Das Leben gestalten, nicht die Wirtschaft
Der aktuelle Kommentar von Heike Woock zum Thema Mobilität
Mobilität ist ein essenzieller Teil unseres komplexen, globalisierten Lebensstils. Dabei müssen wir eines bedenken: Dieser unser Lebensstil macht Mobilität überhaupt erst nötig. Wenn wir uns dies vor Augen führen, fällt es uns leichter, anstatt nur über Schadensbegrenzung zu sprechen, Ziele zu formulieren. Um uns Ziele zu setzen, müssen wir uns als Erstes fragen: Welcher und wie viel Konsum von Rohstoffen, Waren, Tieren und Reisen ist für eine lebenswerte Zukunft überhaupt nötig? Und welchen Umfang und welche Art von Mobilität macht das dann erforderlich?
Unsere Zukunft liegt im Mind Change
Jede Form des Wirtschaftens fügt der Ökosphäre Schaden zu. Allein die Knappheit von Ressourcen wie Lithium, seltene Erden, Sand, Wasser uvm. und die gravierenden Folgen für Natur und Menschen aus deren Gewinnung verbieten schon die verbreitete Technikgläubigkeit. Hinzu kommt der enorme Energiebedarf, die totale Abhängigkeit von der Technik, sowie die Angreifbarkeit durch Cyberkriminalität, die unser Wirtschaften mit sich bringt. Es gibt schlichtweg keine Produktion ohne Ressourcenverbrauch. Und jede Technik ist unverhältnismäßig, wenn wir sie vom Gesichtspunkt der Balance mit der Natur betrachten. Daraus ergibt sich zwingend der Bedarf an einer Maxime, die das Überleben für Menschen und Lebewesen ermöglicht.
Quick Wins
Für sofortige und sehr wirksame Maßnahmen gibt es viel ungenutztes Potenzial. Schnelle und vergleichsweise schmerzarme Maßnahmen und dazu sehr effektive Quick Wins wären:
- Sofortiges Einstellen der (sehr jungen) Kreuzfahrtindustrie.
- Sofortiges Einstellen des Flugtourismus (übrigens zwei Branchen, die in großem Umfang mit Steuern subventioniert werden).
- Sofortiges Einstellen jedweder Art von Motorsport.
- Umnutzung sämtlicher Infrastruktur, die jetzt noch für umweltschädliche Mobilität und Produktionen in Gebrauch ist.
- Einstellen der treibhausgasintensiven Tierzucht zu Zwecken des Sports. Einstellen der industrialisierten Nahrungs- und Gebrauchsmittelherstellung aus Tierkörpern.
- Regionale Nahrungspflanzenproduktion statt aufwendiger Überseetransporte von Futtermitteln, Tieren und Roh- und Fertigprodukten. Damit würde auch die energieintensive Lagerung (Kühlung, Hygiene, Verpackung/Marketing) sowie „Entsorgung" des Verpackungsmülls entfallen.
- Lokale Rohstoffverarbeitung, Handel und Verbrauch.
Zusätzlich müssen wir zukunftstaugliche Alternativen für Menschen finden, die heutzutage noch zwingend auf individuelle Mobilität angewiesen sind. Beispielsweise Eltern mit Kind auf dem Land ihr Fahrzeug wegzunehmen und sie zu zwingen, in ganz und gar nicht CO2-freundliche aber ressourcenintensive E-Mobilität zu investieren, ist keine zeitgemäße Lösung. Erst recht nicht, solange in Mitteleuropa für ausgemusterte Verbrennerautos noch eine lange Lebensdauer jenseits der Grenze vorgesehen ist.
Konklusion: Es gibt Lösungen und effiziente Sofortmaßnahmen – die allesamt wahrscheinlich niemandem gefallen. Doch das ist nicht die Frage. Die einzige Frage lautet: Zukunft Ja oder Nein.
Heike Woock ist Sozialunternehmerin und Coach für Transformation. Mit ihrem Institut für Nachhaltige Entwicklung befähigt sie Personen und Institutionen zu nachhaltiger Organisationsentwicklung und Führungsbegleitung. Sie hat die ErgebnisHierarchieR und die Klima-CollageC entwickelt und ist Referentin an schulischen und universitären Einrichtungen und der Mind Changer Academy.
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Technik | Mobilität & Transport, 18.08.2021
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