BIOFACH 2025

Die Zukunft der Logistik:

Unternehmen müssen den Sprung ins digitale Zeitalter schaffen

Die Transport- und Logistikbranche hat es nicht leicht. Noch immer kämpft sie mit den Folgen der Corona-Krise und muss zeitgleich lernen mit  Auswirkungen des Russland-Ukraine-Krieges umzugehen. Dazu kommt das große Thema Digitalisierung, welches seit Jahren in aller Munde ist, sich aber doch nur langsam durchsetzt. Im Interview sprechen Lasse Landt, Chief Financial Officer des IT-Lösungsanbieters Pamyra und Botho Rothmaler, Logistik- & Eisenbahnexperte der Unternehmensberatung Q_PERIOR über den derzeitigen Wandel der Transport- und Logistikbranche, die digitale Transformation und verschiedene Plattformlösungen für Logistikunternehmen. 

Die Transport- und Logistikbranche ist seit vielen Jahren im Umbruch. Wie ist die Stimmung aktuell?
© Gerd Altmann, pixabay.comLasse Landt: Die Serie an Krisen trifft die Logistikbranche hart und zeigt uns allen, wie elementar diese für die meisten von uns lange Zeit unsichtbare Branche ist. Ich kann jetzt nur von der Speditionsbranche sprechen, aber diese tickt sehr unternehmerisch. Das liebe ich an der Speditionswelt. Da wird vor allem gehandelt und alles getan, dass der Laden läuft. Klar ist da Anspannung und mitunter auch mal Erschöpfung zu spüren, aber auch ein zufriedener Stolz darüber, dass die Branche endlich in der Breite als das anerkannt wird, was sie ist und schon immer war: systemrelevant. Trotz der Beschäftigung mit den aktuellen Krisen handeln mehr und mehr Spediteure, weil sie erkennen, dass die Digitalisierung nicht nur notwendige Last ist, sondern auch Chancen bietet, anderen Problemen wie bspw. dem Mitarbeitermangel entgegenzutreten. Zum allgemeinen Marktumfeld kann Botho vielleicht mehr sagen.

Botho Rothmaler: Wir sehen gerade in der Transportlogistik weiterhin einen sehr versprengten Markt mit sehr vielen Anbietern und eher überschaubaren Marktanteilen, also hoher Wettbewerb bei geringen Margen. Alle kämpfen mit Herausforderungen wie CO?-Reduzierung, Personalmangel und international sicherlich auch mit immer sensibleren Transportketten. Beim Verkehrsträger "Schiene” kommen hohe Erwartungshaltungen hinzu, was die Verlagerung von Gütern auf die Schiene anbelangt und das bei begrenzten Kapazitäten auf einer fragilen Infrastruktur. Zudem kommen ganz aktuell weitere Herausforderungen wie explodierende Treibstoffpreise hinzu. 

Transportroboter im Lager, automatische Tourenplanung oder Blockchain-Technologie für Frachtbriefe: Die digitale Transformation ist in aller Munde, aber wie digital ist die Logistikbranche eigentlich wirklich?
Botho Rothmaler: Noch ist der Investitionswille seitens der klassischen Logistikdienstleister, den wir wahrnehmen, weiterhin gebremst. Gerade bei mittelständischen Unternehmen muss jeder Euro zweimal umgedreht werden und da überlegt sich jeder sehr genau, ob die Software, deren Lebenszyklus schon längst abgelaufen ist, nicht dennoch weiterhin ausreicht. Viele arbeiten technologisch noch mit Softwaresystemen, die eher aus den 80er Jahren stammen. Auf der anderen Seite gibt es immer mehr Start-ups mit viel Kapital, die sich um moderne IT-Lösungen kümmern, die den Marktteilnehmern ein einfacheres Handling und größere Markttransparenz bieten. Ich glaube, es sind vor allem die Big Player, die sich mit Themen wie Digital Twin oder die Blockchain befassen. Die Erneuerung des Fundaments für das eigentlich Geschäft beginnt nur zögerlich.

Lasse Landt: Ich zucke immer ein bisschen zusammen, wenn ich im Kontext der Digitalisierung immer gleich Blockchain oder KI höre. Ich denke, Digitalisierung ist dann sinnvoll, wenn sie mit dem Problem anfängt und nicht mit der Lösung. Meine Erfahrung deckt sich mit der von Botho. Die Einführung von neuen Lösungen bei laufenden operativen Prozessen ist für viele, nicht nur für die kleinen und mittleren, eine große Herausforderung. Immerhin ist die gesamte Logistik extrem stark auf Effizienz getrimmt. Und auch wenn man da mit neuen und innovativen digitalen Lösungen noch viele Potenziale heben kann, sind finanzieller aber auch zeitlicher Invest für die Einführung neuer Lösungen häufig schwer zu stemmen. Ich denke, dass Software-as-a-Service Lösungen, wie bspw. Pamyra, hier einen Ausweg bieten, mit geringem zeitlichen und finanziellen Aufwand State-of-the-Art Technologien einzuführen und das unabhängig von der Unternehmensgröße. In anderen Branchen sind SaaS-Lösungen längst fester Bestandteil der IT-Landschaft. Hier hat die Logistik deutlichen Nachholbedarf. Es kann nicht jeder alles selber machen.

Wo wäre die Branche heute, wenn die Digitalisierungswelle schon mindestens ein Jahrzehnt früher begonnen hätte? 
Lasse Landt: Nun, zum einen hätten wir mehr SaaS-Lösungen wie Pamyra im Markt. (lacht) Aber Spaß beiseite. Ich denke, dass wir mit fortschreitender Digitalisierung eine zunehmende Transparenz unvermeidlich ist und damit einhergehend eine Konzentration der Marktteilnehmer auf ihre jeweiligen Stärken notwendig wird. Das gilt sowohl für die Frage, ob ein Spediteur wirklich auch der bessere Software-Entwickler ist, als auch im logistischen Bereich. Wenn man einen Spediteur anruft, dann kann der erstmal alles. Hintenrum wird dann telefoniert, gemailt und dreimal weitervermittelt. Mit zehn Jahren mehr Digitalisierung hätten wir mehr Transparenz, wer welche Segmente wirklich bedient und die Prozesse, die Sendungen automatisch dorthin zu vergeben. Mehr Business im Kerngeschäft, weniger Beifang.

Botho Rothmaler: Vielleicht hätten wir einen deutlich kollaborativen Markt, in dem sich die Teilnehmer eher gegenseitig unterstützen.

Lasse Landt: Genau. Das meine ich.

Botho Rothmaler: Höhere Auslastungen der Transportmittel würden zu weniger Transporten führen und so dazu beitragen, den Fahrermangel auf der Straße und der Schiene zu lindern. Wir würden Last-Mile-Lösungen sehen, welche die Auslieferungen im KEP-Markt bündeln. Vielleicht hätten wir im LogTech-Markt auch gewachsene Unternehmen an der Börse, weil die Nachfrage nach Plattformlösungen sich bereits stärker  entwickelt hat.   
 
Herr Rothmaler, Sie haben sich in den vergangenen Monaten mit Plattformlösungen für Logistikunternehmen auseinandergesetzt. Was konnten Sie dabei beobachten?
Botho Rothmaler: Wir haben über sechs Monate den LogTech-Markt untersucht. Es hat sich sehr viel getan. Wir haben in unseren Analyse festgestellt, dass auf sehr unterschiedlichen Teilmärkten über 80 Unternehmen ihre Leistungen anbieten. Neben den klassischen Produkten, wie Frachtenbörsen und etablierten Vermietungsservices, gibt es Plattformen, die bei Ausschreibungen von Verladern nach Logistikdienstleistungen unterstützen. Weiterhin hoch im Kurs sind Tracking- und Tracing-Produkte. International ist eine hohe Investitionsbereitschaft im LogTech-Markt vorhanden. Es gibt Studien, die in 2021 im LogTech-Segment ein eingesetztes Risikokapital von 25 bis 30 Milliarden Dollar ermittelt haben. Und die Start-ups entwickeln sich rasant. Es gibt mittlerweile eine Reihe von Unicorns in der Branche, also Unternehmen, deren Marktwert bereits mit über eine Milliarde Dollar bewertet wird. Dazu gehören zum Beispiel Unternehmen wie Sennder, Flock Freight oder Loggi. Keine Frage, die Nachfrage nach transparenten, leicht zugängigen Logistiklösungen nimmt rasant zu.
 
Lasse Landt: Ich möchte vielleicht noch anmerken, dass streng genommen, die meisten Spediteure auch Plattformen sind, auf denen Verlader Transporte buchen, die letztlich meist von verschiedensten Frachtführern gefahren werden. Ein Unternehmen wie Sennder digitalisiert dieses Prinzip und ist damit den analogen Plattformen, sprich klassischen Speditionen, zumindest bei der Konnektivität und Skalierbarkeit der Prozesse einen Schritt voraus.

Kontakt: macheete, Mareen Eichinger | presse@macheete.com | www.macheete.com

Wirtschaft | Lieferkette & Produktion, 07.08.2022

     
        
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