BIOFACH 2025

Kapital für nachhaltiges Bauen

Eine österreichische Initiative will Schwung in zukunftsfähiges Bauen bringen

Gemäß dem Ziel Nummer 17 der Entwicklungsziele der UN sollen Organisationen kooperieren, um die anderen sechzehn Ziele zu erreichen. Genau das versuchen nun fair-finance und die Wiener Privatbank. Dazu bringen sie die Expertise der beiden Unternehmen – also einerseits das klassische Kreditgeschäft auf Seiten der Bank und das Know-how im Bereich Asset Management sowie Nachhaltigkeit auf Seiten von fair-finance – zusammen, um damit ein gemeinsames Produkt zu entwickeln. So entstand 2021 der WPB Sustainable Real Estate Debt Fund als Mezzanine-Kapital-Fonds. Im Interview stellen Eduard Berger von der Wiener Privatbank, Johannes Puhr von fair-finance und Jürgen Nageler von buildings4future den Fonds und seine Zielsetzungen vor.
 
Das Projekt OSK wurde auch durch die Mittel der fair-finance Vorsorgekasse ermöglicht, die Immobiliendarlehen nur nach strenger Prüfung ihrer Mindestkriterien und -standards rund um das Thema Nachhaltigkeit vergibt. © OSKHerr Berger, warum finanzieren Sie nachhaltige Immobilienprojekte?
Ganz einfach aus drei Gründen: weil es von Kund:innenseite immer stärker gefordert wird, weil es einem gesellschaftspolitischen Zeitgeist entspricht und weil sich die Regulatorien genau in diese Richtung entwickeln werden. Damit tun wir einfach das, was getan werden muss und was früher oder später Standard sein wird. Wir wollen hier einfach frühzeitig an der Spitze stehen.
 
Was finanziert der WPB Real Estate Debt Fund?
Die klare Ausrichtung des Fonds ist es, Projekte für nachhaltiges und leistbares Wohnen mit sozialem und ökologischem Impact zu ermöglichen.
 
Welche Projekte werden bereits finanziert?
Immer langsam mit den jungen Pferden! Derzeit befinden wir uns noch in der Seed-Financing-Phase; es gibt also noch keine konkreten Projekte, die wir finanziert haben. Aber eines ist klar: Zunächst liegt der Finanzierungschwerpunkt in Österreich und Deutschland. Sobald wir damit erfolgreich sind, gehen wir in angrenzende Länder.
 
Wie wird der Fund finanziert?
Die Kapitalgeber-Zielgruppe sind ganz klar family offices, Stiftungen und institutionelle Investoren.
 
Herr Nageler, hat Ihr ungewöhnlicher Firmenname buildings4future etwas mit der Fridays4Future-Bewegung zu tun, oder wurde ihr Projekt gar davon inspiriert?
Nein, hier gibt es keinen Zusammenhang. Wir wollen mit diesem Firmennamen einfach ausdrücken, dass wir zukunftsfähige, enkeltaugliche Wohngebäude erstellen.
 
Was genau sind nach Ihrer Definition nachhaltige Immobilienprojekte, und wie lauten die Kriterien?
Da wir gemeinsam mit der fair-finance Vorsorgekasse unter dem Dach der Sinova Holding angesiedelt sind, greifen wir auf das im Schwesterunternehmen entwickelte „fair-finance-Rating für nachhaltige Immobilien" zurück, dem sowohl die klima:aktiv Basiskriterien des Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) als auch die Kriterien des Österreichischen Umweltzeichens zugrunde liegen.
 
Und wer überprüft die Einhaltung der genannten Kriterien in Ihren Projekten?
Die Überprüfung erfolgt durch den gerichtlich beeidigten Sachverständigen DI Erich Reiner, mit dem wir auch gemeinsam das fair-finance-Nachhaltigkeitssrating entwickelt haben.
 
Sie bezeichnen buildings4future als Social Enterprise und als Game Changer. Ist das nicht ein etwas hoher Anspruch für einen Immobilien-Projektentwickler?
Nein, das finde ich gar nicht. Denn unsere Intention ist ganz klar, mit der Schaffung von nachhaltigem Wohnraum und unseren zukunftsweisenden Immobilienlösungen zu einer positiven und nachhaltigen Veränderung der Gesellschaft beizutragen.
 
Ist das Unternehmen damit bereits ein Social Business?
Auf alle Fälle. Ich gebe Ihnen ein Beispiel: Social Business schon deshalb, weil unter anderem „Leistbares Wohnen" ein Kriterium für unser Handeln ist. Zum Beispiel über unsere Bauherrenmodelle in Graz, wo ein mit EUR 4,50 pro m² (netto) gedeckelter Mietpreis – in einem Umfeld von EUR 8-10 pro m² – junge Familien bzw. einkommensschwache Schichten massiv unterstützt.
 
Herr Puhr, worin liegen für Sie die Besonderheiten des Fonds?
Die Vergabe von Darlehen orientiert sich an unserem fair-finance Ratingsystem für nachhaltige Immobilien. Bereits mit der Erfüllung der Anforderungen des Basis-Standards wird ein Mindestniveau betreffend Nachhaltigkeit erreicht, das von den zu finanzierenden Objekten in jedem Fall zu erfüllen ist. Die erhöhten Standards „Silber" und „Gold" dokumentieren eine signifikante Übererfüllung des Mindestniveaus. Damit erreichen wir Lenkungseffekte in Richtung Nachhaltigkeit, und die Investoren sind angehalten, sich mit dem Thema „Nachhaltigkeit" auseinanderzusetzen!
 
Gibt es im Umfeld von fair-finance bereits derartige Finanzierungen?
Ein gutes Beispiel für eine derartige Projektfinanzierung ist das Objekt Offene Schule Köln – OSK. Dieses Projekt zeigt anschaulich, wie wir gemeinsam nachhaltiges Bauen definieren. (siehe Kasten).

Ein Schulprojekt mit innovativen Finanzierungsvorgaben
Das Projekt Offene Schule Köln (OSK) wurde auch durch die Mittel der fair-finance Vorsorgekasse ermöglicht, die Immobiliendarlehen nur nach strenger Prüfung ihrer Mindestkriterien und -standards rund um das Thema Nachhaltigkeit vergibt. Somit wird ausschließlich in Immobilien und Projekte investiert, die hohe Sozial- und Umweltstandards erfüllen. Nur bei Erreichung einer über diese Mindeststandards hinausgehenden Nachhaltigkeitsleistung wird der Zinssatz zugunsten des Darlehensnehmers reduziert. Im konkreten Fall der OSK konnte der Zinssatz um 1,0 % p.a. verringert werden. Andreas Reimann, Geschäftsführer des Schulträgers, freut sich: „Damit konnte die OSK, die als ,Schule für Alle’ für individuelle Förderung, Inklusion und die Entfaltung der Potenziale der SchülerInnen steht, ihr Projekt in die Tat umsetzen." Die Schule bietet Platz für 650 SchülerInnen und wurde im August 2022 eröffnet.
 
Zurück zum Fonds. Wie ist das Fonds-Projekt konkret aufgesetzt?
Die fair-finance Asset Management ist der Manager des Fonds, die Wiener Privatbank der Advisor, der die Kreditbeurteilung und das Monitoring abdeckt. Die Nachhaltigkeitsprüfung erfolgt auf Seiten der fair-finance Asset Management, die dabei auf die Expertise von buildings4future zurückgreift. Wir ermöglichen damit ein Zusammenspiel aus nachhaltigen Wohnimmobilien und einem reduzierten Darlehenszins. Den gibt es allerdings nur, wenn – wie erwähnt – die Mindeststandards übererfüllt werden; und diese Kombination ist meines Wissens bisher einzigartig. Vor allem in der Größenordnung, in der wir unterwegs sind – also Projekte mit einem Volumen zwischen zehn und zwanzig Millionen Euro.
 
Wie nimmt der Markt den Real Estate Debt Fund auf?
Die ersten Reaktionen sind sehr positiv, und wir schauen zuversichtlich in die Zukunft.
 
Wie hoch ist die erwartete Rendite?
5-7 % nach Kosten, wobei uns aber neben der Rendite vor allem der Impact ein besonderes Anliegen ist.
 
Wie stark wird die Finanzwirtschaft zukünftig Einfluss nehmen auf Qualität und Nachhaltigkeit von Finanzprodukten?
Der Einfluss von Nachhaltigkeit in diesem Bereich nimmt massiv zu, weil sie ein integrativer Bestandteil im Investmentprozess wird. Damit vollzieht sich endlich ein Wandel in der gesamten Bauindustrie sowie ein Bewusstseinswandel bei den handelnden Personen.
 
Meine Herren, ich danke für das Gespräch.
 
Eduard Berger ist Vorstandsmitglied der Wiener Privatbank SE und bekleidete in seiner Laufbahn wichtige Führungspositionen in der österreichischen Finanzwirtschaft. 
Johannes Puhr ist Gründungsmitglied der Sinova Gruppe, CEO der fair-finance Asset Management und Mitglied des Managementteams der Sinova Holding. 
Jürgen Nageler ist Vorstand beim Immobilienentwickler buildings4future sowie Vorstand bei der KlimaGut Immobilien AG in Berlin.

Lifestyle | Geld & Investment, 01.08.2022
Dieser Artikel ist in forum Nachhaltig Wirtschaften 03/2022 mit dem Schwerpunkt: Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft - Ist die Party vorbei? erschienen.
     
        
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