Stimmen zum Klimaschutzgesetz
Einschätzungen von Mitgliedern der Initiative „Wirtschaft pro Klima“
In der Initiative „Wirtschaft pro Klima" engagieren sich Unternehmen für Klimaschutz und Klimaneutralität. Einige haben wir um eine Einschätzung des neuen, im Juni vom Bundestag beschlossenen Klimaschutzgesetzes gebeten.
Prof. Dr. Klaus-Michael Ahrend Vorstand, HEAG Holding AG
Mit der Novellierung des Klimaschutzgesetzes unter streicht die Bundesregie rung die hohe Bedeutung der Transformation zu einer klimabewussten Wirtschaft. Die darin enthaltenen Ziele, die Klima-Emissionen bis 2030 um 65 (statt bisher 55) Prozent und bis 2040 um 88 Prozent gegenüber 1990 zu mindern, sind zu begrüßen. Auch soll Deutschland nun bereits 2045 klimaneutral werden und damit fünf Jahre früher als ursprünglich geplant. Auch gibt die sektorenbezogene jährliche Treibhausgas-Budgetierung den Unternehmen einen klaren Planungshorizont. Gleichwohl verdeutlicht das Gesetz ein hohes Maß an weiterer Handlungsnotwendigkeit, auch aufgrund des zu mehr Konkretisierung mahnenden Urteils des Bundesverfassungsgerichts.
Viele Unternehmen haben sich bereits seit Jahren auf die Entwicklung eingestellt und ihre Geschäftsmodelle bewusst weiterentwickelt, so auch die HEAG Gruppe aus Darmstadt. Sie erbringt Dienstleistungen der Daseinsvorsorge. Bei der Entega AG umfasst die Bereitstellung von Ökostrom und CO2-neutralem Gas auch den Ausbau von regenerativ erzeugtem Strom und von grüner Wärme. Die HEAG Mobilo realisiert ÖPNV mit Straßenbahnen und zunehmend mit Elektrobussen; zusätzlich werden Car- und Bikesharing, On Demand Shuttles, Elektro-Ladesäulen sowie eine Fahrgemeinschafts-App angeboten. Die Nutzung des eigenen Fahrrads (und weitere Ansätze) werden über die Darmstadt-im-Herzen-App der HEAG mit Klimaherzen belohnt. Diese Klimaherzen werden gesammelt und Bäume in der Region gepflanzt.
Für die Erreichung der Ziele des Klimaschutzgesetzes be darf es weiterer Maßnahmen. Dazu zählen vor allem: (1) Erleichterung des Ausbaus der regenerativen Erzeugung von Strom, Wärme und Wasserstoff, (2) Unterstützung des Auf- und Ausbaus nachhaltiger Geschäftsmodelle durch Politik, Kammern und Verbände (z.B. durch Vorstellung von positiven Beispielen) und (3) Ökologische Steuerreform für Unternehmen (z.B. Anreize für Klimaschutz-Innovationen und Investitionen) und für Bürger:innen (z.B. Pendlerpauschale zugunsten ÖPNV, Car und Bikesharing).
Dr. Roland Geres Managing Partner, FutureCamp
Für eine Einordnung des Klimaschutzgesetzes ist ein Blick auf Europa geboten. Die im Klimaschutzgesetz nach dem Entscheid des Verfassungsgerichts schnell vorgenommenen Veränderungen nehmen vorweg, was in der neuen EU-Rechtslage absehbar ohnehin notwendig gewesen wäre. Da sind zum einen die deutlichen Verschärfungen im bestehenden Emissionshandel, die in der Energiewirtschaft und Industrie zu weiteren Emissionsreduktionen führen werden. Zum anderen folgen aus dem ambitionierteren Ziel der EU auch Veränderungen in der EU-Lastenteilung für die nicht vom bestehenden EU-Emissionshandel erfassten Sektoren, insbesondere Verkehr und Gebäude. Klar, dass Deutschland hier überproportionale Beiträge liefern muss – so wie im Klimaschutzgesetz auch vorgesehen. Hinzu kommt, dass auch die Forstwirtschaft und der Kohlenstoffbestand in den Böden endlich Teil der nationalen Klimapolitik wird. Auch hierfür gibt es seit 2021 einen verbindlichen EURechtsrahmen.
Ist das Kritik an den Zielen des Klimaschutzgesetzes? Klares Nein! Es ist nicht sinnvoll, immer neue Ziele zu definieren – das jetzt bestehende für die EU und Deutschland ist aus meiner Sicht ambitioniert genug. Nicht, weil man sich nicht noch weitere Ziele vorstellen könnte, die vielleicht auch nötig werden. Sondern weil es jetzt um die Erreichung der Ziele gehen muss. Hierzu ist mehr als genug zu tun, auch die bestehenden, schon umfangreichen Programme werden nicht reichen.
Das zeigen unsere Projekte in der Praxis: Sowohl aus unseren öffentlich verfügbaren Arbeiten zu Reduktionsstrategien und -pfaden für Wirtschaftsverbände und mit Partnern wie Agora als insbesondere auch aus unternehmensinternen Analysen mit Maßnahmenplanungen basierend auf einer „Startbilanz" wird das erkennbar. Wichtig ist, dass in vielen Unternehmen erhebliche Veränderungen in Richtung Klimaschutz auf dem Weg sind oder bereits begonnen haben. Schwerpunkte in den Investitionen ändern sich, in der Produktentwicklung sowie in Forschung und Entwicklung wird mehr als bisher auf Klimaschutz und andere Nachhaltigkeitsdimensionen Wert gelegt. Und, natürlich: Ein stark gestiegener Preis für Emissionen sowohl auf europäischer als auch nationaler Ebene spricht die Sprache, die in der klassischen Betriebswirtschaft und bei Investoren verstanden wird – Nichtstun wird immer teurer. In der Praxis wird er aber nur im Verbund mit anderen Dingen wirken. Dazu gehören staatliche Aktivitäten z.B. um Kosten für grüne Energien zu reduzieren, mit Infrastrukturen die Verfügbarkeit zu sichern, über staatliche Nachfrage „grüne Produkte" aus der Nische zu bekommen. Dazu gehört vor allem unternehmerischer Mut und (Um-)Gestaltungswille – wer wartet, bis alle Rahmenbedingungen perfekt sind, könnte zu spät dran sein.
Jürgen Hack Geschäftsführer, Sodasan Wasch- und Reinigungsmittel GmbH
Der Klimawandel ist im Bewusstsein der Bevölkerung angekommen. Spätestens seit den Umweltkatastrophen in Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Bayern im Juli dieses Jahres ist sich die Mehrheit in Politik und Bevölkerung sicher: Der Klimawandel ist Realität und wohl auch nicht mehr aufzuhalten. Nicht zuletzt die erfolgreiche Verfassungsklage neun junger Menschen gegen das ursprüngliche Klimaschutzgesetz hat dem Großteil der Bevölkerung vor Augen geführt, dass die bisher geplanten Maßnahmen der Bundesregierung für den Klimaschutz nicht ausreichend waren, um künftigen Generationen Grundrechte wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit, das Recht auf freie Berufswahl, das Recht auf eine lebenswerte Zukunft zu gewährleisten.
Wer Klimaneutralität erreichen will, muss Klimapositivität anstreben. So reicht es nicht aus, Prozesse einfach nur effizienter zu gestalten: wir müssen Prozesse neu denken, also effektiver zu machen. Der richtige Ansatz heißt nicht „weniger schlimm", sondern „mehr gut". So steht im novellierten Klimaschutzgesetz niedergeschrieben, dass Deutschland nach dem Jahr 2050 negative Emissionen anstrebt. Deutschland soll dann mehr Treibhausgase in natürlichen Senken ein binden, als es ausstößt.
Für uns als Hersteller von Wasch- und Reinigungsmitteln bedeutet dies zum Beispiel nicht das Reduzieren von Rohastoffen mit fossilen Bestandteilen, sondern die konsequente Abkehr davon hin zu nachwachsen Rohstoffen – vorzugsweise solchen aus kontrolliert biologischem Anbau, der konsequent nachhaltigen Form der Landwirtschaft.
„Wirtschaft pro Klima" ist eine Initiative von B.A.U.M., dem Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften.
Quelle: BAUM e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften
Umwelt | Klima, 01.09.2021
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2021 mit Heft im Heft zur IAA Mobility - KRISE... die größte Chance aller Zeiten erschienen.
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