Das virtuelle Büro
Eine nachhaltige Alternative?
Der durch die Corona-Krise erzwungene Umzug großer Belegschaftsteile ins Homeoffice hat überraschend gut die Produktivität erhalten. Die Vision einer zukünftigen ressourcensparenden, hybriden Büro-Arbeitsplatzorganisation von Büroräumen und Homeoffice hat der Berliner Softwarearchitekt Dr. Peter Becker als Pionierleistung in einem Softwarekonzept eines virtuellen Büros verwirklicht.
Aus den Firmenzentralen hört man immer häufiger, nicht mehr zur „Real-Office"-Arbeitsweise im vorherigen Umfang zurückkehren zu wollen. Doch wie funktioniert flexibilisiertes Arbeiten zwischen Büro, Homeoffice, Office-Hubs, Dienstreise, Strand und Terrasse ohne Brüche und wirklich effizient? Gibt es bereits Lösungen?
Warum noch ins Büro?
Morgens Gedränge in der S-Bahn und Stau auf der Straße. Der Office-Run ist im vollen Gange. Und am Abend das gleiche Spiel nach Hause. Am Wochenende dagegen stehen Büros, die immer mehr vom wertvollen Raum in der City einnehmen, wieder leer. Stattdessen wälzen sich Autoschlangen in die Erholungsgebiete. Soll das so weitergehen, warum und wofür?
Schon vor Jahren plädierte ich für eine neue, flexibilisierte Form des Arbeitens, die das Verkehrschaos am Morgen und Abend reduziert, Ressourcen und Nerven schont, den Zwang zu immer mehr Straßenbau reduziert und volkswirtschaftliche Ressourcen freisetzt. Die erzwungenen Erfahrungen mit Corona haben nun endlich zur Neuorganisation des Arbeitsalltages geführt. Ob dabei Homeoffice betriebswirtschaftlich gesehen unter dem Strich kostengünstiger als Real-Office ist, kann dahinstehen und wird sich im Realexperiment in den kommenden Monaten und Jahren zeigen. So positiv, wie es auf den ersten Blick scheint, mag die Rechnung vielleicht nicht sein, wenn man alle Produktivitätsfaktoren und rechtlichen Rahmenfaktoren berücksichtigt. Doch selbst wenn sich die Vor- und Nachteile für das Unternehmen die Waage halten, muss die Frage doch lauten: Ist es für Unternehmen und Gesellschaft in Zukunft ethisch verantwortbar, täglich die Belegschaft in ressourcenverschlingenden Gebäuden mit hoher Umwelt-, Verkehrs- und Gesundheitsbelastung zu versammeln, wenn das gar nicht notwendig ist?
Nichts ist mehr wie früher
Sicher ist, dass Corona die digitale Entwicklung sehr beschleunigt und reale Abläufe via Internet virtualisiert hat. Die neuen Ansteckungsrisiken treiben neben dem Ressourcenverbrauch und der Umweltbelastung diesen Trend in der Zukunft weiter. Geschäftsreisen, Messen und Seminare werden nie mehr den Umfang und die Bedeutung vor Corona erreichen, sondern durch virtuelle Formate ergänzt oder gar ersetzt werden.
Trotzdem ist das Homeoffice bislang immer noch eine Ausnahmearbeitsweise, eine durch besondere Umstände des Unternehmens oder des Arbeitnehmers oft nur zeitweise gebotene und erlaubte Substituierung des eigentlichen Real-Office-Arbeitsplatzes. „Die Musik" spielt deshalb immer noch im Real-Office, dort ist die Macht, dort wird entschieden, dort wird befördert. Der Grund liegt in der Schwierigkeit, Homeoffice-Arbeitsplätze im Arbeitsalltag nahtlos mit der Real-Office-Arbeitswelt zu vereinen. Die Telekommunikation mit Audio, Video, E-Mails und Chats ist zwar hilfreich, beseitigt aber nicht die grundsätzliche Spaltung der Belegschaft in „drinnen" und „draußen" und wirft Sicherheits- und Vertrauensprobleme auf. Nach Meinung von New-Work-Spezialisten bräuchte es deshalb eine EDV-organisatorische „Meta-Ebene", die Real-Office und Homeoffice zu einer neuartigen Arbeitswelt nahtlos zusammenfügt.
Drinnen und draußen verschwimmt im Virtual-Office
Das Büro der Zukunft wird zugleich Real-Office- und Homeoffice-Arbeitsplätze und -situationen beinhalten. Ob im Verhältnis 75 zu 25 Prozent, 50 zu 50 Prozent oder anderen, hängt sicherlich von Unternehmensstruktur, Branche und Region ab. Auf alle Fälle wird jedoch ein neuartiges, virtuelles Büromanagement nötig sein, das es den Mitarbeitern ermöglicht, in gleicher Weise am arbeitsteiligen Zusammenwirken und an der Selbstorganisation im Unternehmen teilzuhaben, unabhängig ob sie sich im Real-Office oder im Homeoffice befinden. Nach dem Konzept des Berliner Softwarearchitekten Dr. Becker wird dies so funktionieren: Die Mitarbeiter gehen am Morgen ins Virtual-Office zur Arbeit, ihr realer Aufenthaltsort hat dabei keine primäre Bedeutung. Das Virtual-Office visualisiert die Mitarbeiter innerhalb der Organigramm-Strukturen mit Foto, Namen, Funktion, Aufenthaltsort und aktuellem Kommunikations-Verfügbarkeits-Status. Eine sichere Ende-zu-Ende verschlüsselte Video-Kommunikation der Benutzer, die weder vom Arbeitgeber noch aus dem Netz abhör- und trackbar ist, stellt sicher, dass man sich so vertraulich austauschen kann, wie man es im realen Büro gewohnt war. Es entfällt jedoch der Suchvorgang, ob jemand in seinem Büro, im Homeoffice oder im ICE sitzt, oder gar im Urlaub oder krank ist. Denn all das soll ein solches System abbilden. Es ermöglicht ungestörtes Arbeiten durch eine Anzeige, für wen und für welche Zwecke man ansprechbar ist. Das Virtual-Office schafft für alle Büromitarbeiter permanent (und nicht nur für einzelne Teams situativ) eine gleichartige, neue Wahrnehmungsebene ihrer Arbeitswelt: das virtuelle Büro.
Ein virtuelles Büro bietet neue Wege in der Unternehmenskommunikation
Der größte Vorteil liegt in der reibungslosen Kommunikation. Selbst in laufenden Gesprächen können Teilnehmer zu Video-Calls hinzugezogen und virtuelle Aktenschränke geöffnet werden. Im Virtual-Office erleben sich somit alle Mitarbeiter als Teil eines virtuellen Ganzen, der Vereinzelung im Homeoffice wird entgegengewirkt und die Unternehmensstrukturen sind für alle – insbesondere auch für neue Mitarbeiter – transparent und sofort produktiv nutzbar. Grundlage der Mitarbeiterorientierung im virtuellen Büro ist, neben dem Aufbau und der Pflege interner Kommunikationswege, die grafische Darstellung der Benutzer innerhalb eines hierarchisch strukturierten Unternehmens-(Teil-)Organigramms. Zu jedem Benutzer kann dessen Position innerhalb des Organigramms angesehen werden. In das Konzept des virtuellen Büros fügt sich die – corona-bedingt zunehmend bedeutsame – kontaktlose Video-Kommunikation mit Interessenten im Vertrieb, mit Kunden, Klienten und Mandanten nahtlos ohne Medienbruch ein. Diese wird über virtuelle Warte-/Empfangsräume der Benutzer realisiert, auf die auch Assistenzen der Benutzer kommunikativen Zugriff haben. Ein von Becker konzeptionell integriertes Internet-Zahlungssystem ermöglicht Video-Call-Link-Einladungen gegen Vorkasse oder als „facepay" die Erhebung von Einzahlungen während des Video-Calls.
Achillesferse des Virtual-Office: die Ausspähsicherheit
Das ehrgeizige Ziel, im virtuellen Büro eine dem Real-Office adäquate Arbeitsatmosphäre zu schaffen, muss die Vertraulichkeit des im Internet übertragenen gesprochen Wortes sicherstellen. Hinter verschlossenen Türen oder irgendwo ohne Zuhörer off-the-records reden zu können, der vertrauliche Büroklatsch, das Personalgespräch – das sollte weiterhin ebenso spontan wie sorglos gehen. Man muss dabei jedoch absolut sicher sein, dass technisch jedes Mithören oder gar Speichern der Videokommunikation durch andere, aber auch durch die eigene Systemadministration, ausgeschlossen ist. Eine solche totale Sicherheit ist auf dem aktuellen Stand der Technik nur durch eine serverlose peer to peer Direktverbindung zwischen den Endgeräten der Video-Gesprächsteilnehmer möglich. Diese essentielle Sicherheitsgrundlage wird im Virtual-Office-Konzept von Dr. Becker durch das moderne WebTRC Open Source Protokoll geschaffen; diese Technologie ermöglicht den Zugang zum Virtual-Office ohne Client-Software-Installation durch den Webbrowser wie insbesondere auch durch den verbreiteten sicheren Mozilla Browser.
Von Fritz Lietsch
Technik | Digitalisierung, 01.12.2020
Dieser Artikel ist in forum 04/2020 - Jetzt reicht's! erschienen.
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