Grünes Licht für Panzerlieferungen an die Ukraine
Voll Sorge verfolgt Christoph Quarch, wie sich der Krieg in unseren Köpfen ausbreitet.
Tage lang beherrschte eine Frage unsere Medien: Wird Deutschland die Lieferung von Leopard-Panzern an die Ukraine zulassen? Anfang der Woche hat die Bundesregierung grünes Licht gegeben. Endlich, aus Sicht der Befürworter, die in dieser Entscheidung einen Schritt sehen, der das Kriegsgeschehen zugunsten der Ukraine wenden wird. Kritiker jedoch fürchten, Deutschland werde auf diese Weise tiefer in den Krieg hineingezogen. Wer hat Recht? Über diese Frage reden wir mit dem Philosophen Christoph Quarch.
Herr Quarch, wo steht Deutschland 11 Monate nach Kriegsbeginn?
Mit Sorge verfolge ich, wie sich der Krieg in unseren Köpfen ausbreitet. Ich frage mich: Was macht es mit uns, wenn wir auf den Startseiten der Nachrichtensender tagelang nichts anderes zu sehen bekommen als Kriegsmaschinen? Was ist in unseren Köpfen passiert, wenn Markus Lanz zum „Panzer-Talk" bittet und wenn eine Hightech-Waffe liebevoll als „unser Leo" deklariert wird? Wieso bleibt es unwidersprochen, wenn sich Herr Melnyk wünscht, Deutschland möge an der Spitze einer starken Panzer-Koalition gegen Russland ziehen? Haben wir die Geschichte vergessen? Glauben wir immer noch an den deutschen Panzer? Weckt es einen archaischen Stolz in uns, wenn wir hören, dass „unser Leo" zur kriegsentscheidenden Waffe wird? Solche Fragen treiben mich um.
Aber wir müssen doch den Tatsachen ins Auge sehen: Russland führt einen brutalen Angriffskrieg gegen die Ukraine und wir stehen in der Pflicht, dem überfallenen Land beizustehen – gerade vor dem Hintergrund unserer Geschichte.
Das ist richtig, aber es entbindet uns nicht von der Frage, wie wir das auf eine gute Weise tun können. Sind Waffenlieferungen der richtige Weg? Zumal, wenn es sich um Angriffswaffen und nicht um Verteidigungswaffen handelt, wie die russische Seite feststellt. Heißt Unterstützung, dem Partner alles zu liefern, was er fordert? Ich frage mich, wohin das führen soll. Kaum sickert die Nachricht durch, dass Olaf Scholz eingelenkt hat, kommt aus Kiew der Ruf nach mehr. Schon ist von F-16 Kampfjets die Rede. Und klar, wie sollte es auch anders sein? Es gibt nicht zufällig das Wort „Rüstungsspirale". Denn so war es doch schon immer: Eine Waffenlieferung zieht die nächste nach sich. Und so rutschen wir Schritt für Schritt in einen Krieg hinein, den wir eigentlich gar nicht wollen. Erst im Kopf und dann im Handeln.
Hätten Sie es lieber gesehen, wenn Scholz die Leopard-Lieferungen nicht zugelassen hätte?
Das würde ich so nicht sagen. Dafür überschaue ich die diplomatische und militärische Lage zu wenig. Aber ich glaube, es war genau richtig, damit möglichst lange zu warten und nicht im Hurra sofort den ukrainischen und polnischen Forderungen nachzukommen. Nichts scheint mir in einem Krieg falscher, als sich wie Frau Strack-Zimmermann in den Sog der Militärs ziehen zu lassen und in Aktionismus zu verfallen. Was die Kritiker von Scholz „Zögern", „Sturheit" oder „Trägheit" nennen und als Schwäche geißeln, nenne ich Besonnenheit, Sorgfalt und Diskretion: politische Tugenden in einem heißen Krieg, bei dem niemand weiß, wie der Feind reagieren wird; und bei dem man nie aus den Augen verlieren darf, dass er am Ende nur auf diplomatischem Wege entschieden werden kann.
Die Befürworter der Panzer-Lieferungen argumentieren, dass man Russland durch militärische Erfolge der Ukraine an den Verhandlungstisch zwingen müsse.
Man hört auch andere Töne. Aus „Die Ukraine darf nicht verlieren" ist vielerorts „Die Ukraine muss den Krieg gewinnen" geworden. Aber was das genau heißen soll, bleibt im Unklaren. Kiew gibt als Kriegsziel die Wiedereroberung aller besetzten Gebiete aus, einschließlich der Krim. Da fragt man sich: Wie viele Waffen werden wir dafür noch liefern müssen? Wie lange wird dieser Krieg noch dauern? Muss es nicht unser vordringliches Interesse sein, diesen Krieg so schnell wie möglich zu beenden und auf eine diplomatische Lösung hinzuarbeiten? Dafür muss der Westen werben. Wir dürfen nie aus dem Blick verlieren, dass Frieden nicht gegen, sondern nur mit Russland möglich sein wird. Ein gedemütigter Atom-Riese hilft niemandem. Deshalb sind Besonnenheit und Nüchternheit das Gebot der Stunde. Ich wünsche mir sehr, dass wir alle uns ein Beispiel an Olaf Scholz nehmen und zur Besonnenheit zurückkehren.
Der Bestseller-Autor Christoph Quarch ist Philosoph aus Leidenschaft. Seit ihm als junger Mann ein Büchlein mit »Platons Meisterdialogen« in die Hand fiel, beseelt ihn eine glühende Liebe (philia) zur Weisheit (sophia), die er als Weg zu einem erfüllten und lebendigen Leben versteht. Als Autor, Publizist, Berater und Seminarleiter greift er auf die großen Werke der abendländischen Philosophen zurück, um diese in eine zeitgemäße Lebenskunst und Weltdeutung zu übersetzen."
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Als forum-Redakteur zeichnete Christoph Quarch verantwortlich für den Sonderteil „WIR - Menschen im Wandel".
Gesellschaft | Politik, 24.01.2023
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