Deutsche Umwelthilfe, Kinder und junge Erwachsene reichen fünf neue Klimaklagen ein gegen Bayern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen
Länder müssen Maßnahmen wie Ausbau der Windkraft, beschleunigte Verkehrswende und mehr Effizienz in Gebäuden gesetzlich festschreiben
Gemeinsam mit Kindern und jungen Erwachsenen reicht die Deutsche Umwelthilfe (DUH) fünf neue Klimaklagen auf Länderebene ein. Im Nachgang der wegweisenden Klimaentscheidung des Bundesverfassungsgerichts fordern die Beteiligten nun auch auf Landesebene die Verabschiedung von Landesklimaschutzgesetzen, die dem Pariser Klimaschutzabkommen und dem Grundgesetz entsprechen. Exemplarisch für alle Bundesländer gehen die DUH und die Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführer juristisch gegen Bayern, Brandenburg und Nordrhein-Westfalen vor.
Bayern:
- Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht und Popularklage vor dem Bayerischen Verfassungsgerichtshof von zehn Kindern und jungen Erwachsenen gegen das weder in seiner Struktur noch den Zielen dem Grundgesetz genügende Bayerische Klimaschutzgesetz. Bayerns Klimaschutzgesetz enthält - bis auf die jährliche Verleihung des Bayerischen Klimaschutzpreises - keine Fristen, mit denen die Erreichung der viel zu niedrigen und hinter dem Bundes-Klimaschutzgesetz zurückbleibenden Klimaschutzziele sichergestellt werden könnten.
- Klage der DUH vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof gegen den Freistaat Bayern zur Erstellung eines Klimaschutzprogramms, mit dem Klimaschutz verbindlich in Maßnahmen und nicht nur in Zielen umzusetzen ist.
Brandenburg:
- Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht von sieben teilweise minderjährigen Beschwerdeführerinnen und Beschwerdeführern sowie drei vom Klimawandel besonders betroffenen Grundstückseigentümern wegen eines gänzlich fehlenden Landesklimaschutzgesetzes. Brandenburg plant aktuell nur einen innerbehördlichen und damit rechtlich unverbindlichen Klimaschutzplan, der seinerseits erst spät im Jahr 2022 verabschiedet werden soll.
Nordrhein-Westfalen:
- Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht von vier Kindern und jungen Erwachsenen gegen das am 1. Juli 2021 durch den Landtag neu gefasste nordrhein-westfälische Klimaschutzgesetz, mit dem die Klimaschutzziele zwar für die Jahre 2030, 2040 und 2045 angehoben worden sind, gleichzeitig aber fast alle mit Fristen versehenen Instrumente aus dem Gesetz gestrichen wurden. Es fehlt daher sowohl an ausreichenden Zwischenzielen bis zum Jahr 2030 und zwischen den Jahren 2030 und 2040 als auch an Instrumenten, mit denen sichergestellt werden kann, dass eine Zielerreichung zu erwarten ist und mit der auf Zielverfehlungen reagiert werden kann.
Alle Verfahren wurden am 2. Juli 2021 bei den jeweils genannten Gerichten anhängig gemacht. Die einzige Ausnahme bildet Nordrhein-Westfalen. Die zu diesem Land bereits vollständig ausgearbeitete Verfassungsbeschwerde wird unverzüglich dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt, sobald das am 1. Juli 2021 durch den Landtag NRW neu gefasste Landesklimaschutzgesetz im Gesetzblatt Nordrhein-Westfalens veröffentlicht ist.
Remo Klinger, der die Verfahren juristisch leitet: "Der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts betrifft das Bundes-Klimaschutzgesetz. In einem föderalen Staat wie Deutschland reicht dies aber nicht aus. Auch die Bundesländer sind in der Pflicht, angemessene Maßnahmen für den Klimaschutz verbindlich umzusetzen. Doch gerade auf Landesebene sieht es in Sachen Klimaschutz noch deutlich schlechter aus als auf Bundesebene. Teilweise fehlen gesetzliche Regelungen wie in Brandenburg, teilweise sind sie veraltet wie in Bayern. In Nordrhein-Westfalen wurde das Klimaschutzgesetz sogar vor vier Tagen deutlich verschlechtert."
Jannis Krüßmann, Beschwerdeführer aus Nordrhein-Westfalen: "Bund und Länder tun zu wenig für den Klimaschutz. Das neue Klimaschutzgesetz in NRW ist ein Rückschritt und übernimmt Vorgaben, die dem 1,5-Grad-Limit nicht gerecht werden. Ich hoffe, dass sich die Gerichte dem Druck der Zivilgesellschaft auf die Politik anschließen."
David Schiepek, Beschwerdeführer aus Bayern: "Wenn die politisch Verantwortlichen jetzt nicht handeln, wird es meiner und künftigen Generationen nicht mehr möglich sein, in einer ökologisch intakten Welt zu leben. Das Bayerische Klimaschutzgesetz reicht nicht aus, um die Klimaerhitzung ausreichend und schnell zu begrenzen. Ich fordere konkrete Verbesserungen, zum Beispiel für den Ausbau der Windenergie in Bayern."
Emma Johanna Kiehm, Beschwerdeführerin aus Brandenburg: "Die Klimakrise ist die größte Bedrohung der Menschheit, die es jemals gab. Weil meine Landesregierung davor die Augen verschließt und kein Klimaschutzgesetz verabschieden will, ziehe ich jetzt vor das Bundesverfassungsgericht."
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Die Länder müssen und können beim Klimaschutz deutlich mehr tun. Statt jedes Jahr tausende Kilometer an neuen Landes-, Kreis- und Ortsstraßen auszubauen, brauchen wir mehr Fahrradschnellwege und Pop-up-Radwege wie in den Niederlanden oder Dänemark. Die Anbindung der ländlichen Räume an den Öffentlichen Nah- und Fernverkehr und mehr Angebote im Regionalen Bahnverkehr liegen in Landeszuständigkeit."
Sascha Müller-Kraenner, Bundesgeschäftsführer der DUH: "Der Ausbau der Erneuerbaren Energien stockt gerade in Bayern und Nordrhein-Westfalen massiv. Grund dafür sind die unsinnigen Abstandsregeln, die die beiden Landesregierungen festgelegt haben. Auch Bayern und NRW stehen in der Pflicht, den Klimaschutz und den Ausbau der Erneuerbaren Energien entschlossen voranzubringen."
Barbara Metz, Stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der DUH: "Etwa ein Drittel der CO2-Emissionen Deutschlands stammen aus dem Gebäudebereich. Alle Bundesländer müssen deshalb schnell mit einer Sanierungsoffensive der Bestandsgebäude starten, angefangen bei den öffentlichen Gebäuden und hier insbesondere bei den Schulen und Kindergärten. Diese sind zu Lasten des Klima- und Gesundheitsschutzes in den letzten Jahren kaputtgespart worden."
Links:
Umwelt | Umweltschutz, 05.07.2021
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