The only way out is the way through?
Ohne die gemeinsame Veränderung unseres Verhaltens, unserer Konsumgewohnheiten und unseres Lebensstils wird uns die Impfpflicht nicht weiterbringen!
Die Pandemie scheint außer Kontrolle: Covid-Infektionszahlen schießen in die Höhe. Immer mehr Landkreise melden Inzidenzwerte von weit über 1000 und auf deutschen Intensiv-Stationen werden die Hilferufe immer lauter. Immer lauter wird auch der Ruf nach einer Impfpflicht: für Beschäftigte im Gesundheitswesen, wie der Virologe Alexander Kekulé sie wieder ins Gespräch hat, oder gar nach einer allgemeinen Impfplicht, für die der baden-württembergische Gesundheitsminister Manfred Lucha wirbt. Die Debatte ist eröffnet. Und wir befragen dazu unseren Frühstücks-Philosophen:
Herr Quarch, Stand heute: Ist eine allgemeine Impflicht vertretbar?
Ehrlich gesagt, habe ich keine fertige Meinung dazu. Grundsätzlich meine ich, dass der Staat seine Bürgerinnen und Bürger in besonderen Fällen zum Wohle der Allgemeinheit in die Pflicht nehmen darf. Ob jetzt so ein Fall vorliegt, ist nicht leicht zu entscheiden. Mein Eindruck ist, dass wir – um das beurteilen zu können – immer noch viel zu wenig wissen: über das Virus, über die Infektionswege, die Wirksamkeit der Impfungen etc. Gleichwohl gehe ich davon, dass die Impfpflicht schrittweise kommen wird: erst das Pflegepersonal, dann andere Berufsgruppen. Wir haben uns in eine Situation manövriert, die keinen anderen Ausweg zuzulassen scheint. Ob uns das wirklich weiterbringt, wage ich nicht zu beurteilen.
Aber eines ist doch klar: Wenn wir neunzig Prozent Geimpfte hätten und die Herdenimmunität erreicht ist, wären wir das Problem los.
So hoffen wir. Anfangs war davon die Rede, dass 70 Prozent reichen würden; und genau hier liegt das Problem. Man weiß im Augenblick nicht mehr, wo man dran ist. Die Krisenkommunikation ist in eine Sackgasse geraten. Wir haben alles auf die eine Karte Impfung gesetzt. Und nun müssen wir feststellen, dass es irgendwie nicht funktioniert. Wir scheuen uns aber, das Scheitern einzugestehen, um Impfgegnern nicht in die Karten zu spielen. Stattdessen verfolgen wir die Strategie: Schuldige suchen, Druck auf Impfverweigerer aufbauen, Geimpfte belohnen. Als nächster Schritt folgt konsequent die Impfpflicht. Mir scheint, wir stecken in einem Tunnel, in dem die Maxime gilt: The only way out is the way through.
Naja, das mag ja sein. Aber dann wäre doch die entscheidende Frage, wie wir möglichst unbeschadet aus dem Tunnel herauskommen.
Absolut. Deshalb meine ich, dass wir uns nicht mit dem Pro und Contra der Impfplicht aufhalten sollten, sondern unser Augenmerk darauf lenken, wie wir sie so kontextualisieren, dass die Gesellschaft nicht vollends auseinanderfliegt – was passieren wird, wenn wir mit Schuldzuweisungen und schwarzer Pädagogik weitermachen. Am wichtigsten ist es, alles – wirklich alles – daran zu setzen, das Vertrauen der Menschen wiederherzustellen. Und das geht nur durch bedingungslose Ehrlichkeit und Transparenz: Fehler (wie die Abschaffung kostenloser Schnelltests) einzugestehen; die Wahrheit über den mangelhaften Impfschutz alter Menschen zu sagen; nicht länger so zu tun, als wären nicht auch die Geimpften ein Problem; zugeben, dass es die eine Lösung nicht gibt.
Aber darüber wird doch in den Medien berichtet.
Das reicht aber nicht: Die für die Krisenstrategie verantwortlichen Politiker und Meinungsmacher müssen den Mut aufbringen, das – hoffentlich nur zwischenzeitliche – Scheitern ihrer Strategie einzugestehen. Und sie täten gut daran, das von einem erkennbaren Richtungswechsel zu begleiten: Konsequent in die Medikamenten-Entwicklung zu investieren; konsequent die Menschen zu Prophylaxe und Immunsystem-Stärkung motivieren; endlich das eigentliche Thema ansprechen: nämlich, dass wir alle miteinander unser Verhalten, unsere Konsumgewohnheiten und unseren Lebensstil ändern müssen. Ohne das wird uns auch eine Impfplicht nicht weiterbringen.
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."
In seinem neuen Buch "Begeistern! Wie Unternehmen über sich hinauswachsen" geht's um Fragen wie diese:
Wie kommt der Geist in unsere Unternehmen? – Durch Begeisterung! Und wie entsteht Begeisterung? Anders als die meisten glauben.
Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den Sonderteil „WIR - Menschen im Wandel".
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