Versicherungswirtschaft als Enabler von nachhaltiger Entwicklung

Was ist eine nachhaltige Versicherung?

Wird gefragt, welche Branchen wesentlich dazu beitragen müssen, die EU bis 2050 zu einem klimaneutralen Wirtschaftsraum zu transformieren, so werden ziemlich zuverlässig die Energiewirtschaft, die Baubranche und oft noch Mobilität und Landwirtschaft genannt. Bei der Versicherungsbranche liegt nicht sofort auf der Hand, was sie mit Klimaschutz und Nachhaltigkeit zu tun hat.
 
Aufgrund des Klimawandels treten Ereignisse aus sog. Nachhaltigkeitsrisiken immer häufiger und stärker auf. Privatpersonen und Unternehmen brauchen eine Absicherung dagegen. © 123rf, kasto
Werden (potenzielle) Kund:innen gefragt, ob ihnen Nachhaltigkeit beim Abschluss einer Versicherung wichtig ist, so antworten viele spontan mit Ja. Besonders bei Unternehmerkunden, die ihr Gewerbe versichern oder ihren Mitarbeitenden eine betriebliche Krankenversicherung oder Altersvorsorge anbieten, steigt die Nachfrage nach einer „nachhaltigen Versicherung". Viele Kund:innen zeigen sich sogar bereit, für ein nachhaltiges Versicherungsprodukt mehr Geld auszugeben. Bei der Frage, was denn eine nachhaltige Versicherung sei, herrscht jedoch oft Ratlosigkeit, und als Kriterium wird beispielsweise genannt, dass die Beitragsrechnungen nicht mehr per Post verschickt werden.
 
Worin besteht der Einfluss von Versicherungen auf eine nachhaltige Entwicklung?
„Versicherungen nehmen als Bindeglied zwischen Finanz- und Realwirtschaft eine Schüsselrolle in der Transformation der Wirtschaft ein." Aus dieser Überzeugung hat die EU im European Green Deal und der dazugehörigen Sustainable-Finance-Strategie eine ganze Reihe an Regularien entwickelt, die die Finanzbranche nachhaltiger und klimafreundlicher gestalten sollen. Der „Schlüsselsatz" bedarf aber dennoch einiger Erklärungen. Dazu ist es hilfreich, sich zuerst das Geschäftsmodell von Versicherungen vor Augen zu führen: Versicherungen sichern Risiken ihrer Mitglieder oder Kunden ab und nehmen hierfür Beiträge ein. Sie zahlen dann, wenn die versicherten Risiken Realität wurden, das heißt im Schadenfall. Das ist die einfachste Beziehung.
 
Versicherungen als Kapitalanleger
Die Beiträge der Versicherten müssen angelegt werden – dies ist stark reguliert durch den Gesetzgeber, damit im Schadenfall genügend Geld bereitsteht. Als bedeutende Investoren können Versicherer Kapitalströme in die Nachhaltigkeitstransformation lenken, indem sie nachhaltige Aktivitäten gezielt fördern und Investitionen in nicht nachhaltige Geschäfte reduzieren oder ausschließen. Von den schätzungsweise 11 Milliarden Euro, die die gesamte Branche in erneuerbare Energien investiert hat, kamen alleine 1,4 Milliarden Euro von der Gothaer. Zukünftig werden wir zusätzlich 200 Millionen Euro jährlich in solche Impact Investments anlegen.
 
Übernahme von Risiken
Durch die Übernahme von Risiken schafft die Versicherungswirtschaft die Basis dafür, dass nachhaltige Wirtschaftsaktivitäten und Projekte umgesetzt werden können. Gleichzeitig federt sie die Risiken ab, die die Gesellschaft aufgrund verpasster Nachhaltigkeitstransformation (insbesondere im Hinblick auf den Klimawandel) tragen muss. Gerade Unternehmen, aber auch Privatpersonen bekommen von Banken oft nur Kredite, wenn ihre Unternehmung – sei es der Bau eines Hauses oder eine wirtschaftliche Tätigkeit – durch eine Versicherung abgesichert ist. Bei erneuerbaren Energien z.B. haben wir als Gothaer schon ganz früh Versicherungskonzepte entwickelt, die die gesamte Unternehmung – von der Projektierung, bis zum Aufbau, Betrieb und Rückbau – umfassen und die einen Ausbau der Windenergie überhaupt möglich gemacht haben.

Ebenso wird immer stärker erwartet, dass Versicherungen Unternehmungen nicht mehr versichern, die einer nachhaltigen Entwicklung entgegenwirken. Nichtregierungsorganisationen fokussieren auf diesen Hebel und fordern z.B., Kohlekraftwerke nicht mehr zu versichern.

Absicherung von Nachhaltigkeitsrisiken
Spätestens seit letztem Jahr, als Tief Bernd die Katastrophe im Ahrtal und anderen Gebieten verursacht hat, wurde deutlich, dass Ereignisse aus sog. Nachhaltigkeitsrisiken immer häufiger und stärker auftreten und dass Privatpersonen und Unternehmen eine Absicherung dagegen brauchen. Versicherer sollen diese Risiken übernehmen und im Schadenfall schnell und fair zur Seite stehen. Das haben wir als Gothaer auch gemacht – durch unsere räumliche Nähe von Köln ins Ahrtal haben wir hier viele Kund:innen, denen wir mit vereinten Kräften sofort und unbürokratisch geholfen haben.

Auch andere Schäden, z.B. Brände, werden durch länger auftretende Trockenheit wahrscheinlicher. Damit die wirtschaftlichen Schäden nicht überdimensional groß werden, kann und sollte die Versicherung darauf hinarbeiten, dass diese gar nicht erst auftreten: durch die Prävention von (Nachhaltigkeits-)Risiken. Denn am Ende ist jeder Schadenfall, der nicht eintritt, ein guter Fall für die Nachhaltigkeit: Schadenbehebung verursacht neben großem Stress für alle Beteiligten häufig die Entsorgung von Ressourcen und den Wiederaufbau bzw. die Wiederbeschaffung.

Partner der Transformation sein
Über ihre Produkte können Versicherer bei ihren Kund:innen wirksame Anreize für nachhaltige Entscheidungen setzen, z.B. über Prämienvorteile für nachhaltige Lösungen. Darüber hinaus unterstützen Versicherungen durch die Bereitstellung von Daten und Informationen die politische Steuerung der Nachhaltigkeitstransformation und schärfen das öffentliche Bewusstsein für diese Thematik. Wir wollen als Gothaer noch einen Schritt weitergehen: mit der Initiative 500-50-5 werden wir 500 Unternehmerkunden dabei unterstützen, innerhalb von 5 Jahren 50 Prozent ihrer Emissionen einzusparen.

Assekurata Nachhaltigkeitsrating
Für Kund:innen ist oft nicht leicht zu durchschauen, bei welchen Unternehmen ein ernsthaftes Engagement für Nachhaltigkeit vorliegt und welche Unternehmen vor allem öffentlichkeitswirksame Aktionen durchführen, die aber das Geschäftsmodell nicht ändern. Darauf hat das Ratingunternehmen Assekurata reagiert und ein neues Rating-Verfahren zur Bewertung der Nachhaltigkeit von Versicherungsunternehmen entwickelt. Als erste Gesellschaft hat sich die Gothaer Lebensversicherung AG dem Verfahren gestellt und auf Anhieb ein A+ (gut) erreicht. Die Gothaer Lebensversicherung punktet im Rating vor allem in der Teilqualität Rahmenwerk mit einem sehr guten Ergebnis. Die Analyst:innen beeindruckte die konsistente Erarbeitung einer Nachhaltigkeitsstrategie und die breite thematische Durchdringung im Gothaer Konzern. Sichergestellt wird dies durch eine hohe Qualifikation und eine enge organisatorische Vernetzung des Teams Nachhaltigkeitsmanagement im gesamten Konzern. In den anderen Teilqualitäten erzielt das Unternehmen durchweg ein gutes Ergebnis.

Nachhaltigkeitskompetenz stärken
Eine der größten Herausforderungen bei der Transformation der Versicherungsbranche wie auch der Wirtschaft insgesamt ist die Integration von Nachhaltigkeit in die gesamte Wertschöpfungskette, denn dies erfordert Nachhaltigkeitskompetenz in allen Bereichen des Unternehmens. Aus diesem Grund liegt nach der Verabschiedung der Nachhaltigkeitsstrategie unser Schwerpunkt auf dem Aufbau der „Sustainability Literacy" bei den eigenen Mitarbeitenden und den Vertriebspartnern. Um die Nachwuchskräfte und damit die gesamte Branche weiterzubringen, fördert die Gothaer Stiftung die „Nachhaltigkeitsakademie" an der Universität Leipzig, die auf Grund der Förderung für alle Studierenden deutscher Hochschulen kostenfrei ist. Die zweiwöchige Akademie beinhaltet alle Aspekte von Nachhaltigkeit in der Wertschöpfungskette von Versicherungsnehmen und bietet einen intensiven, persönlichen Austausch mit Dozent:innen aus Wissenschaft und Praxis.
 
Svetlana Thaler-Honold leitet den Bereich Nachhaltigkeitsmanagement bei der Gothaer Versicherung. Sie hat Volkswirtschaftslehre, Politikwissenschaften, Geschichte und Romanistik an der Universität Köln studiert. Ihren beruflichen Werdegang startete sie im Umwelt- und Nachhaltigkeitsmanagement. Vor dem Wechsel in die Versicherungsbranche arbeitete sie über zehn Jahre als Nachhaltigkeitsberaterin, vor allem für die öffentliche Hand.

Quelle: B.A.U.M. e.V. - Netzwerk für nachhaltiges Wirtschaften

Umwelt | Klima, 01.07.2022
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 02/2022 mit dem Schwerpunkt: Wirtschaft im Wandel - Habeck Superstar? erschienen.
     
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