Welche Faktoren bestimmen die individuelle Bereitschaft von Bürger*innen, sich aktiv an Klimaschutzmaßnahmen zu beteiligen?
Experiment des Energieinstituts an der Johannes Kepler Universität Linz untersucht die Bereitschaft europäischer Bürger*innen, aktiv am Kampf gegen den Klimawandel teilzunehmen
Bis zu 50% der Europäer sind der Meinung, dass der Klimawandel hauptsächlich oder teilweise natürliche Ursachen hat und nicht in erster Linie vom Menschen verursacht wird.
Nicht nur Klimaschutzmaßnahmen von Regierungen oder großen Unternehmen sind für eine Erreichung der Klimaziele des Pariser Abkommens wichtig, ohne Maßnahmen durch die Bürger selbst wird es nicht gelingen, den Klimawandel aufzuhalten. Zu dieser Überzeugung kommt auch das Pariser Klimaabkommen und listet spezifische Maßnahmen auf, die Bürger*innen ergreifen können. Trotz dieser vielen Möglichkeiten bleibt die Umsetzung des Pariser Abkommens noch hinter den Zielvorgaben zurück. Daher bedarf es eines besseren Verständnisses jener Faktoren, die klimafreundliches Handeln fördern. Nur dann können klare Empfehlungen für die Politik gegeben werden, wie diese Bürger*innen auf ihrem Weg hin zu einem klimaneutralen Lebensstil unterstützen kann.
Die Art und Weise, in der der Klimawandel, seine Auswirkungen und die Handlungsoptionen, die den Bürger*innen im Kampf gegen den Klimawandel zur Verfügung stehen, kommuniziert werden, haben maßgeblichen Einfluss auf das individuelle (Konsum-)Verhalten. Die aktuelle sozioökonomische Klimaforschung zeigt zudem, dass es eine Reihe weiterer hoch-relevanter Einflussgrößen auf die Bereitschaft einer Person, Klimamaßnahmen zu ergreifen und Klimapolitik zu unterstützen, gibt. Hierzu gehören das Verständnis, dass der Klimawandel vom Menschen verursacht wird, Kenntnisse über die positiven Zusatzeffekte von Klimamaßnahmen (wie etwa die Unterstützung des regionalen Arbeitsmarktes), psychologische Faktoren, wie Optimismus bzw. Pessimismus, durch das eigene Handeln etwas zur Lösung beitragen zu können, soziale und persönliche Normen, oder das Maß in dem eher besorgt oder selbstbewusst in die Zukunft geblickt wird.
In der vorliegenden Arbeit analysierten Forscher*innen des Energieinstituts an der Johannes Kepler Universität Linz die Bereitschaft europäischer Bürger*innen, aktiv am Kampf gegen den Klimawandel teilzunehmen anhand von Daten eines Experiments, das sie mit 15.951 Personen aus den 27 EU-Ländern durchführten. Dabei wurden den Studienteilnehmer*innen jeweils 5€ als Bonus für die Teilnahme an einer Umfrage geschenkt und die Möglichkeit geboten, einen Teil oder die gesamten 5€ für Klimaprojekte zu spenden. Die Entscheidungen der Bürger*innen wurden mit einem interdisziplinären Modell untersucht, das Prinzipien der Psychologie und der Ökonomie vereint.
Die Ergebnisse der Studie bestätigten dabei zum Teil die Erwartungen der Forscher*innen, brachten aber auch unerwartete Einflussfaktoren auf die Bereitschaft der Teilnehmer*innen, sich aktiv am Klimaschutz zu beteiligen, zu Tage: "Die Ergebnisse belegen, dass nur Teilnehmer*innen, die sich über die Realität der globalen Erwärmung sicher sind und auch davon überzeugt sind, dass diese größtenteils vom Menschen verursacht wird, eine signifikant höhere Bereitschaft haben, für den Klimaschutz zu spenden, als Gruppen die dies in Zweifel ziehen", sagt Johannes Reichl vom Energieinstitut, der weiters ausführt: "Während dies soweit erwartet wurde, erstaunte es uns doch, dass auch Personen mit großer Skepsis gegenüber dem Klimawandel bereit waren zu spenden, und zwar dann, wenn sie überzeugt waren, dass Klimaschutzmaßnahmen, wie bspw. der Ausbau erneuerbarer Energieträger, den regionalen Arbeitsmarkt beleben würden.”
Ebenso unerwartet waren die Ergebnisse, dass in Ländern mit ambitionierten staatlichen Klimaschutzprogrammen und entsprechend hohen Ausgaben für den Klimaschutz, wie etwa Dänemark, die Bereitschaft der Bürger*innen, durch eigene Maßnahmen den Kampf gegen den Klimaschutz zu unterstützen, herabgesenkt war. Auch langjährige Erfahrung der Bürger*innen mit Wetterextremen schien die Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen zu verringern, was auf eine bereits beginnende Adaptierung der Bürger*innen an den Klimawandel hindeuten könnte. "Schließlich unterstreichen die Ergebnisse auch die Bedeutung eindeutiger Botschaften über den Klimawandel. Nur wenn Regierungen, Forschung und Unternehmen klare, faktenbasierte Botschaften zum Thema Klimawandel kommunizierten, können wir die langfristige Unterstützung der Bürger*innen sicherstellen ”, schließt Dr. Reichl.
Der Text basiert auf dem in Global Environmental Change veröffentlichten Forschungsartikel:
Reichl, J., Cohen, J. J., Klöckner, C. A., Kollmann, A., & Azarova, V. (2021). The drivers of individual climate actions in Europe. Global Environmental Change, 71, 102390. https://doi.org/10.1016/j.gloenvcha.2021.102390
Dr. Johannes Reichl ist Projektleiter am Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz. Seine Forschungsschwerpunkte liegen in der Entwicklung von Methoden und Werkzeugen für ein besseres Verständnis der Rolle der Haushalte im Energiesektor sowie von Methoden und Werkzeugen für die Analyse der wirtschaftlichen Auswirkungen neuer Technologien im Energiesektor. Johannes Reichl leitet derzeit die EU H2020-Forschungsprojekte "establishing Community Renewable Energy Webs" (eCREW) und "Citizens Acting on Mitigation Pathways through Active Implementation of a Goal-setting Network" (CAMPAIGNers) und war Leiter des EU H2020-Forschungsprojekts PEAKapp (Personal Energy Administration Kiosk application).
Das Energieinstitut an der Johannes Kepler Universität Linz ist eine gemeinnützige Forschungseinrichtung, deren multidisziplinäres Wissen aus mehreren Wissenschaftsbereichen für energierelevante Forschungsthemen unerlässlich ist.
Kontakt: Sciencecom Agency s.r.o., Eduard Petiska | eduard@sciencecom-agency.com | www.sciencecom-agency.com
Umwelt | Klima, 29.11.2021
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