Bodenversiegelung in ländlichen Gebieten als Faktor für die Verschlechterung der Wasserqualität unterschätzt
"Darum werden auch die Folgen wie höhere Nährstoffeinträge nicht ausreichend erfasst.“
Die Verstädterung geht mit einer erheblichen Versiegelung von Böden einher. Rund 20 Prozent dieser neu versiegelten Flächen liegen dabei nicht in urbanen, sondern in ländlichen Gebieten, wie eine aktuelle Studie der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung (SGN) und des IGB zeigt. Bei Berechnungen der Nährstoffeinträge in Gewässer werden diese Neuversiegelungen in ländlichen Gebieten bislang nicht berücksichtigt, denn diese basieren häufig auf Landnutzungskarten und betrachten urbane Räume. Dies hat zur Folge, dass die Gesamtbelastung mit Nährstoffen systematisch unterschätzt wird. Unter Versiegelung leidet die Wasserqualität, aber auch die Lebewesen im Wasser sind betroffen: Insbesondere bei wirbellosen Tieren nehmen nicht-einheimische Arten deutlich zu und empfindliche Arten signifikant ab, wie die Studie ergab.
Je mehr Bodenfläche undurchlässig wird, desto weniger Wasser kann vor Ort versickern, und umso mehr Schmutz und Nährstoffe werden direkt in die Gewässer gespült. Insbesondere in Gewässernähe ist die Versiegelung des Bodens deswegen ein Schlüsselfaktor für die Wasserqualität und die Vielfalt der Lebewesen in Süßgewässern.
Ein Team um Senckenberg-Wissenschaftler Peter Haase und Markus Venohr vom IGB untersuchte anhand hochauflösender Daten über undurchlässige Oberflächen in städtischen und nicht-städtischen Gebieten, wie sich die Versiegelung räumlich und zeitlich in Deutschland ausbreitet und wie sie sich auf Abflussmengen, Nährstoffeinträge und wirbellose Tiere auswirkt.
Versiegelung ist nicht nur ein städtisches Phänomen
Die Forschenden stellten anhand von Modellrechnungen fest, dass die Versiegelung zwischen 2006 und 2015 deutschlandweit um 3,2 Prozent zugenommen hat. Die nicht-städtischen Gebiete trugen dabei zu fast 20 Prozent zur Ausweitung der undurchlässigen Flächen bei.
„Diese Versiegelung in ländlichen Regionen wird in bisherigen Berechnungen zur Gewässerverschmutzung nicht berücksichtigt. Darum werden auch die Folgen wie höhere Nährstoffeinträge nicht ausreichend erfasst", erläutert Erstautorin Hong Hanh Nguyen, Forscherin bei der Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung und am IGB. In Zahlen bedeutet dies, dass 15 Prozent des Abflusses, 10 Prozent des Gesamtstickstoffs und rund 13 Prozent des Gesamtphosphors, die von versiegelten Flächen in die Gewässer gelangen, nicht mitgerechnet werden.
Invasive Arten nehmen zu, empfindliche Arten ab
Zu hohe Einträge infolge der Versiegelung von nicht-städtischen und städtischen Gebieten haben negative Folgen für die Gewässer und die in ihnen lebenden Organismen. Die Autor*innen betrachteten in der Studie insbesondere die Zusammensetzung der wirbellosen Tiere. „Verschmutzungsresistente und nicht-einheimische Arten wie Körbchenmuscheln oder Höckerflohkrebse nehmen zu, insbesondere in großen Flüssen. Empfindliche Arten wie Eintagsfliegen und Steinfliegen nehmen ab", erläutert Peter Haase.
Daten zu versiegelten Flächen statt Landnutzungskarten nutzen
„Unsere Ergebnisse zeigen, dass der Anteil der versiegelten Fläche ein deutlich besserer Parameter ist, um die Einflüsse der Verstädterung auf Gewässer zu beurteilen, als die in Landnutzungskarten dargestellten ‚urbanen Flächen‘, da urbane Flächen auch Grünflächen und Stadtwald enthalten, aber andererseits versiegelte ländliche Räume unberücksichtigt bleiben. Damit wäre es möglich, die Auswirkungen von Urbanisierungsprozessen auf Süßwasserökosysteme besser zu erfassen und bei Schutzmaßnahmen und der Bewirtschaftung gezielter zu berücksichtigen", resümiert Markus Venohr.
Kontakt: Leibniz-Instituts für Gewässerökologie und Binnenfischerei (IGB), Markus Venohr | m.venohr@igb-berlin.de | www.igb-berlin.de
Umwelt | Wasser & Boden, 20.01.2023
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