Nachhaltigkeit auf und neben der Tour

Erfolgsband Milky Chance im forum-Interview

Schallplatten, Awards und Echos – von Amerika über Europa bis nach Australien ist die deutsche Band Milky Chance erfolgreich mit ihrer Musik. Dass die Band aber auch in Sachen Nachhaltigkeit bereits auf Platz eins der Charts stürmte, zeigte nicht zuletzt die Ehrung mit dem Sonderpreis des Deutschen Nachhaltigkeitspreises im letzten Jahr. Im Interview mit forum-Redakteur Lennart Zech sprachen die beiden Musiker Clemens Rehbein und Philipp Dausch über Motivation, das Milky Change Projekt und ihre Ziele.

Clemens, Philipp – wie seid ihr zum Thema Nachhaltigkeit gekommen?
Philipp Dausch und Clemens Rehbein begegnen sich schon zu Schulzeiten und schnell lässt ihr Sound das Mentos in die Colaflasche fallen. Aus der Sensation der Anfangstage wurde ein Duo, welches bereits das dritte Album produziert hat. Auf dem Weg entwickelten sich die beiden Musiker auch zu Aktivisten für Umweltschutz. © Anthony MolinaWie wichtig Umweltschutz ist, wurde uns von klein auf mitgegeben. Die Werte der Nachhaltigkeit gehörten zu unserer Erziehung, weshalb wir sie, wo wir nun selbst Eltern sind, weitergeben wollen. Die Dringlichkeit, mit der wir handeln müssen, um das Klima zu schützen, wurde uns auch durch die öffentliche Debatte um den Klimawandel und durch Bewegungen wie Fridays for Future noch bewusster. So haben wir natürlich angefangen, auch unser eigenes Verhalten zu hinterfragen, und darüber nachgedacht, welche Verantwortung wir durch unsere Präsenz in der Öffentlichkeit tragen. Wir wollen das Sprachrohr, welches wir durch unsere Musik bekommen haben, nutzen, um in der breiten Masse auf das Thema aufmerksam zu machen.

Warum ist es euch so wichtig, eure nachhaltigen Werte nach außen zu kommunizieren?
Das liegt eigentlich auf der Hand: Die Zeit, in der Klimaschutz als eine Art "Hobby” Einzelner gedeutet wurde, ist vorbei. Die Klimakrise ist die größte globale Krise, in der wir uns alle gemeinsam befinden. Durch diese Jahrhundert-Herausforderung entstehen wiederum viele andere Krisen, die wir nicht zur Realität werden lassen dürfen. Wir brauchen schnelle, systematische Veränderungen, wenn wir unseren Kindern eine lebenswerte Erde hinterlassen wollen. Und wir wollen dazu beitragen.

Wie setzt ihr das mit eurer Musik genau um?
Als Band machen wir vieles, was über die Musik allein hinausgeht. Wir gehen international auf Tournee, produzieren Merch, wir drehen Videos, kommunizieren mit unseren Fans auf Social Media und geben Interviews, wie hier bei euch im forum. Diese Außendarstellung ist also das erwähnte Sprachrohr. Wir haben es uns zur Aufgabe gemacht, alles, was wir tun, unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit zu betrachten und wenn möglich bessere Alternativen zu finden.

Wie sieht das konkret aus?
Um das Thema "nachhaltig” auch zu leben, haben wir unser eigens auf ökologische und soziale Nachhaltigkeit fokussiertes Projekt Milky Change ins Leben gerufen. Auf unserer letzten Tour durch Europa haben wir zum Beispiel nur nachhaltig produzierten Merch mitgenommen, den wir auch nur bei den Konzerten verkauft haben, um unnötigen Versand zu vermeiden. In einigen Städten haben wir unseren Konzertbesuchern angeboten, ihre alten Shirts mitzubringen und diese vor Ort mit einem Siebdruck im Milky Chance Style wieder zum Leben zu rufen, Second-hand Merchandise sozusagen.
 
Das Milky Change Projekt könnte als schönes Beispiel für andere Bands vorangehen...
Uns liegt besonders am Herzen, dass unser Milky Change Projekt andere Künstler*innen anregt, auch selbst aktiv zu werden. Durch Gemeinschaft entsteht Bewegung und dadurch entsteht Veränderung. Wir müssen jetzt handeln, weil uns die Zeit wegläuft. Es geht doch darum, dass wir alle zusammen in die richtige Richtung gehen.

Die Bands sind ja nur die eine Seite – könnt ihr auch einen Einfluss auf mehr Nachhaltigkeit beim Veranstalter nehmen?
Menschen und Aktivisten mit musikalischen Highlights und totalem Engagement. Clemens Rehbein beim Globalen Klimastreik 2019, einer Cleanup-Aktion mit den Trash Heroes in Zürich 2020 und mit nachhaltig produziertem Merchandise. © Diana Mühlberger | © Danny Jungslund | © Anthony MolinaWir haben auf der Tournee vorab einen Green Rider an die lokalen Veranstalter rausgeschickt, in dem wir Forderungen für umweltfreundliche Produktionen stellen. Darin steht dann beispielsweise, dass auf Einwegplastik im Catering- und Backstagebereich verzichtet werden soll oder Wasserspender vorhanden sind, an denen wir unsere mitgebrachten Flaschen auffüllen können. Auch das Umstellen auf Ökostrom bei Events sprechen wir in unserem Green Rider an.

Das alles sind natürlich nur erste Schritte in diesem langwierigen Prozess und als einzelne Band hat man nur einen kleinen Anteil am Fußabdruck der Musikbranche. Deshalb ist uns auch besonders wichtig, viel über das Thema zu sprechen und andere Akteur*innen in unserer Branche an Bord zu holen. Als Nachschlagewerk haben wir deshalb unseren Blog milkychange.com erstellt, auf dem wir unseren Prozess transparent darstellen und so hoffentlich anderen die Möglichkeit geben, aus unseren Fehlern zu lernen.

Macht ihr das alles alleine oder habt ihr jemanden im Team, der euch im Aspekt der Nachhaltigkeit unterstützt?
Eine "grüne Band” werden zu wollen, ist, genau wie die Klimakrise selbst, eine Mammutaufgabe. Das lässt sich auch nicht von heute auf morgen umsetzen. Weil das Thema so riesig und komplex ist und auch viel Zeit beansprucht, haben wir schnell gemerkt, dass wir das alleine nicht stemmen können. Wir wollen ja schließlich auch noch Zeit zum Musikmachen haben. Deshalb haben wir Mariko, unsere Sustainability-Managerin, mit an Bord geholt. Sie ist eine große Hilfe, unsere Nachhaltigkeitsvorhaben in die Tat umzusetzen.

Nachhaltigkeit innerhalb der Band ist ja das eine – wie steht es um die Fans in diesem Kontext?
Unsere Fans sind unsere „Mitkonsumenten" und wir können nur mit ihrer Unterstützung nachhaltiger werden. Zum Beispiel spielt die Anreise der Fans zum Konzert eine große Rolle beim Fußabdruck einer Show. Wenn es normal wird, dass man nur noch mit ÖPNV, dem Fahrrad oder zu Fuß zu Konzerten kommt, dann wäre schon ein großer Schritt getan. Wenn wir unsere Fans dazu kriegen, auch selbst nachhaltiger zu leben und das Thema auf ihre eigene Agenda zu setzen, dann potenzieren wir unser Vorhaben durch sie. Und sobald die Pandemie vorbei ist und die Eventbranche wieder Fahrt aufnimmt, werden wir weiter an der Umweltfreundlichkeit unserer Tournee und des Merchandisings arbeiten, mit Künstler*innen und NGOs kooperieren und unsere Fans auf diese Reise mitnehmen. Nur wenn wir alle gemeinsam handeln und voneinander lernen, können wir den Unterschied ausmachen.

Wie schätzt ihr die Nachhaltigkeit in der Musikbranche generell ein?
Letztendlich hat alles, was man tut, ökologische Auswirkungen, egal ob privat oder im Beruf, im Studio oder auf Tour. Es gibt keine Musikindustrie zum ökologischen Nulltarif, aber wir sind guter Dinge, dass sich das immer weiter verändert. Je mehr Akteur*innen aus der Branche sich der Idee verpflichten, desto einfacher wird es für einzelne Künstler*innen, nachhaltig Musik zu machen und auf Tour zu gehen. Die Musikbranche hat großes Potenzial, sich zu einer ökologisch und sozial nachhaltigen Branche zu verändern und so ein leuchtendes Vorbild für andere Branchen zu werden.

Vielen Dank für das Gespräch – Clemens und Philipp!

Gesellschaft | Pioniere & Visionen, 01.12.2021
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig 04/2021 stellt sich grundlegenden Fragen zur Veränderung - Systemwandel - wie wird die große Transformation zur Realität? erschienen.
     
        
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