Quo vadis Elektromobilität - wo geht die Reise wirklich hin?
Ausbau der Ladeinfrastruktur in Deutschland. Gelingt zumindest hier der Doppel-Wumms?
Am 19. Oktober hat die Bundesregierung den zweiten Masterplan für Ladeinfrastruktur beschlossen. Ziel ist es, mit 68 Maßnahmen den schleppenden Ausbau von Ladeinfrastruktur in Deutschland zu beschleunigen. Grund für uns einen Blick zurück zu werfen, durch welche Hürden der Ausbau bisher ausgebremst wurde und zu analysieren, in wie weit die neuen Maßnahmen einen Durchbruch versprechen.
Bereits die alte Bundesregierung hatte 2019 das Ziel ausgegeben, bis 2030 eine Million öffentliche Ladepunkte in Deutschland aufzubauen. Die Ampel hat dieses Ziel im Koalitionsvertrag bekräftigt und nun auch im Masterplan Ladeinfrastruktur aufrechterhalten. Anders als bei den Zielen für Elektroautos, deren Zulassungszahl in 2030 satte 15 Millionen erreichen soll, wirkt das Ladeinfrastrukturziel beinahe bescheiden. Dass dem jedoch nicht so ist, zeigen folgende Zahlen. 2019 gab es in Deutschland gerade mal 24.000 öffentliche Ladepunkte, laut Bundesnetzagentur waren am 1. September 2022, also drei Jahre nach der ersten Zielvorgabe, trotz zahlreicher Förderprogramme der Regierung Merkel erst 68.275 Ladepunkte erreicht. Das ist zwar fast eine Verdreifachung innerhalb von drei Jahren, würden wir aber mit dieser Geschwindigkeit bis 2030 fortfahren, hätten wir bis zum 1. Januar 2030 knapp 235.000 Ladepunkte errichtet, also noch nicht einmal ein Viertel dessen, was versprochen wurde.
2. Kommunale Bürokratie bei den Genehmigungsverfahren
Kommunen selbst können nicht unternehmerisch tätig werden und müssen somit ihre Ladesäulenpläne durch Dritte bzw. kommunale Unternehmen realisieren lassen. Egal ob nun ein Stadtwerk oder ein privatwirtschaftliches Unternehmen eine Ladesäule auf öffentlichem Grund installieren möchte, benötigt sie eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis. Der Weg dahin ist lang und steinig. In der Regel wird sie durch das Tiefbauamt einer Kommune erteilt, die zunächst folgende Punkte überprüft: Integration ins Stadtbild, Anschluss ans Versorgungsnetz (s.o.), Vereinbarkeit mit Flächennutzungsplänen, bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, Beeinträchtigung des Verkehrs, Anwendbarkeit des Bauordnungsrechts (mind. Brandschutz), Ausweisung von Sonderparkflächen, Verkehrssicherungspflichten sowie die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Dem ganzen sollte auch noch ein Bürgerbeteiligungsverfahren vorausgegangen sein. Dass selbst kommunale Energieversorger bis zum Erhalt der Sondernutzungserlaubnis im Schnitt 6 Monate benötigen verwundert nicht. Doch noch ist nichts gebaut, es muss also noch eine Genehmigung von Tiefbauarbeiten erteilt werden. Je nach kommunaler Satzung kann hier ein böses Erwachen folgen. In der Stadt München sind z.B. neu hergestellte Straßenflächen für drei Jahre vor Aufgrabung geschützt. D.h. wer hier eine Ladesäule plant, muss sich erst mal drei Jahre gedulden bevor er losbauen darf. Dass bis dahin sowohl die Zusage des Netzbetreibers als auch die Sondernutzungserlaubnis längst erloschen ist, versteht sich von selbst.
4. Das Monopol kommunaler Energieversorger
Laut Untersuchung des Energieversorgers Lichtblick sind in manchen Kommunen bis zu 90 Prozent der öffentlichen Ladeinfrastruktur in der Hand eines Anbieters, meist des kommunalen Energieversorgers. Doch woher kommt diese Monopolstellung. Zum einen natürlich, weil privatwirtschaftliche Unternehmen sich die Schrecken der soeben vorgestellten Bürokratiehürden nicht antun wollen. Aber es gibt noch einen weiteren, wenig rühmlichen Grund hierfür. Im Jahr 2005 wurde im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) eine Entflechtung von Verteilnetzbetreiber und Stromversorger festgelegt. Viele kommunale Stromversorger besaßen damals auch die lokalen Versorgungsnetze. Diese sind zwar nun in eigenständige Einheiten ausgelagert worden, doch meist sitzen die Mitarbeiter beider Einheiten noch immer im selben Gebäude, gehen gemeinsam Essen und arbeiten für das gleiche Mutterunternehmen. Dass Anträge auf Netzanschluss über diesen Weg schneller und kostengünstiger bewilligt werden, als wenn diese von einem externen Antragsteller kommen, ist naheliegend. Mangels Transparenz aber so gut wie nicht nachweisbar. Das gilt natürlich nicht für jede Kommune, aber in den Kommunen mit der schwächsten Entflechtung finden wir auch am häufigsten eine Monopolstellung des kommunalen Stromanbieters vor. Solche Monopole bremsen den Netzausbau massiv aus und führen zu überteuerten Angeboten.
Woran liegt es, dass dieser Ausbau so schleppend vorangeht und in zahlreichen Kommunen nach einem ersten Strohfeuer bald schon wieder zum Erliegen gekommen ist. Hierfür ist gleich ein ganzer Blumenstrauß bürokratischer Hürden und politischer Schildbürgerstreiche verantwortlich:
- Die unrühmliche Rolle der Verteilnetze und der Verteilnetzbetreiber
- Kommunale Bürokratie bei den Genehmigungsverfahren
- Die Flut deutscher Regelungswut zwischen DSGVO und Eichrecht
- Das Monopol kommunaler Energieversorger
Dem sogenannten Verteilnetzbetreiber (VNB) gehören die Leitungen und Technik, die nötig ist, uns physikalisch den Strom nachhause oder in den Betrieb zu liefern. Laut §18 EnWG ist der Netzbetreiber zwar verpflichtet, uns und somit auch unsere Ladestation ans Netz zu nehmen, in der Niederspannungsanschlussverordnung (NAV) wird aber festgelegt, dass alle Ladeeinrichtungen mit mehr als umgerechnet 11 kW Leistung vom VNB zu bewilligen sind, was de facto auf alle öffentlichen Ladesäulen zutrifft. Für seine Antwort hat der Netzbetreiber zwei Monate Zeit, die er meist deutlich überschreitet. Nun stammen viele kommunale Verteilnetze noch aus der Nachkriegszeit und waren nie für Elektromobilität ausgelegt. So kommt es wie es kommen muss und der Netzbetreiber stellt fest, dass erst einmal neue Zuleitungen oder gar ein neuer Mittelspannungstrafo nötig sind, um die Ladesäule zu versorgen. Das kostet Zeit und viel Geld. Wir sprechen hier von Summen, die meist im fünfstelligen Bereich beginnen und schnell auch mal sechsstellig werden können. Laut Niederspannungsanschlussverordnung können 50 Prozent der Ertüchtigungskosten in Form eines Baukostenzuschusses auf den Antragsteller umgelegt werden. Bei einer Normalladesäule, für die wir zwischen 6.000 und 15.000 Euro ausgeben müssen, ist ein solcher Baukostenzuschuss natürlich der Todesstoß. Allein hier werden zwischen 3 und 6 Monate Zeit und viele Ladesäulenpläne vernichtet.
Kommunen selbst können nicht unternehmerisch tätig werden und müssen somit ihre Ladesäulenpläne durch Dritte bzw. kommunale Unternehmen realisieren lassen. Egal ob nun ein Stadtwerk oder ein privatwirtschaftliches Unternehmen eine Ladesäule auf öffentlichem Grund installieren möchte, benötigt sie eine straßenrechtliche Sondernutzungserlaubnis. Der Weg dahin ist lang und steinig. In der Regel wird sie durch das Tiefbauamt einer Kommune erteilt, die zunächst folgende Punkte überprüft: Integration ins Stadtbild, Anschluss ans Versorgungsnetz (s.o.), Vereinbarkeit mit Flächennutzungsplänen, bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, Beeinträchtigung des Verkehrs, Anwendbarkeit des Bauordnungsrechts (mind. Brandschutz), Ausweisung von Sonderparkflächen, Verkehrssicherungspflichten sowie die Sicherheit und Leichtigkeit des Straßenverkehrs. Dem ganzen sollte auch noch ein Bürgerbeteiligungsverfahren vorausgegangen sein. Dass selbst kommunale Energieversorger bis zum Erhalt der Sondernutzungserlaubnis im Schnitt 6 Monate benötigen verwundert nicht. Doch noch ist nichts gebaut, es muss also noch eine Genehmigung von Tiefbauarbeiten erteilt werden. Je nach kommunaler Satzung kann hier ein böses Erwachen folgen. In der Stadt München sind z.B. neu hergestellte Straßenflächen für drei Jahre vor Aufgrabung geschützt. D.h. wer hier eine Ladesäule plant, muss sich erst mal drei Jahre gedulden bevor er losbauen darf. Dass bis dahin sowohl die Zusage des Netzbetreibers als auch die Sondernutzungserlaubnis längst erloschen ist, versteht sich von selbst.
3. Die Flut deutscher Regelungswut zwischen DSGVO und Eichrecht
Neben den eben genannten bürokratischen Hürden umfasst die von der nationalen Leitstelle für Ladeinfrastruktur veröffentlichte Gesetzeskarte Elektromobilität sagenhafte 58 Strategien, Gesetze und Verordnungen, von denen viele das Thema Ladeinfrastruktur beeinflussen. Z.B. müssen öffentliche Ladesäulen seit 2019 eichrechtskonforme Zähler besitzen. Ab Juli 2023 müssen gemäß novellierter Ladesäulenverordnung neue Stromtankstellen ein Kreditkartenterminal besitzen und laut Messstellenbetriebsgesetz müssen seit 2021 online erfasste Stromverbräuche über ein datenschutzkonformes Smart-Meter-Gateway transferiert werden. Laut dem ganz neu überarbeiteten § 14a des Energiewirtschaftsgesetzes soll die Möglichkeit geschaffen werden, Ladesäulen in Zukunft durch den Netzbetreiber fernzusteuern. Hinzu kommen noch einmal dutzende von technischen Anschlussbedingungen und Versicherungs-Richtlinien die nicht in der Gesetzeskarte enthalten sind, aber dennoch einzuhalten sind. Vieles davon ist sinnvoll, manches willkürlich und einiges bremst die E-Mobilität völlig aus.4. Das Monopol kommunaler Energieversorger
Laut Untersuchung des Energieversorgers Lichtblick sind in manchen Kommunen bis zu 90 Prozent der öffentlichen Ladeinfrastruktur in der Hand eines Anbieters, meist des kommunalen Energieversorgers. Doch woher kommt diese Monopolstellung. Zum einen natürlich, weil privatwirtschaftliche Unternehmen sich die Schrecken der soeben vorgestellten Bürokratiehürden nicht antun wollen. Aber es gibt noch einen weiteren, wenig rühmlichen Grund hierfür. Im Jahr 2005 wurde im Energiewirtschaftsgesetz (EnWG) eine Entflechtung von Verteilnetzbetreiber und Stromversorger festgelegt. Viele kommunale Stromversorger besaßen damals auch die lokalen Versorgungsnetze. Diese sind zwar nun in eigenständige Einheiten ausgelagert worden, doch meist sitzen die Mitarbeiter beider Einheiten noch immer im selben Gebäude, gehen gemeinsam Essen und arbeiten für das gleiche Mutterunternehmen. Dass Anträge auf Netzanschluss über diesen Weg schneller und kostengünstiger bewilligt werden, als wenn diese von einem externen Antragsteller kommen, ist naheliegend. Mangels Transparenz aber so gut wie nicht nachweisbar. Das gilt natürlich nicht für jede Kommune, aber in den Kommunen mit der schwächsten Entflechtung finden wir auch am häufigsten eine Monopolstellung des kommunalen Stromanbieters vor. Solche Monopole bremsen den Netzausbau massiv aus und führen zu überteuerten Angeboten.
Schafft hier der Masterplan Ladeinfrastruktur II der Bundesregierung Abhilfe?
So lange diese strukturellen Probleme bestehen, sieht es düster für einen schnellen und marktwirtschaftlichen Ausbau der öffentlichen Ladeinfrastruktur aus. Werfen wir also einen Blick in den Masterplan Ladeinfrastruktur II. Es wird ganz viel auf Mitwirkung gesetzt. Unter anderem Mitwirkung der Automobilwirtschaft, Mitwirkung der Mineralölwirtschaft und noch vieler anderer. Das erinnert ein wenig an den Brei mit den vielen Köchen. Auch soll eine Menge gemessen werden und ein eigenes Monitoring-Konzept ist geplant. Das erinnert mich an meine eigenen Versuche abzunehmen, der Gang auf die Waage ist zwar wichtig, ändert aber nichts an den Ursachen. Auch soll die finanzielle Unterstützung des Bundes effektiver gestaltet werden. Das klingt zwar toll, aber ändert nichts daran, dass die neue Regierung die meisten wirklich funktionierenden Förderprogramme für Ladeinfrastruktur hat auslaufen lassen und von einer Neuauflage ist hier nichts zu finden. Nun kommen wir zu den konkreteren Maßnahmen. Beispielsweise sollen die Genehmigungsprozesse an Autobahnen vereinheitlicht werden. Verdächtig ist, dass hier nicht das Wörtchen vereinfacht steht. Doch auf kommunaler Ebene kommt Hoffnung auf. Lokale Masterpläne inkl. eines Wettbewerbskonzeptes mit diskriminierungsfreier Flächenbereitstellung sollen zumindest den Monopolisten den Kampf ansagen. Und auch ein Leitfaden für Optimierung und Beschleunigung von Genehmigungsprozessen ist geplant. Auch soll ein vorausschauender Stromnetzausbau durch die Netzbetreiber realisiert werden. Der Plan schweigt sich aber aus, wer hierfür die Kosten zu tragen hat. Antragsverfahren für Netzanschlüsse sollen beschleunigt werden und es soll auch mehr Transparenz beim Netzanschluss kommen. Und durch eine Vereinheitlichung der technischen Anschlussbedingungen sowie eine Verfahrensbefreiung von technischen Nebenanlagen (wie Trafostationen) soll der Verordnungsdschungel etwas entflechtet werden.
Prinzipiell werden im neuen Masterplan Ladeinfrastruktur tatsächlich die entscheidenden Problempunkte aufgegriffen, doch ein Doppel-Wumms ist nicht zu erwarten. Denn anders als sein Vorgänger von 2019, der mit 3 Milliarden Euro ausgestattet war, herrscht komplettes Schweigen über das verfügbare Budget…
Dipl. Ing. Andreas Varesi, Jahrgang 1964. Seit 2009 Experte für Elektromobilität, Gründer der emobile academy. Er hat seit 2019 weit über 100 Berater für Elektromobilität mit IHK- und DEKRA-Zertifizierung ausgebildet und an mehreren E-Mobilitätsprojekten der EU als Teilprojektleiter mitgewirkt (u.a. MOBINCITY und SMARTV2G).
Technik | Mobilität & Transport, 25.10.2022
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