Das sind die Klimaziele der Bundesligaklubs

Non-Profit-Organisation veröffentlicht Ergebnis aus Umfrage

Die EU will der erste klimaneutrale Kontinent werden. Das Ziel: Treibhausgasneutralität bis zum Jahr 2050. Fünf Jahre früher will es die Bundesregierung schaffen. Und die Bundesliga? Welches Klimaneutralitätsziel verfolgen die einzelnen Klubs? Dazu hat die Non-Profit-Organisation myclimate die Vereine befragt. Das Ergebnis: Die meisten Bundesligisten haben sich aktuell noch kein solches Ziel gesetzt. Warum das so ist, erfahren Sie in diesem Beitrag. Eine Momentaufnahme.

Das Klimaneutralitätsziel der Herrenfußball-Bundesligaklubs, Saison 2021/2022 in der Übersicht: Das Umfrage-Ergebnis von myclimate zeigt, dass die meisten Vereine noch kein Zieljahr festgelegt haben, bis wann sie den Status Klimaneutralität erreichen wollen. Die dazugehörigen Städte geben hingegen ein anderes Bild ab. (Alphabetische Reihenfolge ab Augsburg) © myclimateBereits vor zwei Jahren hat myclimate die Bundesligaklubs zu verschiedenen Nachhaltigkeitsthemen befragt und die Ergebnisse der zahlreich eingegangenen Antworten in einer Tabelle zusammengefasst. 16 von 18 Bundesligisten der Saison 2019/2020 hatten daran teilgenommen. In der Zwischenzeit hat die Covid-Pandemie einiges durcheinandergewirbelt: Prioritäten wurden verschoben, Einschränkungen herbeigeführt und Planänderungen unumgänglich gemacht. Da ging es den Bundesligaklubs nicht anders. Das global wichtige Thema Klimaschutz ist dennoch nicht untergegangen – und das ist auch gut so. «Dieses Mal hat myclimate den Fokus der einfachen Kurzumfrage nicht auf einzelne Nachhaltigkeitsmaßnahmen gelegt, sondern das übergeordnete Klimaneutralitätsziel der Bundesligaklubs, Saison 2021/2022 unter die Lupe genommen», erklärt Stefan Baumeister, Geschäftsführer myclimate Deutschland und ergänzt: «Wir wollten wissen, bis wann sie das Ziel Treibhausgasneutralität erreichen wollen – 2030? 2040? 2050?» 

Das Ergebnis der Umfrage im Einzelnen
Die myclimate-Umfrage hat ergeben, dass sich über 60 Prozent der Klubs aus der Bundesligasaison 2021/2022 noch kein Klimaneutralitätsziel mit konkretem Jahresbezug gesetzt haben. Dass das auch anders geht, zeigen im Gegensatz dazu die jeweiligen Städte der dort ansässigen Vereine. Von ihnen haben bereits fast alle das Jahr festgelegt und entsprechende Zwischenziele auf dem Weg dorthin markiert. 

Im Einzelnen haben der 1. FSV Mainz 05, TSG 1899 Hoffenheim, VFL Wolfsburg und der 1. FC Köln den Status Klimaneutralität nach eigenen Aussagen bereits erreicht. «Auch wenn jeder der drei Klubs ganz eigene Herausforderungen in diesem Kontext zu bewältigen hat, zeigt es doch, dass es zum jetzigen Zeitpunkt bereits möglich ist – auch für Bundesligaklubs», ermutigt Baumeister. Zurücklehnen können Sie sich deswegen jedoch nicht. Für sie gelte es künftig daran weiterzuarbeiten, den Anteil heute noch kompensierter CO2-Emissionen durch einen individuellen Maßnahmenmix immer weiter zu verkleinern, betont er. Auch Arminia Bielefeld gibt an, noch dieses Jahr treibhausgasneutral werden zu wollen. Darüber hinaus hat sich bislang nur noch Hertha BSC ein Klimaneutralitätsziel gesetzt, das für das Jahr 2050 anvisiert ist. 

Die verbleibenden zwölf der insgesamt 18 Klubs halten sich diesbezüglich noch alles offen, haben sich also noch nicht auf ein konkretes Jahr festgelegt. Warum das so ist, begründen sie ganz unterschiedlich. So hat der FC Augsburg beispielsweise erst kürzlich seine Nachhaltigkeitsstrategie vorgestellt und darin bekräftigt, den eigenen Betrieb noch wesentlich nachhaltiger gestalten zu wollen. Die Ermittlung eines CO2-Fußabdrucks sowie eine konkrete Zielformulierung bezüglich Klimaneutralität sei aktuell in Arbeit. Union Berlin erklärt, dass der satzungsgemäße Vereinszweck die Förderung des Fußballsports sei. Dem will man auf möglichst nachhaltige und ressourcenschonende Weise nachgehen, hat sich dafür aber kein «singuläres Klimaschutzziel» gesetzt. In Bochum hat der VFL aktuell mit der Hochschule vor Ort das Vorhaben einer Ökobilanzierung gestartet. Auf Basis der daraus resultierenden Informationen planen die Entscheider, schrittweise den weiteren Weg zu schärfen. Sie wollen analysieren, inwiefern eine konkrete Zielsetzung zur Klimaneutralität im Hinblick auf die ganzheitliche Betrachtung von Scope 1 bis 3 sinnvoll sein kann. Auch für Borussia Dortmund ist die Formulierung eines Klimaneutralitätsziels zum jetzigen Zeitpunkt nach eigenen Angaben noch nicht möglich. Jedoch arbeite man aktuell an einem energetischen Modernisierungskonzept, das durch unterschiedliche Maßnahmen und Meilensteine gestützt sein wird und den Weg zur Klimaneutralität bereiten soll. Eintracht Frankfurt beabsichtigt zum «schnellstmöglichen Zeitpunkt Klimaneutralität» und geht davon aus, das Klimaziel der Bundesregierung (2045) zu unterbieten. 

Der SC Freiburg ist im Oktober 2021 in seine neue Spielstätte eingezogen und befindet sich «in Sachen infrastrukturelle Klimaneutralität auf Kurs». So starte im Sommer beispielsweise die Installation der Fotovoltaikanlage auf dem Dach des neuen Stadions. Zudem gäbe es weitere Nachhaltigkeitsprojekte, die aktuell in Arbeit sind wie die Lieferung von Fernwärme beispielsweise. Für die Formulierung eines konkreten Klimaneutralitätsziels gäbe es zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch keine validen Daten. In Fürth ist man sich seiner «gesellschaftlichen Verantwortung absolut bewusst». Die hiesige Spielvereinigung hat zwar ebenfalls noch kein Jahr als Ziel festgelegt, erklärt jedoch, dass man mit großem Engagement und Schritt für Schritt den eigenen ökologischen Fußabdruck verbessern wird. Sie unterstreicht dies beispielhaft mit der bereits langjährigen Nutzung von Ökostrom und einer aktuell verstärkten Ausrichtung auf E-Mobilität. Bayer 04 Leverkusen beschäftigt sich nach eigenen Angaben zwar mit dem Thema CO2-Neutralität, lässt die Frage nach einem konkreten Klimaneutralitätsziel jedoch ungeklärt und informiert: Sie verfolgen «eine ganze Reihe ökologischer Maßnahmen und Projekte wie z. B. die Einrichtung und Nutzung von Fotovoltaikanlagen, Perlatoren, Brunnen zur Wasserreduktion oder 100 % Ökostrom im Stadion». 

RB Leipzig hat vor wenigen Wochen seine Nachhaltigkeitsstrategie veröffentlicht. Darin erklärt der Rasenballsport-Verein aus Sachsen, dass er aktuell dabei ist, seinen eigenen CO2-Fußabdruck zu ermitteln. Anschließend soll eine schrittweise Emissionsreduktion erfolgen. Wie ambitioniert der Reduktionspfad wird und bis zu welchem Jahr Netto-Null-Emissionen erreicht werden sollen, stehe aktuell noch nicht fest. Borussia Mönchengladbach stellt in Aussicht, dass das Klimaneutralitätsziel des Klubs «deutlich ambitionierter als das der Bundesregierung (2045) sein wird.» Ein fixes Datum für die rechnerische Treibhausgasneutralität wurde bislang jedoch noch nicht festgelegt. Zurzeit arbeite man daran, seine Emissionen systematisch zu erfassen und Reduktionspotenziale zu ermitteln. Unter anderem auf dieser Basis wollen die Verantwortlichen dann einen Zeitrahmen für die Zielerreichung skizzieren. Der FC Bayern München verfolgt die Vision einer klimaneutralen Allianz Arena – und das bis zum Jahr 2030. Bis wann der gesamte Klub dieses Ziel jedoch erreichen will, ist bislang noch offen. Im Herbst 2019 hat der Vereinsvorstand unter anderem die ökologische Nachhaltigkeit zu einem zentralen Unternehmensziel erklärt. Der ebenfalls im Süden Deutschlands beheimatete Klub VfB Stuttgart ist «im Rahmen seines ganzheitlichen Nachhaltigkeitsengagements gerade dabei, seinen ersten Corporate Carbon Footprint zu berechnen». Unter anderem auf Basis dieser Ergebnisse sollen in der Folge weitere Klima- und Umweltschutzziele festgelegt sowie entsprechende Maßnahmen angegangen werden. 

Nachhaltigkeit wird für die Bundesliga zum Lizenzierungskriterium 
«Die Mehrheit der Klubs verfolgt bereits konkrete Schritte, um die Thematik Klimaneutralität künftig strategisch und planvoll umsetzen zu können», schlussfolgert Baumeister aus den Antworten der Klubs. Den konkreten Fahrplan und die Zielmarke Klimaneutralität gilt es für die allermeisten Klubs in der nächsten Zeit jedoch noch auszuarbeiten und vorzustellen. Eine CO2-Bilanz stellt in diesem Zusammenhang die Grundlage für die Zielsetzung und alle damit verbundenen Emissionsreduktionsmaßnahmen dar. Sie zeigt auf, in welchen Bereichen des Klubs wie viel Energie, Ressourcen und mehr verbraucht wird und welcher Treibhausgasausstoß damit verbunden ist. Das Ergebnis dient als Basisdatensatz für eine Klimaschutzstrategie und die Formulierung von konkreten Klimaschutzzielen. Zudem kann die Bilanz für künftige Analysen als Vergleichsgröße herangezogen werden, um den Fortschritt von Maßnahmen zu prüfen und zu dokumentieren. «Aktuell sind die Bundesligavereine noch nicht dazu verpflichtet, eine solche CO2-Bilanz durchführen zu müssen. Es ist aber denkbar, dass sich dies sehr bald ändern könnte, vermutet Baumeister. Erst vor wenigen Monaten hat der Verband der Deutschen Fußballliga, kurz DFL, beschlossen, dass Nachhaltigkeit ab der Saison 2023/2024 ein Lizenzierungskriterium für die Bundesliga und 2. Bundesliga wird. Welche Kriterien es dann im Einzelnen für die Klubs zu erfüllen gilt und ob eine CO2-Bilanz sowie ein konkretes Klimaneutralitätsziel darunterfallen, ist zum aktuellen Zeitpunkt jedoch noch nicht beschlossen. Sicher ist jedoch, dass jeder Klub bis spätestens 2050 bilanziell klimaneutral sein muss, damit das globale Klimaziel erreicht werden kann.

Bundesligaklubs können mit ambitionierten Klimazielen Vorbildrolle einnehmen
Die Weltgemeinschaft hat sich das Ziel gesetzt, die globale Erderwärmung gegenüber vorindustrieller Zeit zu begrenzen und bis zum Jahr 2050 Treibhausgasneutralität zu erreichen. Noch genauer gesagt, soll die globale Mitteltemperatur der Erde auf eine Erhöhung von 1,5 °C limitiert werden, um eine Stabilisierung des Klimas zu erreichen sowie Klimafolgen in einem bewältigenden Maß zu halten. Klar, dass es dazu nicht nur die einzelnen Staaten, Länder und Kommunen braucht, sondern auch den Privatsektor, – also alle Unternehmen einschließlich der Bundesligaklubs. Die Frage ist also nicht, ob ein Klimaneutralitätsziel notwendig und sinnvoll ist. Die Frage ist, ob die Bundesligaklubs ihr Potenzial ausschöpfen, um dieses Ziel auch schon deutlich vor dem spätestmöglichen Zeitpunkt 2050 zu erreichen. «Mit einem ambitionierten Klimaziel würden die Bundesligaklubs eine Vorbildrolle einnehmen und ihre Strahlkraft nutzen können, um wiederum andere Vereine und Unternehmen dazu zu motivieren, das Ziel Klimaneutralität frühestmöglich zu erreichen», bringt es Baumeister auf den Punkt. 

Wie kann ein Fußballklub, Verein oder Unternehmen klimaneutral werden?
Bundesligaklubs oder auch Unternehmen können den Status «klimaneutral» erreichen, indem sie alle relevanten Treibhausgasemissionen, die sie verursachen, mithilfe des Prinzips «Vermeiden – Reduzieren – Kompensieren» verringern und ausgleichen. Der erste Schritt in Richtung Klimaneutralität ist demzufolge die Erfassung und Berechnung von allen klimarelevanten Verbrauchsdaten eines Klubs mithilfe einer CO2-Bilanz, auch Corporate Carbon Footprint genannt. Sie ist Startpunkt und Wegweiser für alle darauf folgenden Vermeidungs- und Reduktionsmaßnahmen. Parallel dazu lassen sich unvermeidbare Restemissionen über den Einkauf von Emissionsminderungsgutschriften ausgleichen, sogenannten Zertifikaten. Sie werden über zertifizierte Projekte generiert, die vorrangig in Entwicklungs- und Schwellenländern Klimaschutzmaßnahmen umsetzen und so messbar Emissionen einsparen. Dort werden beispielsweise fossile Energiequellen durch erneuerbare Energien ersetzt oder Energieeffizienzmaßnahmen realisiert. «Für das Klima spielt es im Gegensatz zur Luftverschmutzung grundsätzlich keine Rolle, in welchem Teil der Erde Treibhausgasemissionen in die Atmosphäre gelangen und wo sie reduziert werden. Daher ist der Kompensationsansatz auch möglich und sinnvoll», erklärt Baumeister. Kompensationsmaßnahmen sind wertvolle Überbrückungsmaßnahmen, die unmittelbare Wirkung zeigen und eine langfristige Reduktionsstrategie ideal flankieren. «Wichtig sei aber vor allem, dass die weltweiten Treibhausgasemissionen in der Summe abnehmen, um das weltweite Klimaziel zu erreichen. Und das schaffen wir nur gemeinsam, betont er abschließend.»

Kontakt: myclimate Deutschland gGmbH, Janosch Menger | janosch.menger@myclimate.de | www.myclimate.de

Wirtschaft | Branchen & Verbände, 20.04.2022

     
        
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