Protestwelle rollt auf die IAA Mobility zu
Radsternfahrt und Großdemonstration anlässlich der IAA am 11. September
Droht in München ein zweites Frankfurt? Ein Aktionsbündnis aus Umweltschützern und Fahrradaktivisten nimmt den Machern der IAA Mobility die neue Zielrichtung nicht ab – spricht vielmehr von grünem Täuschungsmanöver – und ruft deshalb zu Protesten auf.
Als im September 2019 die IAA in Frankfurt die Pforten zur 68. Ausgabe der Automobilausstellung öffnete, sorgte der formierte Widerstand aus Reihen von Umweltschützern für Schlagzeilen. So wurden beispielsweise bei einer Fahrrad-Sternfahrt zu einer Demonstration direkt vor den Messetoren bis zu 25.000 Teilnehmer gezählt. Einen Tag später hatten Klimaaktivisten sogar zur Blockade der Eingänge zur IAA aufgerufen und den Einlass zur Veranstaltung stark behindert.
In etwa zwei Monaten, vom 7. – 12. September geht nun eine neu konzipierte IAA Mobility am neuen Standort München an den Start, die eine Zweiteilung zwischen Fach- und Publikumsmesse vorsieht. Zusammen mit der Messe München wird eine Transformation von einer reinen Automobilmesse hin zu einer Mobilitätsmesse angestrebt, die thematisch weit über das Automobil hinaus gehen soll. So wurde intensiv auch um Unternehmen aus der Fahrradbranche als Aussteller geworben – durchaus mit Erfolg, wenn man die aktuelle Liste der teilnehmenden Fahrradmarken betrachtet.
Die Fachmesse selbst findet auf dem Münchner Messegelände statt. Endverbraucher sind auf der „Open Space extended" ebenso willkommen wie an den „Open Space"-Ausstellungsorten, die in ganz München verteilen. Eine autofreie „Blue Lane" solle eine Verbindung zwischen den Messeteilen schaffen, auf der „zukunftsweisende Mobilität für jeden erlebbar wird", sagt Messe-Manager Bastian Dietz und erklärt: „Der Hauptfokus unseres Fahrradsegments liegt auf Publikumsverkehr. Das ist für die meisten Marken der Grund, warum sie auf der IAA Mobility ausstellen."
Weitere Bausteine der neuen IAA Mobility sind beispielsweise das World Cycling Forum mit wichtigen Entscheidern aus der Fahrradbranche, aber auch die soeben verkündetet Auszeichnung der „Fahrradfreundlichsten Schule 2021" (Staatliche Realschule Hilpoltstein) durch Cem Özdemir.
Die Haltung der Radbranche der neuen IAA gegenüber ist uneinheitlich. Rad(komponenten)hersteller, die teilnehmen, sehen im neuen Konzept eine ideale Plattform an einem noch dazu gut erreichbaren Standort, das Chancen bietet, den Bekanntheitsgrad zu steigern sowie neue Kunden anzusprechen. Andere Hersteller wiederum haben sich konsequent dagegen entschieden und wollen stattdessen der Fahrradmesse Eurobike (1.-4. September) in Friedrichshafen die Treue halten.
Widerstand regt sich
In Kreisen von Umweltschützern und Fahrradaktivisten nimmt man den IAA-Machern die neue Zielrichtung jedoch nicht ab. Das Aktionsbündnis aus ADFC, Attac, BUND, Campact, DUH, Greenpeace, NaturFreunde Deutschlands und VCD spricht vielmehr von einem „grünen Täuschungsmanöver der Automobilindustrie".
Das Aktionsbündnis kritisiert: „Kurz vor der Bundestagswahl will sich die Autolobby bei der IAA einen grünen Anstrich geben. Dabei verdienen BMW, Volkswagen, Daimler und Co. nach wie vor ihr Geld mit viel zu dicken Autos, die das Leben in den Städten ersticken. Und als ob es die Klimakrise nicht gäbe, steckt in den meisten immer noch ein Verbrenner drin. Das wollen wir nicht akzeptieren! Statt Alibi-Präsentationen müssen die Autokonzerne ihre komplette Produktion umstellen auf kleinere, klimafreundliche Fahrzeuge. Diesen Umstieg muss die nächste Bundesregierung mit einer Verkehrspolitik beschleunigen, die konsequent auf Rad-, Fuß- und öffentlichen Verkehr setzt. Dazu gehört auch die Halbierung des Autoverkehrs."
ADFC-Vizebundesvorsitzende Rebecca Peters sagt dazu: „Auch die Weiterentwicklung der IAA von der PS-Peep-Show zum Gemischtwarenladen in Sachen Mobilität löst das Kernproblem nicht: In den Städten ist kein Platz zum sicheren Radfahren oder Zufußgehen, weil die Autos alles dominieren. Eine Radspur ist fünfmal effizienter als eine Autospur – und auf einen Auto-Parkplatz passen zehn Fahrräder. Wir retten die Welt nicht durch immer mehr Fahrzeuge, sondern wir brauchen mehr Platz für durchgängige, komfortable Radwegenetze, dann lassen die Menschen gerne das Auto stehen."
Unter dem Motto #aussteigen fordert das Bündnis konkret:
- Faire Verteilung des öffentlichen Raums mit Vorrang für Fuß, Rad- und öffentlichen Verkehr
- Gut ausgebauter, bezahlbarer ÖPNV, für alle und immer
- Halbierung des Autoverkehrs und Klimaneutralität im Verkehr bis 2035
- Sofortiger Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor, keine Plug-in-Hybride und großen E-SUVs
- Sofortiger Stopp der Planung und des Baus von neuen Autobahnen und Bundesstraßen
- Eine generelle Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h auf Autobahnen, 80 km/h außerorts und eine Regelgeschwindigkeit 30 km/h innerorts
Protestzug und Demonstration
Geplanter Ablauf der Demo: Die Fahrraddemo wird sich aus allen Himmelsrichtungen sternförmig auf München zubewegen. Für Eltern mit kleineren Kindern gibt es eine extra Familienroute. Fußgängerinnen und Fußgänger bilden in der Innenstadt einen eigenen Protestzug. Die Demonstrationen enden mit einer gemeinsamen Kundgebung im Zentrum. Die Veranstalter planen, einen Teil der Sternfahrt über Autobahnen und den Mittleren Ring zu führen. Die entsprechenden Abschnitte werden dann zeitweise für den Autoverkehr gesperrt. Weitere Informationen und Updates sowie den geplanten Routenverlauf finden Sie auf www.iaa-demo.de.
Über das Bündnis Das Aktionsbündnis aus Allgemeinem Deutschen Fahrrad-Club e.V. (ADFC), Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland e.V. (BUND), Campact, Deutscher Umwelthilfe (DUH), Greenpeace, NaturFreunde Deutschlands und dem ökologischen Verkehrsclub VCD hatte sich bereits 2019 zum friedlichen Protest gegen die letzte in Frankfurt stattfindende IAA zusammengefunden. Neu dabei ist in diesem Jahr das globalisierungskritische Netzwerk Attac. Das Bündnis der Umwelt- und Verkehrsverbände fordert eine echte Mobilitätswende mit deutlich reduziertem Autoverkehr und viel mehr Fuß-, Rad- und öffentlichem Verkehr.
Technik | Mobilität & Transport, 08.07.2021
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