsfähig und klimaresilient sein.
• Das Mobilitätskonzept soll weg vom klassischen Individualverkehr hin zur Nutzung von ÖPNV,
Fahrrad, CarSharing-Modellen, Pooling und vernetzter Logistik führen.
• Das erarbeitete Planungs- und Entwicklungskonzept muss (fach-)planungs- und bauordnungsrechtlich realisierbar und etappenweise umsetzbar sein.
„Regenerative Energie" für Mensch und Maschine
Im Rahmen eines dialogorientierten Werkstattverfahrens wurde auf dieser Grundlage von der Arbeitsgemeinschaft urbanegestalt und CITYFÖRSTER das Konzept „Lune Delta" entwickelt. Es zielt
darauf ab, das nachhaltige Gewerbe- und Industriegebiet Lune Delta als integralen Bestandteil der
Lune-Flusslandschaft zu entwickeln. Die Topographie vor Ort – bestimmt von durch Fleete gegliederten Parzellen, Deichrelikten sowie Wasser- und Grünflächen – prägt den Entwurf des Gewerbegebiets
maßgeblich. Vorhandene Gewässer werden Orte der Erholung, und es entstehen neue Parks sowie
Freiflächen, die für ökologische Nutzung, aber auch für Sport- und Freizeitaktivitäten offenstehen. In
einem breit angelegten Netz aus Rad- und Fußwegen sind außerdem schnelle Verbindungen ins Grüne
oder in die Innenstadt möglich.
Im Innern des Gebiets wird eine zusammenhängende Grünfläche als Landschaftspark gestaltet. In
Gräben und Wasserflächen nimmt dieser Niederschlagswasser auf und bietet einen gemeinschaftlich
nutzbaren Frei- und Erholungsraum. Die sog. „Commons" bestehen aus Gemeinschaftsflächen mit
verschiedenen Sharing-Angeboten, z.B. im Bereich Arbeitsstätten, Mobilität oder Kinderbetreuung.
Ein Gründerzentrum mit Schwerpunkt „Green Economy" soll darüber hinaus eine Keimzelle für neue
Formen des gemeinsamen und vernetzten Wirtschaftens sein, ergänzt um ein Gebietsmanagement,
das Stoffströme lenkt, die Unterhaltung des Gebietes für alle managt und auf diese Weise hilft, Ressourcen und Kosten zu sparen.
Zu den besonderen Rahmenbedingungen des Projektes zählt ein Versorgungskonzept, das zu 100
Prozent auf den „Erneuerbaren" beruht und Pilotprojekte zum Energiesystem der Zukunft möglich
macht. Beispielsweise soll in der unmittelbaren Nachbarschaft Windstrom – in einem bundesweit bislang
einzigartigem Testfeld für Elektrolyseure – in grünen Wasserstoff umgewandelt werden.
Platin für das Lune Delta
Die laufende Erschließungsplanung wird intensiv durch die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges
Bauen (DGNB) begleitet und ganzheitlich nach drei maßgeblichen Kriterien entwickelt:
• ökologische und ökonomische Qualität
• technische Qualität und Prozessqualität
• soziokulturelle und funktionale Qualität
Die DGNB hat Lune Delta mit der höchsten Bewertungsstufe (Platin) ausgezeichnet und ein Vorzertifikat
für die Erschließungsplanung verliehen. Die detaillierten Handlungsempfehlungen der DGNB werden
in der weiteren Planung und Umsetzung des Gebietes als verbindliche Richtlinie in ein Pflichtenheft
übernommen. Für das Areal werden außerdem verbindliche Nachhaltigkeitskriterien formuliert, die
auch Eingang in die Bebauungsplanung und in die Grundstücksverträge finden sollen.
Der Zeitplan der Wirtschaftsförderer geht davon aus, dass 2020 das Bebauungsplanverfahren stattfindet.
Nach der Ausführungsplanung kann mit dem 1. Bauabschnitt voraussichtlich 2022 begonnen werden.
Annette Schimmel ist Wirtschaftswissenschaftlerin und arbeitet seit 20 Jahren für die Wirtschaftsförderung
Bremerhaven. Während dieser Zeit hat sie spannende Projekte für und in Bremerhaven entwickelt, mit dem Ziel,
die von Strukturkrisen geprägte Hafenstadt zu modernisieren. Derzeit setzt sie gemeinsam mit weiteren Akteuren
die Green Economy Strategie für Bremerhaven um.
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Gesellschaft | Green Cities, 01.02.2021
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