Mentale Intelligenz
Eine Schlüsselkompetenz für die Welt, in der wir leben
Neben dem Intelligenzquotienten und der emotionalen Intelligenz beeinflusst uns eine dritte Stellschraube: die mentale Intelligenz. Dabei hat mentale Intelligenz die stärkste Hebelwirkung für unsere Lebensgestaltung. Denn wie es uns geht, wie wir die Welt empfinden – das alles spielt sich in unserem Gehirn ab. Die Beherrschung unserer Gedanken ist damit der Schlüssel für die Beherrschung unseres Lebens – und dabei gibt es einfache Tricks. Wir sprachen mit der Diplom-Psychologin und Trainerin Dr. Petra Bernatzeder über die unterschätzte mentale Intelligenz.
Frau Bernatzeder, wozu brauchen wir mentale Intelligenz?
Globale Krisen und dramatische persönliche Herausforderungen fordern uns bis an unsere Grenzen. Und vieles, was um uns herum passiert, können wir nicht ändern. Aber eines können wir mit Sicherheit ändern, und zwar, wie wir damit umgehen. Mentale Stärke ist der Schlüssel, um fokussiert, klar, konzentriert, fit und gesund zu bleiben. Wir denken pro Tag etwa 70.000 Gedanken. Jeder dieser „Geistesblitze" nimmt Einfluss auf unser System. Mentale Intelligenz bedeutet zu verstehen, was sich in unserem Kopf abspielt, zu verstehen, wie wir ticken und wie wir uns gezielt steuern können, und zwar mit der Kraft der Gedanken. Damit können wir dann zum Beispiel unsere Kreativität und Produktivität beeinflussen.
Mentale Intelligenz also als ertragssteigernder Motor für die eigene Firma?
In jedem Fall, denn sie erhöhen die Effizienz, reduzieren die Fehlerhäufigkeit und das Erkrankungsrisiko. Zu gerne würde ich mit interessierten Controllern zusammenarbeiten, um relevante Messkriterien zu entwickeln. Aber es geht noch um mehr. Denn mentale Intelligenz kann auch Stress akut reduzieren, Burnout vorbeugen und zu einem gesünderen, leichteren Leben verhelfen. Inzwischen gibt es dazu eine Vielzahl wissenschaftlicher Forschungsergebnisse, die deren Wirksamkeit belegen.
Können wir damit auch den Körper beeinflussen?
Klar. Im Leistungssport sind mentale Werkzeuge längst angekommen. Dort werden zum Beispiel Techniken trainiert, um sich – trotz eines Rückstands – emotional so stabil zu halten, dass die Chancen groß sind, diesen aufzuholen und zu gewinnen. Man sagt sich dann zum Beispiel: „Das schaffe ich noch, hab‘ schon öfter einen Rückstand aufgeholt". Oder beim alles entscheidenden Elfmeter stellt sich der Fußballer den besten Elfmeter vor, den er jemals geschossen hat. So visualisiert er seinen Erfolg im Vorfeld und fokussiert damit sein Körper-Seele-Geist-System auf dieses Ergebnis, wenn es darauf ankommt.
Aber wer nimmt sich im Alltag schon Zeit für Gedankenübungen?
Man braucht dafür nicht viel Zeit. Es reichen oft die kleinen Dinge. Und man kann es zum Beispiel auch beim Zähneputzen machen.
Wie haben wir uns diese Übungen konkret vorzustellen?
Stellen Sie sich vor, Sie arbeiten an einem Projektbericht. Es ist gerade zäh und mühsam, das Risiko, sich mit anderen Aufgaben abzulenken groß. Wenn Sie jetzt denken: „Das nimmt kein Ende, wie schrecklich..." schwächen Sie Ihr Durchhaltevermögen. Hier helfen positive Selbstsuggestionen, zum Beispiel mit Hilfe eines imaginierten Zielbildes. Auch eine kurze Achtsamkeitsübung zwischendurch zum Umschalten oder kurz vor dem Schlafen ein Ritual zum Abschalten kann viel bewirken – wie übrigens auch bestimmte Musikstücke.
Ein anderes bewährtes Mittel ist, gedanklich an einen anderen Ort zu reisen, um komplexe Probleme aus einer anderen Perspektive zu betrachten. So „beamen" sich manche Menschen an ihren mentalen Kraft-Ort, also an einen Platz, an dem sie einen besonders guten Überblick haben und sich sammeln und konzentrieren können. Für einen Klienten ist es ein Baumhaus, für einen anderen die Bank an einem Fluss oder die Bergspitze. Diese Wahrnehmungen dabei sind subjektiv völlig unterschiedlich. Aber bei allen verändert sich der Stoffwechsel und die Gehirnfrequenzen werden langsamer und deshalb sind wir kreativer.
Und nach dem Baumhaus geht es dann in die Konferenz...
Genau. Viele meiner Coaching-Klienten haben das Problem, nicht abschalten zu können. Sie leisten sich dann vor ihrem nächsten schwierigen Termin eine Energiedusche, indem sie sich zum Beispiel für ein paar Momente vorstellen, im Wald in einer Lichtung unter einem Wasserfall zu stehen. Und nachher fühlen sie sich frischer und konzentrierter.
Wer kommt zu Ihnen in die Coachings?
Generell sind die Übungen für alle Berufsgruppen geeignet, ob Kopfarbeiter oder Handwerker. Aber zu mir kommen vorwiegend Manager oder Fachexperten, die bestimmte Probleme haben, zum Beispiel Verschieberitis, oder sehr überlastet sind und kurz vor dem Burnout stehen. Auch bei Verschieberitis helfen mentale Techniken, um sich mit der Kraft der Gedanken in den Flow zu versetzen.
Sind Business-Leute nicht erst einmal voreingenommen gegenüber solchen Übungen?
Das hat sich seit einiger Zeit geändert. Es ist eine Frage der Generation und der Sportbegeisterung. Viele nutzen bereits intuitiv mentale Bilder. Und über Achtsamkeitsübungen und Meditationen steigt das Bewusstsein, wie wichtig die Steuerung unserer Gedanken ist. Das ist in der jüngeren Generation längst Alltag. Wir brauchen dringend ein Schulfach „mentale Intelligenz". Einige Projekte an Schulen haben wir bereits gemacht, das Feedback war hervorragend. Aber das war ein erster Tropfen auf den heißen Stein.
Frau Bernatzeder, wie danken für das Gespräch.
Ein Interview von Alrun Vogt
Übungen zur mentalen Intelligenz
Der persönliche Moment of Excellence
Eine sehr praktische Technik ist der persönliche Moment of Excellence. Er unterstützt frische Energie, Freude und Sicherheit in uns. Der Trick ist, sich immer wieder in diese Situation zu beamen und den Moment of Excellence zu genießen:
Anleitung: In den folgenden drei Situationen habe ich mich einfach großartig gefühlt, besser geht es nicht:
Situation 1: (z.B.: nach dem Joggen nach Hause kommen)
Situation 2: (z.B.: mit Freunden am Lagerfeuer Musik machen)
Situation 3: (z.B.: das Abschlusszeugnis in der Hand halten)
Ich wähle Situation Nr. 3 aus.
In dieser Situation sehe ich vor meinem geistigen Auge ... (z.B.: den Schulhof und ich halte das Abschlusszeugnis in der Hand)
Ich höre, was es in dieser Situation zu hören gibt ... (z.B.: Gespräche, Lachen, Gemurmel)
Ich spüre, wie sich mein Körper anfühlt ... (z.B.: leicht und befreit)
Ich schmecke, was in meinem Mund ist ... (z.B.: Cola)
Ich rieche, was ich in der Nase habe ... (z.B.: frisch gemähtes Gras)
Stoppsignal für Stress: Die Y-Haltung
Sie tut nicht nur den Schultern gut, sondern verändert auch die hormonelle Situation. So wird der Testosteronspiegel, der für unser Selbstvertrauen verantwortlich ist, erhöht und damit ein Stresshormon, nämlich der Cortisol-Spiegel, gesenkt. Wer also kurzfristig seinen Stresspegel senken will, der nehme einfach die Y-Haltung ein und strecke seine Arme in Siegerpose nach oben. Diese Körperhaltung wirkt völlig unauffällig, selbst wenn man sie ein paarmal hintereinander ausführt. Probieren Sie es doch gleich einmal aus.
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