Neue Recherche: GFANZ-Mitglieder finanzieren fossile Expansion mit Milliardensummen

Hierdurch können neue Kohlekraftwerke, -minen sowie entsprechende Infrastruktur wie Häfen entwickelt werden.

Trotz ihrer Mitgliedschaft in der Glasgow Financial Alliance for Net Zero (GFANZ) unterstützen Finanzinstitute weltweit immer noch die Expansion fossiler Energien mit Milliardensummen. Dazu zählen auch deutsche Institute, insbesondere die Deutsche Bank mit ihrer Tochter DWS. Dies zeigt ein neuer Bericht, der heute von den Umweltorganisationen Reclaim Finance und urgewald zusammen mit weiteren NGO-Partnern veröffentlicht wurde (1). Die GFANZ ist laut eigener Aussage die größte Koalition von Finanzinstitutionen, die sich für den Übergang der Weltwirtschaft zu Netto-Null-Treibhausgasemissionen einsetzen.

© Steve Buissinne, pixabay.comWährend sich die Wirtschafts- und auch speziell Finanzelite gerade beim Weltwirtschaftsforum in Davos trifft, rufen die NGOs die GFANZ-Initiative dazu auf, ihre Mitglieder zur sofortigen Beendigung der Finanzierung fossiler Expansion zu verpflichten. Denn nur so kann die Finanzbranche im Einklang mit der Klimawissenschaft das Netto-Null-Ziel bis 2050 erreichen und einen ernsthaften Beitrag zur Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius leisten.  

Der neue Bericht entlarvt die großen Finanzinstitute, die trotz Mitgliedschaften in den GFANZ-Unterorganisationen die Unternehmen mit den weltweit größten fossilen Expansionsplänen unterstützen (2). Die wichtigsten Ergebnisse im Überblick: 
  • 56 der größten Banken in der Net-Zero Banking Alliance (NZBA) haben, seit Beginn ihrer jeweiligen Mitgliedschaft gerechnet, insgesamt 270 Milliarden US-Dollar an 102 führende fossile Expansionisten geleitet. Dies geschah im Rahmen von 134 (Konsortial-)Krediten und 215 Underwriting-Mandaten (Stand Ende August 2022); 
  • 58 der größten Mitglieder der Net Zero Asset Managers Initiative (NZAM) hielten (Stand September 2022) Aktien und Anleihen von 201 führenden fossilen Expansionisten in Höhe von insgesamt mindestens 847 Milliarden US-Dollar;
  • Nur eine Handvoll von Finanzinstituten haben seit Beginn ihrer jeweiligen GFANZ-Mitgliedschaft Richtlinien verabschiedet, die die Finanzierung von bzw. Investition in fossile Expansion auf Projekt- und/oder Unternehmensebene sinnvoll ausschließen (3).
Insgesamt erhielten laut des neuen Berichtes 229 der weltweit größten fossilen Expansionisten Finanzierung von 161 GFANZ-Mitgliedern (4). Hierdurch können neue Kohlekraftwerke, -minen sowie entsprechende Infrastruktur wie Häfen entwickelt werden. Ebenfalls können neue Öl- und Gasfelder erschlossen und Pipelines sowie LNG-Terminals gebaut werden. Gerade erst im Oktober 2022 hat die International Energy Agency (IEA) in ihrem World Energy Outlook bekräftigt, dass solche neuen fossilen Projekte mit dem Ziel der Begrenzung der Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius nicht vereinbar sind. Denn sie schreiben für Jahrzehnte einen CO2-intensiven Pfad fest. Damit konterkarieren sie auch die Dekarbonisierungsziele der involvierten GFANZ-Mitglieder (5).

Lucie Pinson, Geschäftsführerin und Gründerin von Reclaim Finance: „Die Klimawissenschaft ist eindeutig: Wir müssen so schnell wie möglich aufhören, neue Kohle-, Öl- und Gasprojekte zu entwickeln, wenn wir die Paris-Ziele einhalten und die Klimakatastrophe noch verhindern wollen. Die meisten Banken und Investoren machen allerdings weiter wie bisher. Sie schränken die Unterstützung fossiler Expansionisten nicht ein – trotz vollmundiger Net-Zero Verpflichtungen, die sie gerne vor sich hertragen. Dieses Greenwashing untergräbt damit leider auch die Glaubwürdigkeit der Institute, die ernsthaft etwas für den Klimaschutz machen wollen.”

Das Ende der Finanzierung fossiler Expansion ist essentiell für das 1,5 Grad-Limit, dem sich GFANZ verpflichtet hat. Trotzdem hat bisher keine der GFANZ-Unterorganisationen entsprechende sinnvolle Formulierungen in ihren jeweiligen Richtlinien veröffentlicht. Allerdings: Die UN „Race to Zero"-Kampagne, die alle Finanzinstitute mit dem Beitritt zu GFANZ-Unterorganisationen unterzeichnet haben, benennt Netto-Null-Kriterien für Finanzinstitute und seit Juni 2022 auch ein Ende der Finanzierung neuer fossiler Projekte. Jedoch gab GFANZ im Oktober 2022 bekannt, ihre Mitglieder nun nicht mehr zu der Unterzeichnung der UN „Race to Zero"-Kampagne zu verpflichten. Die einzelnen Unterorganisationen der GFANZ sind allerdings (zumindest bis heute) weiterhin offiziell Partner der UN- Kampagne, womit entsprechende Verpflichtungen fortbestehen. Der im November 2022 kurz nach der GFANZ-Ankündigung veröffentlichte Bericht der „High Level Expert Group on net zero" der UN betont, dass glaubwürdige Net-Zero-Verpflichtungen ein Ende der finanziellen Unterstützung für fossile Expansion beinhalten müssen (6). 

Reclaim Finance Senior Analyst Paddy McCully: „GFANZ-Mitglieder gießen Öl ins Feuer und beschleunigen die Klimakatastrophe, wenn sie trotz ihrer Verpflichtungen Milliardensummen an fossile Expansionisten geben. GFANZ und ihre Unterorganisationen werden nur glaubwürdig sein, wenn sie ihren Worten endlich entschlossene Taten folgen lassen und ihre Mitglieder unumstößlich verpflichten, zu einem schnellen Ende der Ära fossiler Expansion beizutragen.”

Mit Blick auf Deutschland sticht der Deutsche Bank-Konzern hervor: Die Deutsche Bank selbst hat seit Beginn ihrer Mitgliedschaft in der NZBA (April 2021) 9,2 Milliarden US-Dollar an Kapital für fossile Expansionisten zur Verfügung gestellt (Stand August 2022). Sie belegt damit im Bericht Platz 10 im internationalen Ranking. Trotz NZBA-Mitgliedschaft versorgte die Deutsche Bank 2022 zum Beispiel den kanadischen Pipelinebauer Enbridge und den französischen Öl- und Gaskonzern Total mit Geld. Ihre Tochter DWS hielt mit Stand September 2022 10,4 Milliarden US-Dollar in Aktien und Anleihen fossiler Expansionisten – Platz 13 im internationalen Ranking. Die DWS ist seit Ende 2020 Mitglied der NZAM und sieht sich derzeit mit erheblichen Greenwashing-Vorwürfen konfrontiert. Bis heute kann der große deutsche Vermögensverwalter immer noch keine nennenswerte Richtlinie vorweisen, in der das Investment in Kohle-, Öl- und Gaskonzerne eingeschränkt wird. Gleiches gilt allerdings auch für die Deutsche Bank im Rahmen ihres Kredit- und Investmentbanking-Geschäftes (für mehr Informationen lesen Sie bitte unten und auf Seite 48f des Berichtes, wo auch weitere deutsche Finanzinstitute mit Commerzbank, Allianz Global Investors, Union Investment sowie Deka Gruppe aufgeführt werden).

Regine Richter, Finanzkampaignerin bei urgewald: „Die Deutsche Bank spielt international eine wichtige Rolle bei der Finanzierung fossiler Expansionisten, sowohl bei Kohle als auch in deutlich größerem Maßstab bei Öl und Gas. Daran wird sich wahrscheinlich auch mit den im Oktober 2022 neu gesetzten Zielen für das Kreditgeschäft nichts ändern. Denn diese setzen bei allgemeinen Dekarbonisierungsziele im Sektor an und nicht da, wo es aus Klimasicht am wichtigsten wäre: beim kategorischen Ausschluss von Unternehmen, die noch expandieren wollen und damit die Pariser Klimaziele unerreichbar machen. Die Deutsche Bank kann in ihren Klimaschutzbemühungen nicht ernst genommen werden, solange sie fossile Expansion nicht sofort umfassend ausschließt.” 
 

Hintergrund zur Deutschen Bank und DWS: 
Die Deutsche Bank hat im Oktober 2022 Dekarbonisierungsziele für ihr Kreditgeschäft veröffentlicht, um die Verpflichtungen aus der Net-Zero Banking Alliance zu erreichen. Sie hat dies zunächst für vier besonders CO2-intensive Sektoren getan: Neben dem Stahl- und Automobilsektor betreffen die Ziele die Stromproduktion, wo bis 2030 69% der direkten (Scope 1) Emissionen reduziert werden sollen, bezogen auf CO2-Ausstoß pro Megawattstunde. Im Öl- und Gassektor sollen im Upstreambereich (Exploration, Ausbau und Förderung) bis 2030 nur sehr moderate 23% der erweiterten Emissionen (Scope 3, also Nutzung und Verbrennung von Öl und Gas) reduziert werden, in Tonnen CO2 gerechnet. Lesen Sie hierzu auch: https://reclaimfinance.org/site/en/2022/10/26/deutsche-bank-recognizes-the-need-to-phase-out-fossils-but-fails-to-halt-finance-for-fossil-expansion/

Im Rahmen der NZAM hat sich die DWS als erstes Ziel vorgenommen, dass 35,4% des verwalteten Vermögens dem Netto-Null-Ziel entsprechen sollen. Dies schließt allerdings nur Scope 1- und 2-Emissionen ein – die DWS strebt die Reduktion der Scope 3-Emissionen (durch die Nutzung und Verbrennung von Öl und Gas) lediglich an. Außerdem hat sich die DWS die Reduktionsziele bis 2030 relativ zum Gesamtvermögen gesetzt. Um aber eine tatsächlich messbare CO2-Reduktion zu erreichen, müsste sie sich stattdessen absolute Ziele setzen. Stand heute hat die DWS keine allgemeingültigen fossilen Ausschlusskriterien festgeschrieben. Lediglich Nachhaltigkeitsfonds setzen eine Umsatzschwelle von 25% oder teils niedriger für Kohleunternehmen an. Wenn die DWS, wie urgewald gegenüber angekündigt, endlich eine neue Kohlerichtlinie festlegt, muss diese zuvorderst fossile Expansion (sowohl Produktion als auch Verstromung) ausschließen, aber auch absolute Ziele einführen. Außerdem ist es notwendig, dass endlich Öl- und Gasunternehmen in die fossile Richtlinie aufgenommen werden, angefangen beim strikten Ausschluss der Unternehmen, die weitere Öl- und Gasfelder erschließen und ausbeuten wollen. Schließlich muss die fossile Richtlinie auch passive Investments durch Indexfonds einschließen. Lesen Sie hier auch eine in Oktober 2022 veröffentlichte Recherche von Reclaim Finance, urgewald und Greenpeace zu den Investitionen deutscher Vermögensverwalter, speziell der DWS, in fossile Expansionisten: https://www.urgewald.org/medien/deutschlands-top-vermoegensverwalter-stecken-trotz-klimaversprechen-13-milliarden-euro

Hintergrund zur Allianz:
In der Gruppe der Asset Owner Alliance (AOA) hält die Allianzgruppe laut Bericht 10 Milliarden US-Dollar (gemanagte) Investitionen in fossile Expansionisten und steht damit an erster Stelle aller AOA-Mitglieder. Von dieser Summe entfallen allerdings 9 Milliarden auf die Vermögensverwaltertochter Pimco, für die die Allianz-Mutterkonzernregeln nicht gelten (Bericht Seite 16) und die nicht Teil der Net Zero Asset Manager-Initiative ist. Die andere Allianz-Vermögensverwaltertochter AGI (Allianz Global Investors) hielt Stand Ende September 2022 242 Millionen US-Dollar in Kohleexpansionisten, die sie in ihren Kohlerichtlinien nicht explizit ausschließt, und 4,18 Milliarden US-Dollar in Öl- und Gasexpansionisten. Für den Öl- und Gassektor hat AGI bisher keine veröffentlichte Richtlinie. Lesen Sie hierzu auch: https://www.urgewald.org/medien/wenig-fuer-2021-allianz-global-investors-veroeffentlicht-erstmals-kohle-ausschlussrichtlinie 

Kontakt: urgewald, Stefanie Jellestad | stefanie.jellestad@urgewald.org | www.urgewald.org

Anmerkungen:
(1) Lesen Sie hier den neuen Bericht "Throwing Fuel on the Fire: GFANZ financing of fossil fuel expansion”. GFANZ wurde im April 2021 ins Leben gerufen und umfasst sieben Unterorganisationen für verschiedene Finanzmarktakteure. Diese haben insgesamt mehr als 550 Mitglieder aus 50 Ländern, darunter viele der größten und damit wichtigsten Finanzinstitute der Welt. Die in diesem Bericht untersuchten GFANZ-Mitglieder wurden auf Basis ihres (verwalteten) Vermögens bzw. ihrer Bilanzsumme ausgewählt. Die Finanzrecherche wurde von Profundo durchgeführt, primär auf Basis von Daten von Bloomberg, Refinitiv und IJGlobal. Der Untersuchungszeitraum ist stets von Beginn der Mitgliedschaft eines Finanzinstitutes in der jeweiligen GFANZ-Unterorganisation bis August (für Kredite/Underwriting) oder September 2022 (für Investments).

(2) Mit Stand September 2022. Die in diesem Bericht explizit erwähnten Finanzinstitute sind im Vorfeld der Veröffentlichung des Berichts von Reclaim Finance kontaktiert worden. Ihnen wurde die Möglichkeit gegeben, die für ihr jeweiliges Institut erhobenen Daten zu überprüfen bzw. zu kommentieren. Die Methodik der Untersuchung ist in Appendix 11 des Berichtes zu finden.

(3) Von den 161 in diesem Bericht analysierten GFANZ-Mitgliedern, die sich ebenfalls in dem Coal Policy Tool von Reclaim Finance finden, haben nur 61 eine Richtlinie, die (ansatzweise) Unternehmen, die im Kohlebereich expandieren, ausschließt. Laut dem Oil and Gas Policy Tracker von Reclaim Finance hat bisher nur die französische La Banque Postale eine robuste Richtlinie zum Ausschluss von Öl- und Gasexpansionisten. 

(4) Die Untersuchung durch Profundo erfolgte für 368 große Kohleexpansionisten, die auf der Global Coal Exit List (GCEL) von urgewald zu finden sind, sowie für 91 der größten Expansionisten im Bereich der Entwicklung neuer Öl- und Gasfelder und 77 der größten Pipeline- und LNG-Terminalentwickler. Für den Öl- und Gassektor wurde die Global Oil and Gas Exit List (GOGEL) von urgewald herangezogen. Nach Bereinigung um Überschneidungen zwischen Kohle-, Öl- und Gasexpansionisten handelte es sich um insgesamt 493 untersuchte Unternehmen mit fossiler Expansion, die von den untersuchten GFANZ-Mitgliedern Unterstützung in Form von 229 Konsortialkrediten, Underwriting-Mandaten und/oder Investitionen erhielten. Finanzierungen und Richtlinien von den folgenden GFANZ-Unterorganisationen wurden betrachtet: Net Zero Banking Alliance, Net Zero Asset Managers Initiative, Net-Zero Asset Owner Alliance und Net-Zero Insurance Alliance.

(5) Die Verwendung von bzw. Verpflichtung zu Dekarbonisierungszielen 2030 oder 2050 ist keine adäquate Antwort auf den Klimanotstand. Diese Strategie zielt primär auf mittel- bis langfristige Perspektiven im Risikomanagement bei Finanzinstituten ab. Um die Erderwärmung auf maximal 1,5 Grad Celsius zu begrenzen sind aber unmittelbare und kurzfristige Reduktionen von CO2-Emissionen zwischen jetzt und 2030 nötig und der unmittelbare Stopp der fossilen Expansion. Hierfür sind Ausschlusskriterien wichtig.

(6) Integrity Matters: Net Zero Commitments By Businesses, Financial Institutions, Cities And Regions,  High-Level Expert Group on the Net-Zero Emissions Commitments of Non-State Entities, November 2022


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