Von der Kaurimuschel zum Milliardenpoker

Geschichte des Geldes

Der Umgang mit Geld gehört heute zu den selbstverständlichsten Dingen unseres täglichen Lebens. Doch ebenso wie bei anderen scheinbaren Selbstverständlichkeiten unseres Alltags wie Nahrungsmitteln und Energie wissen wir erstaunlich wenig über die Geschichte und Hintergründe des lieben Geldes.

Wir benutzen Geld heute beinahe unbewusst in einem Nebeneinander von antiken und hochmodernen Formen: Morgens bezahlen wir den Bäcker mit Münzen, ziehen beim nachmittäglichen Shopping eine Plastikkarte durch ein Lesegerät und erleichtern uns nachts im Online- Shop mit wenigen Mausklicks um beliebige Summen. Die gegenständliche Form des Geldes ist uns dabei die vertrauteste, denn sie prägt unsere Kultur seit Jahrtausenden. Das erste Münzgeld wird im 7. Jahrhundert v. Chr. von den Lydern in Umlauf gebracht. Davor erfüllte Warengeld wie Vieh, Schmuck oder Kaurimuscheln die Funktionen eines Tauschmittels. Griechenland profitiert von der räumlichen Nähe zu Lydien, von dem es den Geldgebrauch übernimmt. Durch die Entstehung von arbeitsteiliger Wirtschaft und Märkten intensiviert sich dort der Geldgebrauch. Auch Rom organisiert seinen interregionalen Handel auf der Grundlage des Geldes.

Das Banksystem der Tempelritter

Im frühen Mittelalter verliert das Münzgeld zugunsten einer vorwiegenden Naturalwirtschaft an Bedeutung, bis ab dem 11. Jahrhundert mit der Auflösung der Fronhofwirtschaft, dem Florieren der Städte und der Zunahme des europäischen Warenaustausches eine zunehmende Monetisierung der Wirtschaft einsetzt. Ende des 11. Jahrhunderts bringt der Beginn der Kreuzzüge das Geldsystem in Bewegung: In dieser Zeit entwickeln sich die Tempelritter zur weltweit mächtigsten Finanzinstitution. Die Templer gewährleisten sichere Möglichkeiten des Geldtransportes und verfügen über in ganz Europa verteilte wehrhafte Burgen, in denen Geld deponiert werden kann. Neben diesen ersten Banken etablieren sie auch einen Vorläufer des Giralgeldes: So kann man beispielsweise Geld, das man in Paris bei den Templern einzahlt, in Jerusalem nach Abgabe einer Transaktionsgebühr abheben.

Nach der Zerschlagung des Templer- Ordens Anfang des 14. Jahrhunderts übernehmen herrschende italienische Familien zunehmend diese Finanzdienstleistungen. In Oberitalien tätigen Händler Tausch und Kreditgeschäfte auf offenen Tischen und Bänken - die moderne Bank erhält ihren Namen. Die Geschäfte dieser privaten Familienbanken läuten, verstärkt durch die Entdeckung Amerikas, die moderne Wirtschaftsära ein und schaffen damit das Fundament, auf dem die kulturellen Entwicklungen der Renaissance gedeihen. 1587 beginnt die Banco di Rialto in Venedig das Giralgeschäft, das von den oberitalienischen Bänkern des 12. Jahrhunderts entwickelt wurde, behördlich zu kontrollieren.

"Credityf-Zedels" und "Continentals"

Die ersten Geldscheine kommen in China bereits zu Zeiten der Tang- Dynastie (618-907) in Umlauf. Für Europäer scheint Geld ohne realen Wert zu dieser Zeit noch unvorstellbar. Bis zum Jahr 1661 dauert es, bis in Schweden "Credityf- Zedels" verwendet werden, Europas erstes offizielles Papiergeld. 1690 beginnt der Gebrauch von Geldscheinen in den amerikanischen Kolonien. Der Drucker Benjamin Franklin sorgt Ende des 18. Jahrhunderts für einen erhöhten Umlauf von Papiergeld. Mit den sogenannten "Continentals" finanzieren die Kolonien schließlich ihre Revolution. Die Deutschen müssen hingegen noch warten, bis sich die "Zettel" durchsetzen. Erst als Anfang des 20. Jahrhunderts Papiergeld zur Lohnzahlung eingesetzt wird, gewöhnt man sich in Deutschland an die neuen Scheine.

1876 wird die Reichsbank, der Vorläufer der Bundesbank, gegründet und beginnt ein Jahr später mit dem Giroverkehr. Die 20er Jahre markieren den endgültigen Durchbruch des Giro- und Überweisungsverkehrs. Heute übersteigt das Giralgeld bei weitem das Volumen des Bargelds.

1917 führt die Chicagoer Kaufhauskette Sears kleine Metalltäfelchen mit den wichtigsten Daten zu den Kunden ein - der Vorläufer der Kreditkarte. Zur Ankurbelung der Wirtschaft beginnen US-Banken in den 30er Jahren kleine Kredite mit niedrigen Zinsen an die Mittelschicht auszugeben. Schulden werden so für amerikanische Konsumenten zur Selbstverständlichkeit. Auf der Bretton-Woods-Konferenz von 1944 wird ein internationales, auf dem goldhinterlegten US-Dollar basierendes Währungssystem geschaffen. Diese Goldbindung wird jedoch bereits 1971 während des Vietnamkrieges von der USRegierung aufgegeben. Ohne den Goldstandard unterliegt das Geld von nun an freien Wechselkursen.

1950 erfindet der New Yorker Geschäftsmann Frank McNamara rot-weiße Identifikationskarten, mit denen Restaurantgästen Kredit gewährt wird, und gründet den "Diners Club", die erste Kreditkartengesellschaft. 1972 experimentiert die US-Zentralbank Federal Reserve mit elektronischem Zahlungsverkehr, wenig später werden die ersten Geldautomaten in Kalifornien installiert.

Die Entwicklung des elektronischen Geldes wird jedoch nicht mit Kreditkarte und Online-Banking enden: Kontaktlose Kreditkarten müssen dank RFID-Chips bald nur noch an einem Lesegerät vorbeigeführt werden, in Sekunden ist die Transaktion vollzogen. Da RFID (Radio-frequency identification)-Chips jedoch auch als menschliche Implantate, beispielsweise in Form von im Finger eingesetzten "Payment Chips" fungieren können, sind dystopischen Szenarien von orwellscher Dimension keine Grenzen gesetzt.

Christian Schober

Quelle:
Lifestyle | Geld & Investment, 08.07.2008

     
        
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