EBS Executive School: Top-Weiterbildung in Sustainable Finance & Sustainable Business

Mehr als Kapitalismus und Kommunismus

Neue Rechtsformen für Unternehmen könnten Wunder wirken

Unsere privatwirtschaftliche Eigentumsordnung soll die Leistungsgesellschaft fördern. Doch ab einer gewissen Größenordnung führt sie zum Neofeudalismus. Andere, moderne Rechtsreformen sind deshalb gefragt wie nie zuvor.
 
Shopping für Superreiche: Mal eben so den Besitz eines Unternehmens erwerben, mit hunderttausenden Mitarbeitern und allen dazugehörenden Machtprivilegien. Darf dies möglich sein? Die heutige Eigentumsordnung der Wirtschaft und damit die private Käuflichkeit von Unternehmen wird gewöhnlich so begründet: Mit privatem Eigentum würde man sich mehr Mühe geben und entsprechend effektiver wirtschaften; eigene Leistung werde belohnt. Im Sozialismus habe man gesehen, wohin dagegen Gemeineigentum führe - hier mangele es bekanntlich an Motivation und Verantwortungsbewusstsein.
 
Die Illusion der Leistungsgesellschaft
Die momentane Situation: Dem Geld stehen die Wege zu immer mehr Profit und Macht offen. Doch es geht auch anders. © 123rf, Sergiy TryapitsynDie momentane Situation: Dem Geld stehen die Wege zu immer mehr Profit und Macht offen. Doch es geht auch anders. © 123rf, Sergiy Tryapitsyn
Der Clou ist: Es gibt nicht nur die Alternative zwischen Privat- und Staatswirtschaft. Doch schauen wir uns erst einmal an, wie die Realität heute wirklich aussieht. Nicht nur, dass man mit Geld Anteile an Firmen kaufen kann, die eine Rendite ermöglichen, ohne dass man mit der Firma etwas zu tun hat und etwas für sie leistet. Nur noch 15 Prozent der DAX-Aktien werden überhaupt von Privatpersonen gehalten. 70 Prozent gehören sogenannten institutionellen Anlegern wie Hedgefonds und Finanzinvestoren. Diese sind es dann, welche die Unternehmen besitzen und sie nach Belieben benutzen, um eine Rendite aus ihnen zu „erwirtschaften". Sehen so verantwortungsbewusste Eigentümer aus?
Unsere jetzige Wirtschaftsordnung kann wegen der leistungslosen Einkommen durch Kapitalbesitz und der Vererbbarkeit der Kontrolle über Unternehmen neofeudalistisch genannt werden. Mit einer Marktwirtschaft hat dies nicht mehr viel zu tun, denn zu starke privatwirtschaftliche Strukturen verhindern, dass es einen echten Wettbewerb gibt und dass die Unternehmensgewinne denjenigen zugutekommen, die sie auch erwirtschaftet haben. Von einer echten „Leistungsgesellschaft" sind wir somit weit entfernt.
 
Der einfache, juristische Ausweg
Der Ausweg aus der neofeudalen Struktur ist, dass erstens fähige Gründer unabhängig von ihrer Herkunft eine Chance bekommen, also Zugang zu Investitionskapital. Und zweitens,  dass  aus  Eigentumsrechten  an  Unternehmen  keine  Machtinstrumente werden dürfen. Die Politikerin Sarah Wagenknecht schlägt vier Rechtstypen für Unternehmen vor, die in diesem Sinne die heutige Rechtsform der Kapitalgesellschaft ablösen und zu einer gewissen Neutralisierung des Unternehmenseigentums führen könnten. Für die Umwandlung der heutigen Kapitalgesellschaften in diese neuen Rechtsformen gibt es eine sanfte, einfache Lösung: Die Gelder, die jemand für den Erwerb und für Neuinvestitionen einer Firma bezahlt hat, werden zusammengerechnet. Die im Laufe der Jahre angefallenen Renditeausschüttungen werden davon abgezogen. Ergibt sich aus dieser Rechnung, dass ein Kapitalgeber mehr Geld in ein Unternehmen hineingesteckt als herausgezogen hat, wird ihm der fehlende Betrag aus den zukünftigen Erträgen der Firma ausbezahlt. Dafür verfällt auch sein Besitzrecht über die Firma. Je nach Größe und Eigenschaft bieten sich vier verschiedene Rechtsformen an.
 
Die heutigen Bestimmer über große Firmen: Investoren, Rentenfonds und Hedgefondsmanager © 123rf, Natala StandreDie heutigen Bestimmer über große Firmen: Investoren, Rentenfonds und Hedgefondsmanager © 123rf, Natala Standre
1.   Die Personengesellschaft - Diese gibt es bereits heute. Wenn jemand mit eigenem Geld (auch Kreditgeld) zum Beispiel ein eigenes Café gründet, trägt er selbst das volle Risiko, das heißt, er haftet mit seinem eigenen Vermögen. Dafür kann er aber  im  Falle  eines  Erfolges  auch  alle  Gewinne  selbst  einstreichen. Für kleine Unternehmen kann diese Rechts-form bestehen bleiben. Wird ein Unternehmen jedoch größer oder möchte der Kleinunternehmer öffentliche Förderungen in Anspruch nehmen, ist eine Umwandlung in eine Mitarbeitergesellschaft angebracht.
 
2.   Die Mitarbeitergesellschaft - Diese hat keine externen Eigentümer. Sie gehört – wie eine Stiftung – niemandem. In diesem Sinne gehört sie der gesamten Belegschaft, aber nicht mit verkäuflichen oder vererblichen Eigentumsrechten. Dadurch ändern sich drei Dinge:
  • 1. Niemand kann das Unternehmen kaufen oder verkaufen.
  • 2. Niemand kann aufgrund der Eigentumsrechte Anspruch auf die Erträge erheben.
  • 3. Die Mitarbeiter müssen eine Lösung finden, wer die Geschäftsleitung bestimmt und diese kontrolliert, (was heute die Eigentümer oder ihre Vertreter erledigen).
Somit erhalten die Leistungsträger die Gewinne aus ihrer Leistung, wodurch sie entsprechend motivierter und produktiver wirtschaften werden. Außerdem wird die Unternehmensführung  dann  solide  Gewinne  anstreben,  keine  kurzfristige Rendite jagt um den Preis prekärer Arbeitsverhältnisse. In Deutschland gibt es bereits 7.000 Betriebe, die ganz oder mehrheitlich ihren Mitarbeitern gehören, unter ihnen  1.800  Genossenschaften.  Ein  Problem  bei  diesen  heutigen Rechtsformen ist, dass das Eigentum hier meistens nicht an die Mitarbeit gebunden ist. So kann man auch Genossenschaft santeile behalten, wenn man gar nicht mehr im Unternehmen mitarbeitet, und sie auch vererben. Außerdem gibt es in der Regel die Möglichkeit, sich Teile des Gewinns privat ausschütt en zu lassen und deshalb meist auch einen gewissen Druck, genau dies zu tun.
Wer eine Mitarbeitergesellschaft  gründet, sollte die Möglichkeit haben, ein Startkapital aus einem öffentlichen Fonds zu erhalten. Ein solcher Fonds könnte sich aus einer Gewinnabgabe des gesamten Unternehmenssektors finanzieren oder im Rahmen der öffentlichen Geldschöpfung zur Verfügung gestellt werden. Ab einer gewissen Größe eines Unternehmens sollten neben den Vertretern der Belegschaft auch Kommunal- beziehungsweise Ländervertreter Stimmrechte in der Gesellschafterversammlung haben. 
 
Die öffentliche Gesellschaft
Diese ist angebracht für Unternehmen, die Waren auf Märkten anbieten, auf denen es nur wenige Großanbieter gibt. Bei Großindustrien, die eine eigene Infrastruktur benötigen, liegt es zum Beispiel in der Natur der Sache, dass sich nur wenige Anbieter den Markt teilen. Eine öffentliche Gesellschaft hätte wie die Mitarbeitergesellschaft keine privaten Eigentümer und würde nur sich selbst gehören, nicht dem Staat. Der Unterschied zur Mitarbeitergesellschaft  bestünde in der Zusammensetzung des Gremiums, das die Unternehmensführung kontrolliert. Es wäre nur zur einen Hälfte mit Belegschaftsvertretern besetzt; die andere Hälfte bestünde aus Vertretern der Öffentlichkeit, benannt von den Regionen, in denen das Unternehmen Produktionsstätten betreibt. Je größer ein Unternehmen ist, desto mehr tangiert es schließlich die Interessen der Allgemeinheit. 
 
Die Gemeinwohlgesellschaft
Sie ist angebracht für Wirtschaftsbereiche, die sich nicht dafür eignen, kommerziell betrieben zu werden. Das betrifft erstens Bereiche, die wegen der Bindung an Netze (Strom, Daten, Infrastruktur) zum Monopol tendieren. Und zweitens all jene Bereiche, deren Leistungen elementare Lebensbedürfnisse betreffen und deshalb nicht nach der Kaufkraft, sondern für alle Menschen gleichermaßen zugänglich sein sollten. Gemeinwohlgesellschaften arbeiten nicht gewinnorientiert, sondern versuchen, ihren Versorgungsauftrag kostendeckend zu erfüllen. Gegründet werden sie mit öffentlichem Geld, gehören aber nur sich selbst, nicht dem Staat. Deshalb kann der Staat sie auch nicht verkaufen.
Die Rechtsform ist unter anderem geeignet für den gesamten Bankensektor, für die Wasserversorgung, für Kommunikationsdienste und die Infrastruktur der digitalen Ökonomie.
 
Alrun Vogt studierte Politikwissenschaft, Geschichte und Linguistik mit den Schwerpunkten „Theorien der gerechten Verteilung" und Wirtschaftsgeschichte. In ihrem Buch „Wirtschaft anders denken" deckt sie auf leicht verständliche Weise die Mechanismen und Hintergründe unseres Geld- und Wirtschaftssystems auf und beschreibt die maßlosen Spekulationen als zwangsläufige Symptome dieses Systems. Sie stellt darüber hinaus praktikable Lösungen vor, wie es umgestaltet werden kann, um Wohlstand für alle zu erzeugen.

Lifestyle | Geld & Investment, 01.12.2020

     
        
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